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ITALIEN/009: Giorgio Napolitano als Präsident wiedergewählt (Gerhard Feldbauer)


Giorgio Napolitano von Sozialdemokraten, Berlusconis faschistoider PdL und Lega-Rassisten als Präsident wiedergewählt

Das abgekartete Spiel demonstriert Zerfall von Mitte Links und Verschärfung der Rechtswende

von Gerhard Feldbauer, 22. April 2013



Nachdem in den ersten fünf Wahlgängen alle Kandidaten scheiterten, ist am Sonnabend der bisherige Amtsinhaber, Georgio Napolitano mit 738 von 1007 Stimmen als Staatspräsident Italiens wiedergewählt worden. Er hat am Montag bereits seinen Amtseid abgelegt. Der seit 2006 amtierende 87jährige Napolitano, der zunächst eine zweite Amtszeit abgelehnt hatte, wird in verdächtiger Einmütigkeit von der Demokratischen Partei (PD) bis zur faschistoiden Partei Volk der Freiheit (PdL) Berlusconis als Retter aus der Krise gefeiert. Von Papst Franziskus über EU-Chef Barosso bis US-Präsident Obama sind alle des Lobes voll. In Wirklichkeit kommt ein Politiker - der wahrscheinlich bald zurücktreten wird - ans Staatsruder, der seine Demokraten und damit das von ihnen angeführte Mitte Links-Bündnis in das jetzige Scheitern mehrerer ihrer Kandidaten zur Wahl des Staatschefs wie vorher bei der Regierungsbildung manövriert hat.

Wie kaum bei einem anderen ehemaligen linken Politiker ist der Werdegang Napolitanos von Anpassung an die Macht des Kapitals geprägt. Seit 1966 Mitglied des Politbüros der PCI wurde er zum führenden Vertreter der Revisionisten, die die Partei 1991 mit der Umwandlung in die Linkspartei PDS liquidierten. Später Parlamentspräsident, mehrfach Minister, 2005 Senator auf Lebenszeit, 2006 Staatspräsident, beförderte er 2007 auch die Beseitigung der Linkspartei durch ihre Vereinigung mit dem katholischen Zentrum zur heutigen PD mit sozialdemokratischem Aushängeschild. Als die Linke beim Sturz Berlusconis 2011 Auftrieb erhielt und sofortige Neuwahlen forderte, die ihr und Mitte Links einen Sieg hätten bringen können, lehnte Napolitano ab und setzte stattdessen den von Brüssel und Berlin favorisierten ehemaligen EU-Kommissar Mario Monti als Übergangspremier ein. Das verschaffte der extremen Rechten mit Berlusconi an der Spitze ein Comeback und damit bei den Parlamentswahlen im Februar 2013 den zweiten Platz hinter Mitte Links. Dies führte zum Patt und dem Scheitern einer Regierungsbildung.

Wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Sonnabend berichtete, wurde die Wiederwahl Napolitanos bei einem Treffen zwischen ihm, dem Ex-Premier Berlusconi als Vertreter der faschistoiden PdL, dem amtierenden Übergangs-Premier Mario Monti und dem PD-Vorsitzenden Luigi Bersani entschieden. Bei dem abgekarteten Spiel sei auch Einigung erzielt worden, den 75jährigen parteiunabhängigen früheren Sozialisten und späteren Christdemokraten Giuliano Amato, der mehrmals Ministerämter inne hatte und auch Premier war, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Die Ergebnisse sind eine weitere Verschärfung der Rechtswende. Beppe Grillo, Chef der Bewegung Fünf Sterne (M5S) nannte das Treffen einen Staatsstreich, gegen den seine Anhänger vor dem Parlamentsgebäude auf der Piazza Montecitorio protestierten.

Vor Napolitano war der von der PD zusammen mit der PdL ins Rennen geschickte rechte Gewerkschaftsführer der katholischen CISL Franco Marini an den Gegenstimmen der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) von Nicchi Vendola gescheitert. Den früheren EU-Kommissionspräsidenten und mehrmaligen Ministerpräsidenten Romano Prodi, der bis 2008 noch mit den Kommunisten regierte, brachte der Boykott Berlusconis und der Lega aber auch 100 fehlende Stimmen aus der PD zu Fall. Gegen Prodi, der als einziger Politiker in seinen Amtszeiten gegen den faschistoiden Berlusconi Front machte und ihn in Wahlen zweimal besiegte, demonstrierte die "Duce"-Enkelin Alessandra Mussolini von der PdL im Unterhemd mit der Aufschrift "Prodi ist der tatsächliche Teufel".

Auch der frühere unabhängige Linke in der PCI, später Linkspartei PDS, der ehemalige Verfassungsrechtler Stefano Rodonta, (Jura-Professor u. a. in Oxford und Paris), den die SEL mit M5S aufstellte, fiel durch. Dabei hatte der sonst chaotisch agierende Grillo taktisch geschickt zugesagt, im Gegenzug danach eine Regierung unter Bersani zu unterstützen. Wie in Rom verlautete traf Monti vorher auch mit Berlusconi und Bersani zusammen und machte den Standpunkt aus Brüssel und Berlin geltend, dass Italien bei anhaltender Unregierbarkeit das Schicksal Griechenlands oder gar Zyperns drohe.

Bersani kündigte - als Konsequenz der Opposition gegen ihn in der eigenen Partei - nach der Wahl seinen Rücktritt an. Ein Makabres Schauspiel bot sich, als Grillo und Berlusconi vor ihren Anhängern dessen Abgang frenetisch feierten. Als Nachfolger Bersanis steht der Rechtsaußen der PD, der Florenzer Bürgermeister Matteo Renzi, in den Startlöchern. Die PD, die 2007 als eine Misch-Masch-Partei aus Linksdemokraten und Katholiken entstand, ist tief gespalten und steht, wie "La Repubblica" befürchtet, vor dem Zerfall oder zumindest der Spaltung. Wie ANSA berichtete, will Renzi die Partei auf der Basis eines "neuen Reformismus" reorganisieren. Dem Vernehmen nach ist er bereit, mit der PDL eine Regierung zu bilden, die bis zu Neuwahlen in einem Jahr amtieren soll. SEL-Vorsitzender Vendola hat entschiedene Opposition gegen eine Regierung mit Berlusconis PdL und der Lega angekündigt. In Rom wird angenommen, dass auch Amato, auf den man sich auf Napolitanos Treffen geeinigte hatte, keine mehrheitsfähige Regierung zustande bringen dürfte und der wiedergewählte Staatschef erneut ein Übergangs-Kabinett einsetzen wird, wonach er dann Neuwahlen ausschreiben müsste.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2013