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STELLUNGNAHME/012: EU-Türkei-Vereinbarung menschen- und flüchtlingsrechtlich nicht haltbar (DIMR)


Deutsches Institut für Menschenrechte - 20. Juni 2016

EU-Türkei-Vereinbarung menschen- und flüchtlingsrechtlich nicht haltbar / Glaubwürdigkeit der EU wird verspielt


Berlin - Das Deutsche Institut für Menschenrechte veröffentlicht anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni eine Stellungnahme, die die Umsetzung der EU-Türkei Vereinbarung menschenrechtlich bewertet. Dazu erklärt das Institut:

"Die EU-Türkei-Vereinbarung sieht vor, dass alle Menschen, die in der EU Schutz suchen und auf den griechischen Inseln erstmals das Territorium der EU betreten, wieder in die Türkei abgeschoben werden. Um dies umzusetzen, werden die schutzsuchenden Männer, Frauen und Kinder, die in der Regel große Strapazen, Verletzungen und Verluste hinter sich haben, direkt nach ihrer Ankunft in so genannten 'Hot Spots' inhaftiert. Dies widerspricht dem strengen Verhältnismäßigkeitsprinzip beim Menschenrecht auf Freiheit - denn die Schutzsuchenden haben kein Verbrechen begangen, sondern nehmen nur ihr Menschenrecht auf Asyl wahr.

Die Situation in den 'Hot-Spots' wird durch Überbelegung, mangelhafte Nahrungsversorgung und fehlenden Schutz für Kinder, allein reisende Frauen und andere verletzliche Gruppen zusätzlich verschärft. Diese Zustände führten bereits dazu, dass sich Hilfsorganisationen aus Protest aus den 'Hot Spots' zurückgezogen haben. Zugleich sind Abschiebungen aus Griechenland in die Türkei aus menschen- und flüchtlingsrechtlicher Sicht nicht haltbar.

Der eingeschlagene Kurs der EU führt damit in eine Sackgasse, zudem wird die Glaubwürdigkeit im Bereich der Menschenrechte verspielt. Stattdessen ist eine Politik erforderlich, die durch das Prinzip der Solidarität unter den Mitgliedstaaten geprägt ist. Auch wenn einige Mitgliedstaaten derzeit nicht in angemessenem Umfang zur Aufnahme Schutz suchender Menschen bereit sind, bleibt die menschenrechtliche Verantwortung jedes einzelnen Mitgliedstaates. Die unmittelbaren Handlungsmöglichkeiten Deutschlands sind vielfältig. So könnte Deutschland etwa zügig Visa an Menschen erteilen, die in Griechenland festsitzen und bereits Verwandte in Deutschland haben.

Die Vereinbarung mit der Türkei enthält allerdings auch andere, wichtige Elemente wie die finanzielle Unterstützung für die Aufnahme von Flüchtlingen in der Türkei und die Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Türkei in die EU. Diese Ansätze sollten gestärkt werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten sich auf konstruktive Lösungsansätze konzentrieren, die mit den Menschenrechten und internationalem Flüchtlingsrecht vereinbar sind."


Stellungnahme:
Die EU-Türkei-Vereinbarung vom 18.03.2016: Umsetzung und Konsequenzen aus menschen- und flüchtlingsrechtlicher Perspektive (20.06.2016, PDF, 278 KB, nicht barrierefrei):
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/index.php?id=6&tx_publications_products%5Bproduct%5D=698&tx_publications_products%5Baction%5D=show&tx_publications_products%5Bcontroller%5D=Product&cHash=b481a47f0461fc14ac907e3cc3d5f77e

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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. Juni 2016
Deutsches Institut für Menschenrechte e. V.
Zimmerstr. 26/27, 10969 Berlin
Telefon: +49 30 259 359 0, Telefax: +49 30 259 359 59
E-Mail: info@institut-fuer-menschenrechte.de
www.institut-fuer-menschenrechte.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2016

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