Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → POLITIK

FRAGEN/005: Rebecca Harms, Bündnis 90/Die Grünen - Transformationsprozesse brauchen Zeit (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Donnerstag, 24. April 2014 / Politik & Recht

Rebecca Harms (Bündnis 90/Die Grünen): "Niemals aufgeben! - Transformationsprozesse brauchen Zeit"



Aus Sicht der Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament und deutschen Spitzenkandidatin der Grünen zur Europawahl geht es in der europäischen Klima- und Energiepolitik nur langsam voran. In der kommenden Legislaturperiode will sie Energieverschwendung reduzieren und die Energiewende nach Europa holen.

Was waren für Sie die wichtigsten Themen, für die der Industrieausschuss (ITRE), der Umweltausschuss (ENVI) oder der Fischereiausschuss (PECH) in den letzten fünf Jahre federführend zuständig war? Was konnten Sie in den entsprechenden Ausschüssen dabei verbessern und verändern?

Natürlich wünschen wir uns immer schnellere und größere Fortschritte bei Umwelt- und Klimaschutz. Aber dennoch es gibt Erfolgsgeschichten aus meinen Ausschüssen: Die Effizienzrichtlinie wurde verabschiedet. Sie trägt dazu bei, den Energieverbrauch in der Europäischen Union zu reduzieren. Leider reichen die beschlossenen Maßnahmen aber nicht aus, um das Einsparungsziel von 20 Prozent für 2020 zu erreichen.

Bei der Fischereireform ist es uns gelungen, endlich einen großen Schritt in Richtung nachhaltige Fischerei zu machen. Fischereirechte sollen zuerst diejenigen bekommen, die das Ökosystem der Meere nicht beschädigen. Auch die Regeln für die EU-Fischereiflotte in Gewässern außerhalb der EU wurden verschärft: Dort dürfen die Europäer nur noch Überschussbestände fischen. Das ist ein entscheidender Schritt gegen die Überfischung an den Küsten von Entwicklungsländern.

Kurz vor Ende der Legislaturperiode konnten wir noch eine wichtige klimapolitische Entscheidung zur Verminderung der fluorierten Gase verabschieden. Supertreibhausgase haben eine sehr hohe Klimawirksamkeit (bis zu 23.000 Mal höher als CO2) und viele dieser Gase bleiben für Tausende von Jahren in der Atmosphäre. Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen stieg der Ausstoß von F-Gasen seit 1990 um 60 Prozent an. Damit werden die Fortschritte in anderen Bereichen konterkariert. Es ist also allerhöchste Zeit diese Klimakiller in den Griff zu bekommen. Bis 2030 sollen F-Gase nun um fast 80 Prozent reduziert werden. Diese Vorgaben regen Innovationen in dem Bereich an und stimulieren die Nachfrage nach natürlichen Kühlmitteln, wovon die innovativen Unternehmen der Branche profitieren werden.

Wo sehen Sie die Herausforderungen für das kommende Europäische Parlament? Was wird im kommenden EU-Parlament auf der Agenda der drei Ausschüsse stehen, das Sie für besonders relevant halten?

Bei der Klima- und Energiepolitik haben wir längst nicht die Fortschritte gemacht, die wir uns am Anfang dieser Legislaturperiode erhofft hatten. Die EU ist keine ehrgeizige klimapolitische Vorreiterin mehr. Einzelinteressen einiger Mitgliedstaaten, die an Atom - und Kohleenergie festhalten wollen, erschweren die Festlegung neuer Ziele für Emissionsminderung, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Energieeinsparung. Da bleibt noch einiges zu tun - und zwar zügig, damit die EU bei dem Klimagipfel 2015 in Paris nicht mit leeren Händen dasteht.

Auch der EU-Emissionshandel muss endlich wieder funktionsfähig gemacht werden. Dazu gehört die Erhöhung der CO2-Ziele für 2020 auf mindestens 30 Prozent. Und überschüssige Zertifikate müssen endgültig vom Markt genommen werden.

Eine weitere Baustelle ist die Agrarpolitik. Die Reform vom vergangenen Jahr ist längst nicht so grün wie wir sie gerne gehabt hätten. Vom Greening der Landwirtschaft, das von der EU-Kommission angestoßen wurde, ist wenig übriggeblieben. Deshalb setzen wir Grüne uns weiter für eine nachhaltigere, bäuerliche Landwirtschaft in der EU ein, die sich gegen die große Agroindustrie behaupten kann.

Was haben Sie sich als Volksvertreterin vorgenommen, sollten Sie wieder ins Europaparlament gewählt werden?

Auch wenn diese Projekte kaum im Laufe einer Legislaturperiode umzusetzen sind, möchte ich eine europäische Energiewende weg von Kohle und Atom in der ganzen EU. Mehr Sonne und Wind und weniger Energieverschwendung! Außerdem wollen wir die Wende in der Landwirtschaft ohne Gentechnik und Massentierhaltung, gesunde Lebensmittel und ein faires Einkommen für die Bauern - statt großer Gewinne für die Agroindustrie. Wir fordern außerdem einen ernsthaften Klimaschutz, der sich an den wissenschaftlichen Empfehlungen und nicht an Industrieinteressen orientiert.

Was möchten Sie den deutschen Umweltverbänden für die kommende Legislaturperiode mit auf den Weg geben?

Niemals aufgeben! Wirkliche Transformationsprozesse brauchen Zeit und müssen sich auch erst mal in den Köpfen der Politiker durchsetzen. Uns Grünen gelingt es immer wieder, gerade mit Hilfe von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen Verbesserungen durchzusetzen, die ohne deren Arbeit nicht möglich wären. Deshalb möchte ich mich für den Einsatz der NGOs in dieser Legislaturperiode ganz herzlich bedanken und freue mich schon auf neue Initiativen und Ideen für die nächsten fünf Jahre.

www.rebecca-harms.de

*

Quelle:
EU-News, 24.04.2014
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2014