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HINTERGRUND/163: "Ein kritischer Dialog muss möglich sein"


die zeitung - terre des hommes, 3. Quartal 2010

»Ein kritischer Dialog muss möglich sein«
Solidaritätsarbeit am Beispiel der Philippinen

Von Bert Cacayan


Nicht nur in Europa gibt es Aktivisten, die sich für Menschen in der Dritten Welt einsetzen. Auch in den Ländern des Südens gibt es mittlerweile eine gut vernetzte Gemeinschaft von Initiativen. Bert Cacayan, Regionalkoordinator von terre des hommes in Südostasien, beschreibt diese Entwicklung am Beispiel der Philippinen.


Solidarität zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Geschichte. So gab es bereits in den 80er Jahren auf den Philippinen politische Solidaritätsgruppen für Nicaragua. Wir lasen Schriften von Ernesto Cardenal und den Sandinisten. Basis der Solidarität war, dass die Sandinisten und wir gegen eine US-gestützte Diktatur und für die Menschenrechte kämpften. Nachdem die Sandinisten dann an der Macht waren, gab es viele Enttäuschungen, die dazu führten, dass die gegenseitige Unterstützung stärker zwischen Leuten oder auch zwischen Städten stattfand. Das ist bis heute so: Die Menschen solidarisieren sich nicht nur für politische Projekte, sondern tauschen sich über ihre Kultur aus oder treten in »Handelsbeziehungen«. Denn auch der Faire Handel gehört zum solidarischen Handeln. Einer der Vorläufer des Fairen Handels bei uns war der Kontakt zwischen einer philippinischen Region und einer japanischen Stadt. Die Japaner animierten unsere Bauern, Zuckerrohr auf ökologische Weise zu produzieren. Der Zucker wurde dann in Japan zu besseren Preisen vermarktet.

Ein weiteres Beispiel der solidarischen Zusammenarbeit ist das Internationale Netzwerk engagierter Buddhisten (INEB), an dem sich Mönche aus Sri Lanka, Bangladesh, Indien, Thailand, Japan und Kambodscha beteiligen. Grundlage des Zusammenschlusses ist der gemeinsame Glaube. Die Mitglieder unterstützen sich bei ihren ökologischen Aktivitäten. So wurde die Waldschutzpolitik Japans kritisiert, die die heimischen Bäume schützt, während man die Wälder in Ländern wie Malaysia oder Indonesien gnadenlos für die eigenen Zwecke plünderte. Zur neueren Entwicklung gehören die Bewegungen, die nach alternativen Entwicklungswegen zum dominanten Globalisierungsmodell suchen. Im Mittelpunkt der Kritik steht nicht die Globalisierung an sich, sondern der Widerstand gegen die gleichmacherischen Tendenzen des herrschenden Modells, bei dem alle dasselbe kaufen und auf dieselbe Weise kommunizieren sollen. Demgegenüber wird mehr kulturelle Eigenständigkeit, Respekt vor der Natur und auch vor der Spiritualität der Menschen eingefordert.

Früher war terre des hommes Teil der politischen Solidaritätsbewegung, gehörte aber auch zu den ersten Organisationen, die konkrete Hilfe, Bildungsarbeit und das Engagement für Strukturänderungen miteinander verbanden. Später kamen kulturelle Aspekte aus der Einsicht hinzu, dass Entwicklungsarbeit nicht nur eine einzige kulturelle Perspektive vermitteln darf und bedrohte Kulturen geschützt werden müssen. Wichtig ist auch die Diskussion zur Zusammenführung der Themen Kinderrechte und Ökologie. Solche Konzepte sind innovativ, denn das Thema Ökologische Kinderrechte macht auch die Anziehungskraft von terre des hommes für seine Partner aus.

Fundamentalistische Positionen bringen niemanden weiter. Gefragt ist vielmehr die Offenheit gegenüber neuen Situationen und Diskussionen. Das war früher anders. In den früheren Solidaritätsgruppen waren kritische Fragen nicht erlaubt. »Denke so wie ich, sonst gehörst du auf die andere Seite«, so das Motto. Heute muss ein kritischer und konstruktiver Dialog möglich sein. In solidarischen Beziehungen sind die Partner autonom, aber sie teilen eine Vision und arbeiten gemeinsam für dasselbe Ziel.

Bert Cacayan terre des hommes-Koordinator Südostasien


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Quelle:
die zeitung, 3. Quartal 2010, S. 5
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010