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MARKT/169: Milchbauernperspektiven (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 410 - Mai 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Milchbauernperspektiven
Die Milchkrise ist noch nicht überwunden, Kriseninstrument nötig

von Ottmar Ilchmann


Die Mitgliederversammlung des European Milk Board Ende März in Brüssel stand nach wie vor im Zeichen der Milchkrise. Milchpreise von knapp über 30 Cent in ganz Europa reichen noch immer nicht zur Kostendeckung, von Rücklagenbildung oder gar Ausgleich der Verluste der letzten zwei Jahre ganz zu schweigen. Positiv wurde in allen Mitgliedsländern das EU-Mengenreduzierungsprogramm aufgenommen und erfolgreich umgesetzt. Es wurde deutlich, dass entgegen den Behauptungen von Bauernverbänden und Molkereiwirtschaft eine europäische Mengenreduzierung relativ leicht und unbürokratisch durchgeführt werden kann und sofort Wirkung auf den Milchpreis entfaltet. Nach dem Auslaufen dieses Programms ist allerdings eine erneute Produktionssteigerung zu befürchten. Dazu kommt noch die durch Intervention und geförderte private Lagerhaltung eingelagerte Menge von über 400.000 Tonnen Milchpulver, das nur eine begrenzte Haltbarkeitsdauer hat und bei Auslagerung den Milchmarkt noch für lange Zeit belasten wird. Der jetzige, etwas bessere Zustand ist also nach wie vor sehr labil, die Krise kann schnell wieder akut werden. Deshalb setzt das EMB weiterhin auf gesetzliche Rahmenbedingungen für ein Kriseninstrument, das auch die Deckelung der Anlieferung und eine Erzeugerumlage zur Finanzierung vorsieht. Mehrere Verbände berichteten, dass sich die Stimmung in ihren Ländern sowohl unter den Milcherzeugern als auch bei der Politik im Verlauf der Krise gedreht hat; das blinde Vertrauen in die Marktkräfte ist der Einsicht gewichen, dass im Krisenfall die Milchmenge koordiniert zurückgefahren werden muss.

Europäische faire Milch

Sehr erfreulich entwickelte sich im letzten Jahr das EMB-Projekt der fairen Milch. Sie ist mittlerweile in sechs Ländern am Start, stärkt das gute Image der Milch und der Milcherzeuger und erhöht den Bekanntheitsgrad der beteiligten Verbände. Außerdem ist die Initiative auch wirtschaftlich erfolgreich, bringt den beteiligten Milcherzeugern Mehrerlös ein und trägt nicht zuletzt durch eine Lizenzgebühr erheblich zur Finanzierung des European Milk Board bei. Somit konnte der Kassenführer von einem ausgeglichenen Haushalt und guten Voraussetzungen auch für das nächste Geschäftsjahr berichten.

Eine intensive Diskussion entwickelte sich um die Frage, wie weit sich das EMB inhaltlich breiter aufstellen soll. Zur Frage der Qualität der Milchproduktion brachte der Vorstand den Vorschlag ein, eine Kampagne zum Thema Palmöl anzustoßen. Palmöl wird von vielen Verarbeitern benutzt, um in Milchprodukten Butterfett zu ersetzen. Dabei ist es unter gesundheitlichen und Umweltaspekten sehr bedenklich. Mehrere Mitglieder betonten, das EMB müsse sich auch zu weiteren Produktionsbedingungen der Milch positionieren, etwa zur Verwendung von Soja in Kraftfutter und generell zur Art der Fütterung. Außerdem wurde von belgischen Vertretern die Frage aufgeworfen, wie bei erfolgreicher Bekämpfung von Krisen und dem Erreichen eines guten Milchpreises ein Wachstums- und Verdrängungsprozess verhindert werde könnte. Die Großbetriebe mit billigen Arbeitskräften würden bei gutem Verdienst durch die Übernahme von Pachtflächen kleinere Kollegen von ihren Höfen drängen, so die Kollegen. Dazu kam noch die Kritik an der ungerechten Förderpolitik der EU bzw. der Einzelstaaten mit undifferenzierten Flächenprämien und falscher Stallbauförderung. Zur nächsten GAP-Reform will das EMB jetzt eine gemeinsame Position entwickeln. Die Frage der Milchqualität und die der Begrenzung von Wachstum auf Kosten anderer werden bei der nächsten Mitgliederversammlung weiter diskutiert. Erwin Schöpges, Vorstandsmitglied aus Belgien, rief abschließend zur Einigkeit auf und betonte, die Stärke des EMB beruhe gerade auf der Konzentration auf die Kernfrage des fairen, kostendeckenden Milchpreises.


Ottmar Ilchmann, Milchbauer in Ostfriesland und Landesvorstand AbL-Niedersachsen

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 410 - Mai 2017, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2017

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