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MARKT/099: Ein goldenes Milchzeitalter? (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Ein goldenes Milchzeitalter?
Zumindest die EU-Kommission macht sich keine Sorgen um den Milchpreis in der kommenden Dekade

Von Marcus Nürnberger


Im September 2014 wurde für Deutschland mit einer Überschreitung der EU-Milchquote um rund 588.000 Tonnen bzw. 1,94 Prozent gerechnet. Damit müssten rund 163 Millionen Euro Superabgabe nach Brüssel abgeführt werden. Vorausgegangen war diesem extremen Produktionsanstieg eine Zeit mit vielen Stallneubauten, offenbar im Vorgriff auf die 2015 fallende Milchkontingentierung. Nach der Aufhebung der Verpflichtung, bei Stallneubauten und Erweiterungen eine adäquate Milchquote vorzuweisen, sind in Deutschland zahlreiche Ställe für bis zu 600 Tiere geplant und gebaut worden. Offenbar liefert zumindest ein Teil dieser Betriebe Milch, ohne diese durch Quoten abgesichert zu haben. In Bezug auf die Finanzierung scheint es unwahrscheinlich, dass das Risiko einer Strafzahlung wegen Überlieferung nicht einkalkuliert wurde. Eventuell haben die Molkereien den Betrieben hinter verschlossenen Türen Sicherheiten gegeben. Hintergrund könnte die zukünftige Strategie der Molkereien und die Sicherung ihrer Rohstoffversorgung mit wenigen großen Betrieben sein. Bei der Finanzierung über Banken wird davon berichtet, dass diese darauf bestehen, dass die neuen Betriebsstrukturen getrennt vom bisherigen Betrieb errichtet werden. Hintergrund dürfte sein, dass so im Falle einer Insolvenz ein Weiterverkauf möglich ist. Immer wieder berichtet wurde auch von Betrieben, vor allem in Norddeutschland, die unmittelbar nach Fertigstellung einen Antrag auf Spiegelung (also Verdopplung z.B. von 600 auf 1.200 Plätze) gestellt haben. Derartige Strukturen werden oftmals erst im nächsten oder übernächsten Jahr zu produzieren beginnen. Auch hier ist davon auszugehen, dass die Abnahme der Milch mit einer Molkerei im Vorfeld abgesprochen wurde.

Wachstum auf Kosten Anderer

Die Entwicklungen zeigen, dass die Molkereien an Konzepten arbeiten, die die Rohstoffversorgung nach dem Quotenende sichern sollen. Gleichzeitig erzeugen Betriebe von 1.200 Tieren in Regionen, in denen die Tierzahl pro Betrieb bisher bei 100 bis 150 Tieren lag, einen enormen Druck auf die Verfügbarkeit von Land und damit auf die Pachtpreise. Hier ist mit einem verschärften Strukturwandel in den kommenden Jahren zu rechnen. Inwieweit die Molkereien durch Stoppkosten und einen gestaffelten Auszahlungspreis zugunsten großer Betriebe diesen zusätzlich antreiben, bleibt abzuwarten.

Schon seit einigen Monaten bewegen sich die Preise nach unten. In Deutschland, wo die Produktion fünf Prozent über dem Vorjahr liegt, fielen sie von 40-42 Cent im Sommer auf aktuell ca. 32 Cent. Die Kosten dagegen liegen bei ca. 45 Cent. Auch in den kommenden Monaten werden die Preise wohl rückläufig sein, räumt Udo Folgart, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), ein. Ob die Talfahrt aber nur eine Delle sei oder länger anhalte, ließ der Milchfunktionär offen. Indes fordert er vorsorglich ein "passgenaues Sicherheitsnetz" auf europäischer Ebene. Dass er selbst so gar nicht von einer Stabilisierung der Milchpreise ausgeht, legt die Aussage nahe, man müsse auch über eine Anpassung des Interventionspreises, derzeit 21 Cent/kg Milch, nachdenken. Über Terminmärkte müssten die Landwirte ihre Produkte, zukünftig auch Milch, absichern. Die Molkereien könnten, so Eckhard Heuser, Geschäftsführer beim MIV, diesbezüglich eine Vermittlerrolle übernehmen. Dass die Absicherung an der Börse aber keinen auskömmlichen Preis garantiert, sondern nur die Möglichkeit eröffnet, eine sichere Kalkulationsgrundlage zu schaffen, bleibt unerwähnt. Glaubt man den Visionären der EU-Kommission, dann ist jede Sorge überflüssig. Milch wird das weiße Gold der nächsten Dekade, so die EU-Marktanalysen. Die Gründe hierfür sind einfach: Die weltweite Nachfrage steigt. Vor allem Chinas Bedarf steigt in den kommenden zehn Jahren auf mehr als das Doppelte. Und während die Exportanteile von Australien am Weltmarkt vollständig wegfallen, steigen die der EU von unter einer halben Millionen Tonnen im Zeitraum von 2004-2014 auf über 5 Millionen Tonnen Milchäquivalent für 2014-2024. Neuseeland, so die Analyse der Spezialisten, stößt mit seiner Produktion an seine natürlichen Grenzen und in den USA steigt der inländische Verbrauch stark an. Vor diesem Hintergrund wird ein Preis von 3 Euro/Tonne vorhergesagt. Dass der chinesische Markt nahezu sprunghaftes Wachstum verspricht, haben indes auch verschiedene Investoren verstanden. Derzeit sind verschiedene Unternehmen damit befasst, in den wachsenden Markt "Säuglingsnahrung" einzusteigen. So kooperieren nach Informationen der "China Daily" die Yili Industrial Group aus der Inneren Mongolei als einer der größten Milchverarbeiter mit der größten US-Milchgenossenschaft, der Dairy Farmers of America (DFA), um ein gemeinsames Milchpulverwerk zu bauen. Aber auch branchenfremde Investoren interessieren sich für Milch. Die australische Milliardärin und Bergbauunternehmerin Gina Rinehart kündigte an, das mehrheitlich von ihr gehaltene Molkereiunternehmen Hope Dairies werde 350 Millionen Euro investieren, um spätestens 2016 Babymilchpulver nach China exportieren zu können.

Die Quote nach der Quote

Obwohl das Ende der Milchquote unmittelbar bevorsteht, gibt es keine offizielle Nachfolgeregelung. Zumindest die Molkereien müssen schon aus Kapazitätsgründen Mengenregelungen andenken. Die meisten Milchviehhalter in Deutschland wurden von ihren Molkereien bezüglich ihrer zukünftigen Entwicklungspläne und Liefermengen befragt. Derzeit gibt es Aussagen von großen Molkereien wie dem DMK, dass auch zukünftig alle Milch abgeholt wird. Offen bleibt zu welchem Preis dies geschehen wird. Schon jetzt kann durch Stoppkosten und einen gestaffelten Milchpreis, der große Mengen besser stellt, gezielt auf die Struktur der Milchproduzenten eingewirkt werden. Zukünftig könnte es Molkereiquoten bzw. A- und B-Quoten ähnlich dem System in der Schweiz geben.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2015

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