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MARKT/011: Milch-Bericht der Kommission erkennt Mengenproblem an (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 325 - September 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Mengenproblem rückt EU-weit in den Vordergrund
Milch-Bericht der Kommission erkennt Mengenproblem an. Sie schlägt die Einschränkung der Saldierung vor. Acht EU-Länder fordern Einfrieren der Quoten-Erhöhung

Von Ulrich Jasper


"Die Europäische Kommission wird weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Milcherzeuger in der EU zu unterstützen und den Milchmarkt zu stabilisieren." Mit diesem hehren Anspruch beginnt die Pressemitteilung der EU-Kommission zu ihrem Bericht zur "Lage auf dem Milchmarkt im Jahr 2009", den sie am 22. Juli veröffentlicht hat. Den existenzbedrohenden Verfall der Milcherzeugerpreise seit Anfang/Mitte 2008 in Europa erklärt die EU-Kommission damit, dass die Nachfrage nach Milch und Molkereiprodukten gesunken sei, sowohl in der EU als auch weltweit.


Weltmarkt

In ihrer Arbeitsunterlage zum Markt-Bericht erklärt die Kommission, wie es zum "Preisverfall auf dem Weltmarkt" gekommen ist: "Während die Produktion anstieg, sank die Nachfrage auf dem Weltmarkt". Das weltweit steigende Angebot führt die Kommission auf eine steigende Milcherzeugung in Neuseeland, Australien, Argentinien, Brasilien "und bis vor Kurzem auch in den USA" zurück. In der EU 27 sei hingegen im Quotenjahr 2008/09 (1.4.bis 31.3.) 0,9 % weniger Milch erzeugt worden.

Für die weltweit sinkende Nachfrage zieht die Kommission als Maßstab die globalen Exporte heran, also die Drittlandsausfuhren aller Staaten. Beim Käse, dessen weltweit größter Exporteur die EU ist, seien die globusweiten Exporte im Jahr 2008 um 7,8 % gegenüber 2007 eingebrochen, im ersten Quartal 2009 nochmals um 12,3 % gegenüber dem 1. Quartal 2008. Bei Mager- und Vollmilchpulver habe es im Jahr 2008 eine Steigerung des weltweiten Drittlandshandels gegeben, aber die ersten drei Monate 2009 steht auch beim Pulver ein Minus (-5,4 % bzw. 1,0 %).

Beim EU-Markt argumentiert die EU-Kommission auf den ersten Blick anders als beim Weltmarkt. Für die EU begründet sie den Preisverfall alleine mit einer gesunkenen Nachfrage. Sie suggeriert, das Angebot könne nicht das Problem sein, weil die Milcherzeugung in der EU im Quotenjahr 2008/09 um 0,9 % zurückgegangen sei. Vor allem ist die Kommission aber bemüht, jeden Zusammenhang zwischen der vergangenen Quotenerhöhung und dem Preisverfall auszuschließen. Denn die Quote sei in dem Quotenjahr EU-weit um 4,2 % unterliefert worden. Natürlich weiß die Kommission, dass es nicht auf eine absolute Höhe nur eines Faktors ankommt, sondern auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage.

Zahlen zur Entwicklung der Nachfrage in der EU nennt die Kommission für das Jahr 2008 nicht, lediglich für die ersten vier Monate 2009. Da schließt sie von Rückgängen in der Produktion bei Frischeprodukten (zwischen 0,8 und 2,5 % Rückgang) und Käse (-2,3 %) auf eine entsprechend geringere Nachfrage. Da in der EU über 70 % der Milch in diese Produkte gingen, sei der Nachfrage-Rückgang in diesen Bereichen für den EU-Milchmarkt bedeutend. Festzuhalten bleibt somit, dass die Nachfrage innerhalb der EU offenbar stärker zurückgegangen ist als die Milcherzeugung. Zusammen mit den Rückgängen im Export ergibt das einen Überhang im Angebot - obwohl die Milcherzeugung zurückgegangen ist und obwohl die Quoten EU-weit um 4,2 % unterliefert worden sind.

Als Anhaltspunkt für den Umfang des Überangebots beziffert der Kommissionsbericht die Milchmenge, die im Rahmen der staatlichen Intervention bis Mitte Juli 2009 als Butter (81.900 t) und Magermilchpulver (203.000 t) aufgekauft und eingelagert worden ist, mit insgesamt 2,9 % der EU-Milcherzeugung. Inzwischen steigt nach Angaben der Kommission die Milcherzeugung in der EU wieder. Die Kommission will die Intervention bis weit in das Jahr 2010 hinein fortführen. Der Markt nimmt die Mengen offensichtlich nicht auf.


Vorschläge der Kommission

Doch was die Angebotsreduzierung betrifft, so enthält der Kommissions-Bericht nur Vorschläge, die die Mitgliedstaaten einzeln umsetzen könnten. Ein EU-weites Vorgehen auf der Angebotsseite lehnt die Kommission kategorisch ab. "Maßnahmen wie eine Quotenkürzung um 5 % oder ein Einfrieren der Quotenanhebungen" seien ausgeschlossen, weil sie dem Ergebnis des Health Checks vom November 2008 zuwiderlaufen würden. Dem widersprechen wiederum die Minister/-innen aus acht EU-Staaten in einem gemeinsamen Brief von Ende Juli. Darin heißt es: Wir "bestehen (...) darauf, dass die Möglichkeit eines Einfrierens der vorgesehenen Erhöhung der Milchquoten auf europäischer Ebene untersucht werden sollte - im Einklang mit den Beratungen im Rat, welche die Grundlage des Gesundheitscheck-Kompromisses bildeten." Die Unterzeichner sind Deutschland, Frankreich, Österreich, vier osteuropäische Staaten und Griechenland.

Als ob die Kommission diesen Vorstoß geahnt hätte, schlägt sie in ihrem Bericht vor, den einzelnen Mitgliedstaaten zu erlauben, die Saldierung wirksam einzuschränken oder abzuschaffen, d.h. von allen Milcherzeugern, die ihre einzelbetriebliche Quote überliefern, die Superabgabe zu erheben, auch wenn die nationale Quote nicht überschritten wird. Das lehnt sich an die jahrelange Praxis in Frankreich an. Offenbar will die Kommission mit diesem Vorschlag die Entschlossenheit der Minister auf den Prüfstand stellen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 325 - September 2009, S. 5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2009