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HINTERGRUND/122: G8-Gipfel in Deutschland - Weltpolitik im exklusiven Kreis?


die zeitung - terre des hommes, 1. Quartal 2007

G8-Gipfel in Deutschland
Weltpolitik im exklusiven Kreis?

Von Jens Martens, Geschäftsführer des Global Policy Forum Europe


Vom 6. bis 8. Juni rückt das idyllische Ostseebad Heiligendamm in den Mittelpunkt des Weltgeschehens. Dann treffen sich dort die Staats- oder Regierungschefs der Gruppe der acht führenden Industrieländer (G8), um auf ihrem jährlichen Gipfel wirtschafts-, außen- und entwicklungspolitische Fragen zu erörtern. Mit ihnen werden tausende von Journalisten und zehntausende Demonstranten an der Ostseeküste erwartet. Um letztere auf Distanz zu halten, lässt die Bundesregierung zurzeit einen zwölf Kilometer langen Stahlgitterzaun rund um den Ort des Geschehens errichten. Er wird globalisierungskritische Gruppen, Entwicklungsorganisationen, Gewerkschaften und Umweltverbände jedoch nicht von vielfältigen Protesten, Aktionstagen und einem Gegengipfel außerhalb der Sperrzone abhalten.

Viele von ihnen kritisieren die G8 als exklusiven Club, der Entscheidungen von globaler Tragweite fällt, ohne dass die betroffenen Länder effektiv einbezogen werden. Die G8 initiiert Schuldenerlasse für die ärmsten Länder, beschließt Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS in Afrika, Programme zur Überbrückung der "digitalen Kluft" zwischen Nord und Süd und Aktionen gegen Markenpiraterie. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen im Mittelpunkt des Gipfels von Heiligendamm die "Ausgestaltung der globalisierten Weltwirtschaft" und die "Entwicklung Afrikas" stehen. Dazu sollen die Präsidenten von China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika sowie weitere handverlesene afrikanische Staatschefs als Gäste eingeladen werden. An den Beschlüssen werden sie jedoch nicht beteiligt. Auf diese Weise bleibt nach Worten der Bundesregierung "die Wertegemeinschaft der G8 und die Funktionsfähigkeit der Gruppe erhalten".

Die drängendsten globalen Probleme, seien es die weltweite Armut, der Klimawandel oder die Instabilität der Weltfinanzmärkte lassen sich aber nicht unter Ausschluss Chinas, Indiens sowie des gesamten afrikanischen und lateinamerikanischen Kontinents lösen Die bisherige Bilanz der G8-Gipfel mit ihren meist mageren Ergebnissen bestätigt dies.

Viele Vertreter des Südens und zivilgesellschaftliche Organisationen des Nordens wie terre des hommes fordern daher, Fragen internationaler Wirtschafts- und Entwicklungspolitik nicht im G8-Club der mächtigen Industrieländer, sondern in einem globalen Gremium zu behandeln, in dem alle Regionen der Welt gleichberechtigt vertreten sind. Ein solches Gremium müsste nicht einmal neu erfunden werden. Mit dem ECOSOC, dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, besteht es bereits seit über 60 Jahren. Der Rat befasst sich mit einer breiten Themenpalette, die von Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Fragen über Wirtschaftspolitik und Umweltschutz bis hin zu Fragen der Verbrechensvorbeugung und Drogenbekämpfung reicht. Bisher hat aber der politische Wille gefehlt, den Rat mit Leben und vor allem mit politischer Entscheidungsgewalt auszustatten. Gleichwohl hat die UNO-Generalversammlung jüngst beschlossen, den ECOSOC zu stärken. Künftig soll er sich auf Ministerebene vor allem um die Verwirklichung der internationalen Entwicklungsziele, einschließlich der so genannten Millenniumsentwicklungsziele (MDG) kümmern. Bei der nächsten Tagung des ECOSOC kann sich zeigen, ob er das Potential besitzt, langfristig eine demokratischere Alternative zu den G8-Gipfeln zu bilden. Der Rat tagt vier Wochen nach dem Heiligendamm-Gipfel in New York. Demonstrationen sind dort nicht zu erwarten.

Weitere Informationen:
www.g8-germany.info/deutsch
www.globalpolicy.org
www.un.org/docs/ecosoc
(offizielle Website des ECOSOC)


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Quelle:
die zeitung, 1. Quartal 2007, Seite 2
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2007