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INTERVIEW/192: Fleischprodukte - gegen Tönnies ...    Gabriele Piachnow-Schmidt im Gespräch (SB)


Gabriele Piachnow-Schmidt ist im Stützkreis Kellinghusen aktiv. Seine Mitglieder kümmern sich um die Mißstände, die durch die Ansiedlung eines 6000 Schweine am Tag verarbeitenden Schlachthofes des Tönnies-Konzerns in dieser Kleinstadt mit 8000 Einwohnern im Kreis Steinburg in Schleswig-Holstein entstanden sind. Am Rande einer Protestaktion, die im Rahmen einer bundesweiten Kampagne der Aktion Arbeitsunrecht am Freitag, den 13. September, gegen den Fleischkonzern in einer Einkaufspassage in Hamburg-Niendorf stattfand, beantwortete sie dem Schattenblick einige Fragen zur Arbeit der Bürgerinitiative.


Im Gespräch in Hamburg-Nienstedt - Foto: © 2019 by Schattenblick

Gabriele Piachnow-Schmidt
Foto: © 2019 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Gabriele, du kommst aus Kellinghusen heute hier zum Aktionstag gegen Tönnies nach Hamburg. Findet in deinem Ort nichts statt?

Gabriele Piachnow-Schmidt (GPS): Wir treffen uns sonst immer in unserem Projekt-Café in Kellinghusen zum Stützkreis, dem auch hochrangige Kommunal- und Landespolitiker angehören. Das hatten wir auch heute vor, es ist aber nicht zustande gekommen, weil unsere Sprecherin fehlt. Sie war vor zwei Tagen in Rheda-Wiedenbrück bei Clemens Tönnies, das hat einfach zeitlich nicht hingehauen. Ich bin statt dessen nach Hamburg gefahren. Aus diesem Grund findet in Kellinghusen nichts statt. Es war sehr viel los in letzter Zeit mit Tönnies, und da ist das einfach so ein bißchen hinten runtergerutscht. Wir hatten letzten Samstag das Sommerfest am Schlachthof von Tönnies in Kellinghusen, da war auch viel Aktion und Alarm, und das ist einfach ein bißchen viel gewesen.

SB: Wie hat sich der Eklat um die rassistische Äußerung von Clemens Tönnies auf eure Aktivitäten ausgewirkt?

GPS: Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich, aber alle negativ, keiner hat gesagt, na ja, kleiner Freudscher Versprecher. Das ging von Rassist über Rechter bis Sklaventreiber. Keiner hat gemeint, daß er sich einfach mal so in seiner Wortwahl vertan hätte, das kam durchweg im ganzen Ort negativ an. Mit wem auch immer man geschnackt hat, war man sich darin einig: Was der sich da erlaubt hat, das geht gar nicht. Das war unfaßbar, unmöglich, paßt aber total in sein Schema. Das paßt zu seiner ganzen Art, mit den Mitarbeitern der Werksvertragsunternehmen umzugehen, daß Mitarbeiter, die denn Kontakt zu uns aufnehmen, unter Druck gesetzt werden, das paßt einfach alles. Diese Äußerung war das Sahnehäubchen obendrauf.

SB: Wie siehst du das als Frau, wenn ein Mann wie Tönnies über die Gebärfähigkeit afrikanischer Frauen redet?

GPS: Wenn du mich persönlich als Frau fragst, dann sage ich: Dieser Typ ist irgendwo in der Gutsherrnzeit von Anno dazumal stehengeblieben und hat sich mental überhaupt nicht weiterentwickelt, lebt in seiner Käseglocke in Rheda-Wiedenbrück auf seinem Riesenschlachthof mit Fitneßcenter und Kindergarten und findet das alles ganz toll und läßt wahrscheinlich rosarote Schweinchenwölkchen jede Stunde herumkreisen. Jemand, der sagt, wenn man Kraftwerke in Afrika baut, dann haben die Menschen dort ja Strom mit der Konsequenz, daß sie nicht mehr so viele Kinder machen, kann eigentlich nur realitätsfremd sein. Das ist realitätsfremd, denn ich kann mir Geschlechtsverkehr auch bei Licht vorstellen.

SB: Arbeitet ihr auch mit Leuten aus der Tierrechtsbewegung zusammen, die Tönnies von einem fundamentaleren Standpunkt aus kritisieren?

GPS: Ja, natürlich. Wir arbeiten zusammen mit Kiel Animal Save, mit Lübeck Animal Save, mit Jan Peifer vom Deutschen Tierschutzbüro, der mit der Soko Tierschutz die Mißstände in Schlachthöfen dokumentiert und bewirkt hat, daß das Schweinehochhaus bei Halle geschlossen wurde. Wir arbeiten auch noch mit Anonymus For The Voiceless, der Albert-Schweitzer-Stiftung und Greenpeace zusammen.

SB: Es geht also um eine Allianz mit AktivistInnen, denen es um die Tiere geht, und andere engagieren sich mehr für Arbeitsrecht oder Umweltfragen?

GPS: Wir haben eigentlich alles abgedeckt. Die Bürgerinitiative kümmert sich in erster Linie um Umweltprobleme wie Abwasser, Klärschlamm, Lärm, Gestank. Die Tierrechtler sind für den Tierschutz und gegen Tiertransporte aktiv, und der Stützkreis sorgt sich um die Wohn- und Arbeitsbedingungen der rumänischen Arbeiter. Wir haben alles abgedeckt, es gibt nichts, kein einziges Schlupflöchlein mehr, was wir vergessen haben.

SB: Kann man sagen, daß euer Engagement in Kellinghusen in der Bevölkerung des Ortes für mehr Gemeinschaftsgefühl gesorgt hat?

GPS: Kurz vor der Kommunalwahl haben wir uns gefragt, wie wir vorgehen könnten. Wir setzten uns mit dem Kreisverband der Grünen in Itzehoe in Verbindung und haben unser Problem vorgetragen. Ich habe vorgeschlagen, den Ortsverband der Grünen in Kellinghusen zu gründen, den es damals noch nicht gab. Dann haben wir angefangen, im Internet zu informierten und einen Marktstand aufzustellen. So kamen wir mit den Leuten ins Gespräch. Das Feedback war sehr positiv: Oh, endlich kümmert sich mal jemand darum, endlich macht mal jemand was. Wir haben schon gedacht, daß man ja doch nicht gegen einen so großen Konzern ankommt. Ich sagte nur: Nee, wenn du nicht mit dem Hintern vom Sofa hochkommst und nicht mal irgend etwas machst, dann passiert auch nichts.

Wir haben unheimlich viel Zuspruch. Natürlich gibt es viele, die sagen: Ich habe hier in Kellinghusen ein Geschäft und möchte nicht so in der Öffentlichkeit auftreten, damit mir nachher keiner etwas anlastet. Aber auch solche Einwohner äußern sich positiv und unterstützen uns zumindest mental. Unsere Bürgerinitiative hat viele Mitglieder. Sogar die Politik, die damals ja für den Schlachthof stimmte, fängt an umzudenken.

Wir haben eben auch öffentlich gemacht, daß der Schlachthof keine Gewerbesteuern zahlt aus welchen Gründen auch immer. Er schafft auch keine Arbeitsplätze im Ort, bestenfalls für einen oder zwei für Menschen von hier in der Verwaltung, das war es dann aber auch. Ansonsten arbeiten dort nur Rumänen. Handwerker aus dem Ort sollten auch beschäftigt werden, daraus wurde aber nichts. Die Handwerker kommen von überall her, nur nicht aus Kellinghusen.

SB: Gabriele, vielen Dank für das Gespräch.

18. September 2019


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