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OSTEUROPA/001: Ukraine - Lage der Pressefreiheit bleibt kritisch (ROG)


Reporter ohne Grenzen e.V.
Deutsche Sektion von Reporters sans frontières
Pressemitteilung vom 11. Juni 2010

Ukraine: Lage der Pressefreiheit bleibt kritisch

Umstrittener Entzug von Frequenz-Lizenzen


Die Lage der Medien in der Ukraine bietet weiterhin Anlass zur Sorge: Seit Amtsantritt von Präsident Viktor Janukowitsch im Februar 2010 hat Reporter ohne Grenzen (ROG) zahlreiche Verstöße gegen die Pressefreiheit beklagt. "Die repressive Medienpolitik der Regierung unter Janukowitsch hält an. Die Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien sind in Gefahr", so ROG.

Die Regierung übt systematisch Zensur aus, Behörden haben Medienmitarbeiter unter Druck gesetzt und versucht, sie einzuschüchtern. ROG zählte darüber hinaus mehrere Übergriffe von Polizisten auf Reporter und Festnahmen von Journalisten. ROG warnt vor einer zunehmenden Einflussnahme der politischen Führung auf die Medien.

Tendenzen einer solchen Entwicklung haben sich aus Sicht von ROG auch in der jüngsten Entscheidung eines Kiewer Gerichts gezeigt, zusätzliche Lizenzen für Frequenzen zweier Fernsehsender einzuziehen. Die Richter urteilten am 8. Juni, dass die TV-Stationen "TV5 Kanal" und "TVi" zusätzliche, im Januar 2010 erhaltene Frequenzen, wieder abgeben müssten. Damit hat das Gericht eine Entscheidung des Nationalen Rundfunkrates vom 27. Januar 2010 über die Verteilung von Lizenzen für Frequenzen wieder aufgehoben. Der Rat hatte Kanal "TV5" damals 26, dem Sender "TVi" 33 und der "Inter"-Mediengruppe 20 Fernsehfrequenzen zugeteilt.

Eine zur "Inter"-Gruppe gehörende Fernsehgesellschaft klagte anschließend auf Aufhebung der Entscheidung. Eigentümer der Mediengruppe ist allerdings der Chef des ukrainischen Geheimdienstes Walerij Choroschkowskij. An der Spitze des Unternehmens steht als Direktorin außerdem Choroschkowskijs Ehefrau. Zudem ist der Sicherheitsdienstchef Mitglied des Obersten Justizrates.

ROG kritisiert die Gerichtsentscheidung: Sie trifft zwei Sender, die kritisch über die Regierung unter Präsident Viktor Janukowitsch berichten und regelmäßig Oppositionspolitiker in ihren Programmen zu Wort kommen lassen. ROG unterstützt die Forderungen der Sender "TV5" und "TVi" nach einer Untersuchung möglicher Interessenskonflikte zwischen den verschiedenen Funktionen Choroschkowskijs. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz forderten Journalisten von "TV5" und "TVi" am 9. Juni die Einrichtung einer unabhängigen Parlamentskommission. Der Ausschuss soll prüfen, ob Choroschkowskijs Ämteranhäufung nicht gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstößt. Während der Untersuchung müsse Choroschkowskij von seinen offiziellen Posten zurücktreten, so die Journalisten.

ROG hatte in mehreren Briefen an die ukrainische Regierung den Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit angemahnt. Präsident Janukowitsch lud die Organisation zum Schutz der Medienfreiheit inzwischen zu einem Besuch in der Ukraine ein. ROG-Vertreter werden der Einladung voraussichtlich im kommenden Monat nachkommen.


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Quelle:
Pressemitteilung, 11.06.2010
Deutsche Sektion von Reporters sans frontières
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2010