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BERICHT/013: Lyrik bitterleicht und Geschichten ums Segeln - eine Lesung von Volker Maaßen (SB)


Seglergeschichten und bitterleichte Lyrik - Lesung von Volker Maaßen im Kulturcafé 'Komm du'



Es ist die gleiche belebte Straße, befahren von Autos im Sekundentakt. Der bekannte Gang in den Feierabend führt über ausgetretene Wege an immer älter werdenden Altbauten vorbei. Neuigkeiten liegen nicht unbedingt auf der Strecke. Vielleicht warten sie aber auch darauf, dass sich der Blick aus den Gewohnheiten löst und auf sie richtet. Fast im Vorbeigehen hat der Autor Volker Maaßen eines Abends in seinem, wie er sagt, ansonsten eher kulturverwaisten Stadtbezirk Hamburg-Harburg, das im Dezember 2012 eröffnete Kulturcafé in der Buxtehuder Straße 13 entdeckt. In großen beleuchteten Lettern steht der Name über dem Lokal: 'Komm du`. Volker Maaßen hat sich nicht lange bitten lassen und steuerte damit auf eine Premiere zu, die ihren Besuchern einen herzlich unterhaltsamen und gemütlichen Abend bescheren sollte. Am Mittwoch, den 24. April 2013, las der 65jährige Autor, nach Auftritten in Malente, Kiel oder am anderen Ende Hamburgs, seine Geschichten von Willy, dem Segler, und bitterleichte Lyrik erstmals zu Hause in Harburg.

Das Kulturcafé 'Komm du' mit seinem Eck-Eingang unter rot-weißen Namensschildern und einem Blick auf den sonnigen Garten - © 2013 by Schattenblick

© 2013 by Schattenblick

Volker Maaßen ist in Kiel an der Ostsee geboren worden und seit Kindertagen auf dem Wasser unterwegs. Seine Erlebnisse, Beobachtungen und Nachdenklichkeiten als Segler finden sich in seinen Erzählungen an Bord der Willy Wieberg wieder. Die Geschichten von Willy, dem Segler hat der Autor erklärtermaßen mit in das Programm dieses Abends aufgenommen, um den Vortrag seiner Gedichte etwas aufzulockern. Seine lyrische Arbeit steht aber im Vordergrund, und so beginnt er den Abend mit seinen Gedichten. Volker Maaßen hat ihnen Raum für Wirkung verschafft, indem er, mit einer bisher unveröffentlichten Kurzgeschichte und drei seiner bereits verlegten Seglergeschichten (1) für einen rhythmischen Wechsel auch in der Aufmerksamkeit seiner Zuhörer gesorgt hat. In der ersten Seglergeschichte (1) mit dem Titel "Tümmler" streifen Willys Gedanken um den Walfang, um die Bedrohung der Meeressäuger und um den Menschen und seine fragwürdige Bedeutung für die Welt. Eine andere erzählt auf heitere Weise, wie der Bordfrieden ins Wanken geraten kann, wenn ein Crew-Mitglied von einer Diät zur nächsten hüpft und den Kurs bezogen auf das eigene Idealgewicht sprunghaft ändert. Für den einen oder anderen Nicht-Segler unter den Zuhörern mag es schwierig gewesen sein, sich an Bord der Willy Wieberg trittsicher zu bewegen, die Reize dieser gedanklichen Reise vollends zu genießen und dabei den Blick auf die Welt aus der speziellen Seglerperspektive nachzuvollziehen. Möglicherweise hätten sich jene Zuhörer besser zurechtgefunden, wenn sie die Geschichten vom Autor selbst gehört hätten. Volker Maaßen hat an diesem Abend das Kommando über die Willy Wieberg abgegeben und seine Frau gebeten, die Seglergeschichten zu lesen. Dieses Manöver, um in der Seglersprache zu bleiben, hat sich selbst dann gelohnt, wenn es bei dem Einen oder Anderen die Begeisterung ein wenig gebremst haben sollte. Durch den Wechsel der Stimmen und Inhalte hat Volker Maaßen in seiner durchweg offenen, zugewandten Art den Zuhörern die Möglichkeit gegeben, die Geschichten und vor allem seine Gedichte nachklingen zu lassen und sich auf die jeweils folgende literarische Form einzustellen. Hinzu kommt, dass dadurch eine nahezu familiäre Atmosphäre entstanden ist und sich die Distanz zwischen Autor und Publikum noch einmal verringert hat.

Volker Maaßen sitzt in einem Sessel auf der Bühne des 'Komm du' und hält eine Textmappe in den Händen. Neben ihm steht ein kleiner Tisch mit Wasserglas und -krug darauf - © 2013 by Schattenblick

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Wer einmal versucht hat, sich einen Reim auf einen eigenen Gedanken zu machen, ein Gefühl in einem Gedicht auszudrücken oder gar eine Geschichte in Versen zu erzählen, weiß, dass Sinn und Reim nicht von vornherein ein unzertrennliches Paar sind, das man nur hereinzubitten braucht. Der Dichter bringt sie einander näher, führt sie zusammen, im besten Falle so konsequent, dass gegebenenfalls etwas Neues oder etwa schwer zu Beschreibendes entsteht. Weder die Absicht zu reimen, noch die erste inhaltliche Idee lassen sich in einem vollendeten Gedicht getrennt auffinden.

Dass diese Auseinandersetzung und dichterische Arbeit, nicht nur Mühe, sondern auch sehr viel Freude macht, hat Volker Maaßen mit seiner Lyrik im 'Komm du' gezeigt. Er kann sich hörbar lustvoll auf vieles einen Reim machen. Seine Affinität zu Wasser und Meer findet sich auch in seinen Gedichten wieder. Brasse, Aal und Co tauchen besonders in den humorvollen Versen als Hautfiguren auf. Volker Maaßen nutzt die Tierwelt, wie viele andere Autoren auch, um menschliches Verhalten zu spiegeln. Mindestens seit Ringelnatz zwei Ameisen auf ihrer Reise von Hamburg nach Australien weise hat werden lassen, gilt das sicher als gängiges Muster, um Mundwinkel zum freudigen Zucken zu bringen oder gar lauthals Heiterkeit auszulösen. Wer die Gedichte von Ringelnatz mag, findet sicher auch Gefallen an denen von Volker Maaßen. Wobei der Autor aus Harburg sich nicht auf heitere, leichte Themen und lustig unterhaltsame Verse festlegt. Schönheits- und Jugendwahn, gesellschaftliche Anpassung und immer wieder die Liebe sind ebenso Themen, die er lyrisch bearbeitet. Ohne über Geschmack streiten zu müssen, sind dabei jene Gedichte, die dem Bitteren den Hauptakzent geben, besonders eindrücklich. Manch anderen Gedichten möchte man das leichte Gewand vom gereimten Leib reißen, um sich ihren Kern auf der Zunge zergehen zu lassen, jedenfalls wenn man es pur, klar und unverfälscht und den bitteren Charakter nicht zum Zwecke der besseren Verdaulichkeit ummantelt wissen mag. Dabei lässt sich ahnen, dass Volker Maaßen, dessen Bemühen mit seinen Zuhörern Kontakt zu halten, ihre Reaktionen und Stimmungen aufzunehmen und zu berücksichtigen über die gesamte Vortragszeit ungebrochen war, deutlich mehr von Bitterkeit weiß, als er in seinen Gedichten offenbart und seinem Publikum zumutet. Vielleicht liefert ein geplanter Gedichtband des Autors alsbald Gelegenheit, diesem Bestandteil seiner Gedichte lesend auf die Spur zu kommen. Im Herbst 2013 sollen die ersten 100 Gedichte unter dem Titel "Bitterleichte Lyrik" als Buch erscheinen.

Der eine schwarze Baskenmütze tragende Autor, Volker Maaßen, steht auf der Bühne des 'Komm du' und hält eine Mappe mit Gedichten in den Händen - © 2013 by Schattenblick

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Volker Maaßen bedankt sich für das Zuhören ebenso unaufdringlich, floskelfrei und natürlich wie er den gesamten Abend gestaltet hat. Als der Autor dann alle Anwesenden einlädt, sich, so oft wie möglich, im 'Komm du' wiederzutreffen, um den Kunst- und Kulturhunger zu stillen oder einfach, um zu essen und zu trinken, zeigt sich auch darin unmissverständlich: Die Premiere zu Hause ist für den Harburger gelungen. An den Reaktionen der Gäste dieses Abends, die nach der nächsten Veranstaltung fragen, sich darüber äußern, wie gemütlich sie das Kulturcafé 'Komm du' finden, hat Volker Maaßen einen nicht zu unterschätzenden Anteil. Er hat mit den Harburgern seine Entdeckung des 'Komm du' geteilt und in ein selbstverständliches "Komm wieder!" überführt.


(1) Bücher von Volker Maaßen:
"Willy, Gedanken eines Seglers", 165 Seiten, R.G. Fischer-Verlag Frankfurt, ISBN-10: 3899506049
"Träume weiter, Willy!", 112 Seiten, Mohland-Verlag, ISBN-10: 3866751729

28. April 2013