Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → TERRE DES HOMMES

PROJEKT/224: "Damit Kinder ihre Angst bewältigen" - Im Portrait Dr. Sekar, NIMHANS, Indien


die zeitung - terre des hommes, 3. Quartal 2011

»Damit Kinder ihre Angst bewältigen«
Im Portrait: Dr. Sekar, NIMHANS, Indien

von Athanasios Melissis


»Durch Katastrophen wird das Leben der Menschen erschüttert.« Dr. Sekar weiß, wovon er spricht: Katastrophen sind sein Fachgebiet. Er ist Leiter der Abteilung Psychiatrische Sozialarbeit des National Institute of Mental Health and Neuro Sciences (NIMHANS). Das in der indischen Stadt Bangalore ansässige Forschungsinstitut betreibt ein Ausbildungskrankenhaus und koordiniert im Auftrag der Regierung nach Katastrophen die Betreuung der Opfer. Wie damals im Jahr 2004 nach dem Tsunami in Südostasien, der in Indien ca. 17.000 Todesopfer forderte und 650.000 Menschen obdachlos werden ließ. Auf Initiative von NIMHANS kümmerten sich bereits fünf Tage nach dem Tsunami psychologisch geschulte Helfer um die Opfer. »Sie hatten in intensiven Schulungen gelernt, wie sie bei Kindern erste psychologische Hilfe nach den erschütternden Erfahrungen von Zerstörung und Verlust leisten können«, erklärt Dr. Sekar.


Großer Bedarf

»Aber auch ohne einen Tsunami können viele Kinder andauernde Angst, Unsicherheit und Gewalt in schwierigen Lebensumständen nicht allein bewältigen«, betont Dr. Sekar, »insbesondere Kinder aus Risikogruppen wie Straßenkinder, Kinderarbeiter, Kinder von Vertriebenen, HIV-betroffene Kinder, Opfer von Kinderhandel und sexueller Gewalt.« Wenn man ihren Lebensalltag betrachte, erkenne man, dass sie einem hohen Risiko ausgesetzt sind, traumatisiert zu werden. Sie haben keine Chance auf psychologische Betreuung oder Therapie, weil in Indien ein großer Mangel an Fachpersonal herrscht. Deswegen arbeitet Dr. Sekar daran, für Indien politische Richtlinien für eine Basisversorgung von Kindern in schwierigen Lebensumständen durchsetzen.


Fortbildungen mit Schneeballeffekt

Als Reaktion auf diesen sehr großen Bedarf bildet NIMHANS in den drei südindischen Bundesstaaten Tamil Nadu, Karnataka und Andhra Pradesh Fachpersonal vor Ort aus. Ausgewählte Organisationen werden qualifiziert, sie koordinieren Fortbildungen und werten die Erfahrungen aus den Projekten aus. Die Teilnehmer der Fortbildungen geben ihr Wissen als Multiplikatoren weiter, so dass ein Schneeballeffekt entsteht. Die Ausbildung beinhaltet die zentralen Themen: Was sind posttraumatische Belastungsstörungen und wie kann ich sie erkennen? Mit welchen Methoden können sie verarbeitet werden? Wie können Kinder neue Lebensenergie aufbauen? Zur Unterstützung der Helfer wurden Materialien entwickelt und in mehrere lokale Sprachen übersetzt. »Die Betreuer haben die Auswahl zwischen Malen, Spielen, Modellieren, Theater, Singen und Erzählkarten«, erklärt Dr. Sekar das Konzept. »In mehreren Schritten werden die Kinder immer tiefer in ihr Erleben hineingeführt, um die Traumata zu bearbeiten: Ein Mädchen, das seine Eltern verloren hatte, konnte mit Hilfe von Erzählkarten endlich zum Ausdruck bringen, dass es darunter litt, von seiner Schwester getrennt zu leben. Seine Trauer wurde wahrgenommen und aufgearbeitet, und die Helfer sorgten für eine Zusammenführung mit der Schwester. Es sind diese Erlebnisse, die uns immer wieder für unsere Arbeit motivieren.«

Athanasios Melissis
(a.melissis@tdh.de)


terre des hommes unterstützt die Arbeit von NIMHANS mit 20.300 Euro.


*


Quelle:
die zeitung, 3. Quartal 2011, S. 7
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

die zeitung - terre des hommes erscheint 4 Mal jährlich.
Der Verkaufspreis wird durch Spenden abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2011