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FLUCHT/016: Kessel Nahost - unter Protest (SB)


Flüchtlingsproteste in Tunesien - 3. Februar 2013

Rückkehr ins Camp Choucha nach sechstägigem Protest in Tunis



Am Samstag sind die rund einhundert Flüchtlinge ohne Flüchtlingsstatus, die am vergangenen Sonntag aus dem nahe der libyschen Grenze gelegenen Wüstencamp Choucha in die rund 400 Kilometer entfernte tunesische Hauptstadt gekommen waren, um unmittelbar vor Ort und vor den Augen und Ohren der Verantwortlichen auf ihre verzweifelte Situation aufmerksam zu machen, in das Flüchtlingslager der Vereinten Nationen zurückgekehrt. Eine konkrete Zusage seitens des UNHCR, auf ihre Forderungen einzugehen, ging dieser Entscheidung allerdings nicht voraus, wohl aber ein Gespräch mit Vertretern der Europäischen Union, aus dem die Protestierenden offenbar Hoffnung geschöpft haben.

Wie einer Erklärung zu entnehmen ist, die sie am Samstag nach ihrer Rückkehr ins Lager Choucha veröffentlicht haben, stehen ihre Forderungen immer noch im Raum. Die aus Ländern wie Somalia, dem Sudan, Tschad, Liberia, der Elfenbeinküste, Nigeria, Äthiopien und dem Kongo stammenden Menschen, die nach Angaben von Pro Asyl in Libyen gestrandet, dort während des Krieges in Lebensgefahr geraten und nach Tunesien geflohen waren, ohne in ihre Herkunftsländer zurückkehren zu können, haben, wie sie selbst sagen, ihre Forderungen nicht zurückgenommen, ihren Kampf nicht aufgegeben und keineswegs kapituliert [1]. Nach wie vor geht es ihnen darum, als Asylsuchende vom UNHCR anerkannt, in die Grundversorgung aufgenommen und wie die vielen anderen Flüchtlinge vor ihnen in dem sogenannten Resettlement-Verfahren in ein sicheres Drittland überstellt zu werden.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl unterstützt, wie aus einer am 1. Februar 2013 verfaßten Stellungnahme hervorgeht, die Forderungen und Proteste dieser in der Wüste offenbar vergessenen Menschen [1]:

Nur eins ist sicher: Die abgelehnten Schutzsuchenden ohne jede Lebensperspektive und ohne Versorgung in der Wüste sitzen zu lassen, dürfen weder das UNHCR, die tunesische Regierung noch die EU-Staaten zulassen. Das UNHCR muss dringend allen im Camp Choucha verbliebenen Schutzsuchenden Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung gewähren. Spätestens bis zur Schließung des Camps im Juni 2013 muss dringend eine humanitäre Lösung für die abgelehnten Asylsuchenden gefunden werden.

Wie aus der von den Asylsuchenden nach ihrer Rückkehr aus Tunis verbreiteten Erklärung hervorgeht, haben sie am Freitag ihre bis dahin vor dem Sitz der Vertretung des UNHCR durchgeführte Protestkundgebung auf das Gebäude der EU-Delegation ausgeweitet. Schon nach wenigen Minuten sei ein Sekretär zu ihnen gekommen und hätte ihnen ein Gespräch mit dem Botschafter in Aussicht gestellt. Da dieser dann doch verhindert gewesen sei, hätten sie mit drei anderen Offiziellen gesprochen, nämlich dem für politische Fragen zuständigen Direktor für Menschenrechte Giahamorea Villa, dem für soziale Fragen zuständigen Herrn Michel sowie dem für Flüchtlingsfragen verantwortlichen Herrn Abdelaziz Lyamouri.

Zunächst hätten sie die Delegation gebeten, ihrer Notlage gegenüber keine tauben Ohren zu haben, gehörten die Direktoren doch nach Auffassung der protestierenden Flüchtlinge zu denjenigen, die Entscheidungen treffen und sich für ihren legalen Status in Zuständigkeit des UNHCR, den damit verbundenen Flüchtlingsschutz und ihre Aufnahme in das Resettlement-Verfahren einsetzen könnten. Die drei EU-Repräsentanten hätten noch einige weitere Fragen gestellt und schließlich Zusagen bzw. Versprechungen gemacht, die von den Flüchtlingen in ihrer Erklärung folgendermaßen formuliert wurden [2]:

Als Schlussfolgerung sagten sie, dass die erste Maßnahme, die sie erbitten wollen, ein Treffen der Delegation mit dem UNHCR zur Überprüfung der Fälle sei, außerdem Gespräche mit Vertretern des tunesischen Staats und der Regierung, damit sie unsere kritischen Bedingungen im Lager wahrnehmen. Und sie schlugen ein Treffen der Delegation mit Mitgliedern von EU-Staaten und einen Brief an ihr Leitungsbüro in Brüssel vor. Schließlich sagten sie, die EU-Delegation werde sich demnächst wieder bei uns melden.

Nach diesen Gesprächen sind die rund einhundert Protestierenden nach Choucha zurückgekehrt. Wie sie erklärten, werden sie ihren Kampf solange fortsetzen, bis ihre Forderungen erfüllt werden. Ob sich die nicht unbedingt substantiellen Zusagen der EU-Delegation in dieser Hinsicht als konstruktiv und zielführend erweisen, wird sich in den kommenden Tagen und Wochen herausstellen.


Fußnoten:

[1] Choucha-Flüchtlinge protestieren in Tunis. Pro Asyl, 01.02.2013
http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/choucha_fluechtlinge_protestieren_in_tunis/

[2] Protesterklärung der 230 abgelehnten Flüchtlinge nach ihrer Rückkehr von Tunis ins Lager Choucha. Choucha protest solidarity, 02.02.2013
http://chouchaprotest.noblogs.org/

4. Februar 2013