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INTERVIEW/145: Klimagegengipfel - integrative Linksdiskussion ...     Dagmar Enkelmann im Gespräch (SB)


Die Diplomhistorikerin Dr. Dagmar Enkelmann ist seit 2007 Mitglied bei der Partei Die Linke. Zuvor war sie lange Jahre in der SED und PDS, für die sie von 1990 bis 1998 im Deutschen Bundestag saß. Für die Linksfraktion im Bundestag war sie von 2005 bis 2013 als parlamentarische Geschäftsführerin tätig. Seit Dezember 2012 ist sie Vorsitzende der Rosa Luxemburg Stiftung. Den COP 23 hat die RLS nicht nur im Rahmen des People's Climate Summit begleitet, sondern sie war auch an diversen anderen Veranstaltungen des Weltklimagipfels in Bonn organisatorisch und finanziell beteiligt. Am 4. November beantwortete Dagmar Enkelmann am Rande einer Abendveranstaltung des People's Climate Summit in Bonn-Beuel dem Schattenblick einige Fragen zur Arbeit der politischen Stiftung.


Im Gespräch - Foto: © 2017 by Schattenblick

Dagmar Enkelmann
Foto: © 2017 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Frau Enkelmann, seit wann sind Sie Vorsitzende der Rosa Luxemburg Stiftung und wie ist es überhaupt dazu gekommen?

Dagmar Enkelmann (DE): Ich bin seit 2012 Vorsitzende, aber war bereits seit 2010 stellvertretende Vorsitzende der Rosa Luxemburg Stiftung. Es hat schon ein bißchen damit zu tun, daß ich politisch durchaus eine ganze Reihe von Erfahrungen mitbringe, langjährig im Bundestag saß und auch im Landtag gewesen bin. Deshalb war es einfach wichtig, diese Erfahrung mit in die praktische politische Stiftungsarbeit einzubringen, wo es auch um politische Bildungsarbeit geht.

SB: Die Rosa Luxemburg Stiftung wird häufig als parteinahe Stiftung bezeichnet. Einmal zum besseren Verständnis gefragt: Wie eng oder wie distanziert ist das Verhältnis zur Partei Die Linke bzw. in welchem Spannungsverhältnis steht eine solche Stiftung zu der Partei, der sie ihre Existenz als eigene Institution zu verdanken hat?

DE: Erstens, es ist richtig, daß wir der Partei tatsächlich einiges verdanken. Wir sind eine von sechs politischen Stiftungen in Deutschland. Das Besondere daran ist, daß die Stiftungen, die den Parteien nahestehen, die im Bundestag vertreten sind, egal, ob als Opposition oder Regierung, Mittel aus dem Bundeshaushalt, also öffentliche Gelder bekommen. Das findet man woanders nicht. Das bedeutet in unserem Falle jedoch nicht, daß wir politische Bildungsarbeit im Interesse der Bundesregierung machen, sondern im weitesten Sinne im Interesse linker Bewegungen, also nicht nur der Partei Die Linke. Wir sind parteiunabhängig, aber parteinah.

Tatsächlich ist es so, daß der Anteil der Gelder, die wir bekommen, von den Wahlergebnissen abhängt, die Die Linke als Partei erzielt. Insofern haben wir durchaus ein Interesse daran, daß Die Linke möglichst gute Wahlergebnisse einfährt. Unabhängig sind wir deswegen, weil wir politische Arbeit nicht nur für die Partei machen. Das wäre ansonsten verdeckte Parteienfinanzierung und natürlich nicht zulässig. Wir machen Bildungsarbeit für die Linke im weitesten Sinne, also für Menschen, die in sozialen Initiativen, in der Friedensbewegung oder in Gewerkschaften aktiv sind und sich eher links verorten. Das zweite ist, daß wir zu einem großen Teil internationale Arbeit leisten. Wir haben inzwischen 21 Regionalbüros, sind in fast 80 Ländern vertreten und haben über 300 Partnerinnen und Partner in der ganzen Welt. Internationaler Erfahrungsaustausch, Entwicklung von Dialog und Unterstützung von Netzwerken ist die zweite wichtige Säule unserer Arbeit.

SB: Wird in der Rosa Luxemburg Stiftung auch eine Art inoffizielle Außenpolitik betrieben?

DE: Das wird öfter gesagt und noch öfter kritisiert. Es ist schon so, daß wir aufgrund unserer finanziellen Möglichkeiten tatsächlich wesentlich mehr Chancen haben, direkt in den Ländern zu arbeiten, also von dort Expertisen einzuholen. Wir können auch Partner, mit denen wir zusammenarbeiten, hierherholen, wie zum Beispiel jetzt zum Klimagipfel, und dadurch einen direkten Austausch mitorganisieren. Davon profitiert im übrigen auch Die Linke, was ja nicht so verkehrt ist, weil die Partei relativ wenig Leute hat, die an der Basis oder im Parteivorstand internationale Arbeit leisten können. Insofern läuft das eigentlich Hand in Hand.

SB: Die Rosa Luxemburg Stiftung ist nicht nur bei linker Bildungsarbeit, sondern überhaupt bei Veranstaltungen sehr präsent und damit ein begehrter Partner für Förderung in allen möglichen Bereichen. Gibt es, einmal konkret gefragt, einen bestimmten Pflichtanteil der Gelder, der speziell für solche Projekte ausgegeben werden muß, daß sozusagen das finanzielle Potential einer Stiftung auch an diese Art von Aufklärungs- und Bildungsarbeit gebunden ist?

DE: Daß wir gerade hier in Nordrhein-Westfalen so präsent sind, hat auch etwas damit zu tun, daß wir eine Landesstiftung und in der Fläche etliche Rosa Luxemburg Klubs haben, wo ganz viel ehrenamtliches Engagement geleistet wird. Das führt natürlich dazu, daß die Stiftung hier über das ganze Gebiet einen Namen hat, was, wie ich finde, ganz wichtig ist und wofür wir unseren Mitgliedern auch sehr dankbar sind, weil sie das so gut organisieren. Mit dem Anteil der Gelder ist es so, daß wir aus unterschiedlichen Ministerien Mittel bekommen, und die sind natürlich durch das Zuwendungsrecht auch ein Stück weit gebunden. So setzen wir die Mittel, die zum Beispiel aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit kommen, im wesentlichen im Ausland ein. Gleichwohl haben wir die Möglichkeit, wenn wir beispielsweise Gäste hierherholen, dies auch mit diesen Mitteln zu bestreiten. Letztlich ist es eine Frage, wie man es dann definiert. Mittel aus dem Studienwerk setzen wir dagegen gezielt für die Förderung von Stipendiaten ein. Auch bei den Geldern aus dem Auswärtigen Amt haben wir viele Möglichkeiten, tatsächlich hier im Land zu arbeiten und das, was wir im Ausland machen, sozusagen zu transportieren. Hier gilt das Zuwendungsrecht, aber was die inhaltliche Ausrichtung betrifft, entscheiden wir Gottseidank selbst.

SB: Die Partei Die Linke ist im ökologischen Bereich zumindest in der Vergangenheit relativ schwach aufgestellt gewesen. Hinzu kommen interne Konflikte mit Gewerkschaftsmitgliedern, die gegen einen schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung sind. Was hat die Rosa Luxemburg Stiftung bewogen, hier in Bonn auf dem People's Climate Summit, quasi dem Gegengipfel zum COP 23, präsent zu sein?

DE: An dieser Stelle wird deutlich, daß wir parteiunabhängig und bei bestimmten Fragen auch weiter sind als die Partei. Wir haben natürlich den großen Vorteil, daß wir nicht in Legislaturperioden denken müssen oder welchen Antrag man wie definieren und zur Abstimmung stellen muß. Wir können durchaus langfristig planen, und genau das machen wir auch. Die Frage, wie wir Gesellschaftsalternativen entwickeln und darüber nachdenken, wie diese Gesellschaft künftig aufgebaut werden muß, zum Beispiel mit Blick auf die moderne Energiewirtschaft, bedeutet für uns ganz klar, wir müssen raus aus der Kohle, und das so schnell wie möglich. Wir wissen auch, daß es geht.

Die Partie ist da eher ein bißchen gefangen. Es gibt Widersprüche innerhalb der Partei wie bei denjenigen, die, wie beispielsweise in Brandenburg, in Regierungsverantwortung stehen. Insofern stehen wir der Partei nicht kritiklos gegenüber und machen vor allem durch die Zusammenarbeit wie zum Beispiel hier mit den Klimarettern, der Klima-Allianz, mit BUND und NABU deutlich, daß die Linke für uns größer ist als nur die Partei Die Linke. Wir wünschen uns schon sehr, daß wir diesen Diskurs pflegen und uns dann auch mit der Partei auseinandersetzen.

Wir sind seit Paris auf allen Gegengipfeln dabei und offiziell als Rosa Luxemburg Stiftung registriert, das heißt, wir haben auch die Chance, die Verhandlungen direkt zu beobachten, zum Teil auch durch unsere Partner. Natürlich ist es für uns wichtig, mitzuerleben, was da passiert, wer die Bremser auf dem Gebiet sind, wie argumentiert wird, weil wir das für unsere weitere Arbeit dann nutzen können. Gerade das, was hier im zivilgesellschaftlichen Bereich passiert, ist für uns von hoher Bedeutung, um Netzwerke weiterzuentwickeln und die Zusammenarbeit stärker zu pflegen. Ich glaube, in diesem Punkt kann die Partei noch einiges von uns lernen.

SB: Der Name Rosa Luxemburg ist unter Linken in aller Welt bekannt und steht für eine große revolutionäre Tradition. Was bedeutet Ihnen persönlich das Vermächtnis Rosa Luxemburgs zum einen in bezug auf die Geschichte des Sozialismus und zum anderen auf die Geschichte der Frauenbewegung?

DE: Es stimmt, der Name Rosa Luxemburg hat eine große Bedeutung, nicht nur national. Wir merken das daran, daß der Name überall dort, wo wir international aktiv sind, als der einer Revolutionärin bekannt ist, aber auch als einer Frau, die Demokratin und Humanistin war. Die Russische Revolution ist jetzt 100 Jahre alt. Rosa Luxemburg hat sich auch sehr intensiv mit den Bolschewiki auseinandergesetzt und in einer Arbeit aus dem Jahre 1918 unterstrichen, daß das für sie weder eine Revolution noch links ist. Links ist, was Sozialismus, Revolution und Demokratie miteinander verbindet und die Menschen auf diesem Weg mitnimmt. Damit hat sie sich auch ganz klar von dem abgegrenzt, was damals revolutionärer Terror genannt worden ist, wo man gesagt hat, Blutvergießen gehört irgendwie dazu. Nicht unmittelbar 1917, aber das Jahr darauf war durchaus von blutigem Terror geprägt, um die Revolution zu sichern.

Für Rosa Luxemburg hat das mit Revolution nichts zu tun. Es geht um Mehrheiten, die gewonnen und mitgenommen werden müssen, und das funktioniert nur, wenn man sie auch tatsächlich beteiligt. Ich finde, das sind ganz wichtige Erkenntnisse, die sie hatte, und die für uns so ein bißchen auch Gründungsidee sind. Natürlich wollen wir die Revolution nach wie vor, aber Rosa Luxemburg hat tatsächlich auch deutlich gemacht, wie wichtig Demokratie und Sozialismus sind, daß das eine Einheit sein muß. Darüber hinaus war sie immer eine Frau, die sich, zusammen mit Clara Zetkin, sehr stark für Frauenrechte engagiert hat. Ich glaube, sie wird als Frauenrechtlerin ein bißchen verkannt. Möglicherweise hat sie dazu relativ wenig geschrieben, aber durch ihr Agieren und Auftreten, dadurch, daß sie Frauen auch ermuntert hat, sich in diese revolutionäre Bewegung mit einzubringen, hat sie letzten Endes auch als Vorbild gewirkt, und das wirkt bis heute nach.

SB: Frau Enkelmann, vielen Dank für das Gespräch.

Bisher im Schattenblick unter BÜRGER/GESELLSCHAFT → REPORT zum People's Climate Summit (PCS) in Bonn, mit dem kategorischen Titel Klimagegengipfel versehen, erschienen:

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22. November 2017


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