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FLUCHT/002: Wiener Asyl - Bedenklich (SB)


Kein Entgegenkommen der Wiener Regierung

Verfassungsrechtler meldet Bedenken an polizeilicher Räumung an


Flüchtlinge im Innenraum der Kirche, vor ihnen ein Banner mit der Aufschrift 'ON HUNGERSTRIKE - 9 DAY' - Foto: © by Refugee Camp Vienna

Am 9. Tag des Hungerstreiks - Geflohene Menschen protestieren in der Wiener Votivkirche
Foto: © by Refugee Camp Vienna

Überraschend und für die Flüchtlinge unerwartet ist es am gestrigen Mittwoch zu einem direkten Gespräch zwischen den protestierenden Flüchtlingen und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gekommen. Ohne vorherige Ankündigungen waren vier von ihnen, wie auf dem Flüchtlingsblog gemeldet wurde [1], gegen Mittag ins Innenministerium bestellt worden.

Wie die Ministerin am Nachmittag gegenüber dem "Standard" erklärte, sei sie damit einem mehrfachen Ersuchen der Caritas nachgekommen. Sie habe den Flüchtlingen erklärt, daß die Einzelschicksale ernstgenommen werden, daß es aber "keine strukturellen Änderungen im österreichischen Asylwesen geben werde, weil es eben eines der besten Asylsysteme in ganz Europa sei". Die Ministerin stellte auch klar, daß es zu diesem Thema keine weiteren Gespräche geben werde. Wie der "Standard" berichtete, hoffe sie, durch dieses Gespräch "dem 'Aktionismus' rund um das Flüchtlingscamp ein Ende zu bereiten". [2]

Die Flüchtlinge zeigten sich vom Ergebnis bzw. Nicht-Ergebnis dieses Gesprächs, wie das Presseteam des Refugee Camp Vienna berichtete, "schwer enttäuscht". Am heutigen Donnerstag werden die protestierenden Flüchtlinge die Gründe ihrer Haltung und Einzelheiten aus der Unterredung mit der Ministerin in einer Pressekonferenz bekanntgeben. [1]

In die Diskussion um die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Räumung des Flüchtlingscamps vom 28. Dezember hat sich unterdessen der österreichische Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk eingeschaltet. Wie auf dem Blog des Refugee Camp Vienna [3] unter Bezugnahme auf den "Standard" [4] berichtet wurde, hat Funk diesen Polizeieinsatz als verfassungsrechtlich "höchst bedenklich" bezeichnet. Ein Wiener Polizeijurist habe erklärt, die Landespolizeidirektion habe diesen Einsatz auf die sogenannte Mitwirkungsverordnung von 1986 gestützt, derzufolge die Wiener Exekutive "ortspolizeiliche Verordnungen" wie beispielsweise die Wiener Campierverordnung mitzuvollziehen habe.

Funk zufolge seien Räumungsaktionen wie die vom 28. Dezember im Sigmund-Freud-Park jedoch nicht Bestandteil dieser Aufgaben, und im übrigen habe es sich bei dem Camp um eine politische Versammlung gehandelt, weshalb der Bezug zur "Kampierordnung" verfassungsrechtlich höchst bedenklich sei. Gegenüber dem "Standard" äußerte der Jurist die Vermutung, daß der "Wunsch, das unbequeme Camp loszuwerden", offenbar rechtsstaatliche Erwägungen übertrumpft habe [4].


Weitere Informationen siehe in der Wiener Tagespresse und bei http://refugeecampvienna.noblogs.org/

Folgende Meldungen sind im Schattenblick bereits erschienen:
SCHATTENBLICK → INFOPOOL → BÜRGER UND GESELLSCHAFT → REDAKTION:
MELDUNG/001: Wiener Asyl - ohne Rezept (SB)
www.schattenblick.de/infopool/buerger/redakt/brem0001.html
MELDUNG/002: Wiener Asyl - Bürgerdruck und Hungerstreik (SB)
www.schattenblick.de/infopool/buerger/redakt/brem0002.html


Fußnoten:
[1] Flüchtlinge von Gespräch mit Mikl-Leitner schwer enttäuscht. Pressekonferenz am 13. Tag des Hungerstreiks in der Votivkirche. Presseteam vom Refugee Camp Vienna, 3. Januar 2013
http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2013/01/03/fluchtlinge-von-gesprach-mit-mikl-leitner-schwer-enttauscht-pressekonferenz-am-13-tag-des-hungerstreiks-in-der-votivkirche/

[2] Mikl-Leitner machte bei Treffen mit Flüchtlingen keine Zugeständnisse. Der Standard, 2.1.2013
http://derstandard.at/1356426596928/Mikl-Leitner-traf-Fluechtlinge-aus-der-Votivkirche

[3] Campräumung durch Polizei laut Verfassungsrechtler Funk "höchst bedenklich" - leitender Beamter vor Ort umstrittener § 278a-SOKO-Chef Zwettler, Presseteam vom Refugee Camp Vienna, 2.1.2013
https://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2013/01/02/campraumung-durch-polizei-laut-verfassungsrechtler-funk-hochst-bedenklich/

[4] Verfassungsrechtler Funk: Camp-Räumung in Wien "höchst bedenklich". Von Irene Brickner, Der Standard, 2.1.2013,
http://derstandard.at/1356426617661/Campraeumung-hoechst-bedenklich


3. Januar 2013