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SERIE/002: Die tödliche Kriminalisierung der Heide L. - Einleitung (SB)


Tod einer Gefangenen

Redaktionelle Einleitung zu den Briefen der Heide Luthardt


Die Kriegsgegnerin Heide Luthardt wurde am Morgen des 22. Juni 2008 in der Justizvollzugsanstalt Aichach erhängt aufgefunden. Die Behörden stellten einen Suizid fest und schlossen die Möglichkeit einer Dritteinwirkung aus.

Die Umstände ihres Todes können gleichwohl bis heute nicht als aufgeklärt gelten. In juristischer wie kriminologischer Hinsicht mag die Todesursache als zweifelsfrei erwiesen gelten. Da jedoch anzunehmen ist, daß die Verstorbene ohne ihre Inhaftierung heute noch am Leben wäre, muß die Frage erlaubt sein, ob nicht der Gefängnisaufenthalt sowie die möglicherweise speziell gegen sie verhängten zusätzlichen Repressalien eine wenn auch indirekte "Drittwirkung" darstellen könnten, die ihren Tod begünstigt, wenn nicht gar herbeigeführt hat.

Um es unseren Lesern zu ermöglichen, sich über Heide Luthardt ein differenzierteres und womöglich authentischeres Bild zu machen, als es in den vorherrschenden Medien gezeichnet wird, die die Verstorbene, die durch insgesamt elf in Zügen und Bahnhöfen deponierte Bomben- Attrappen gegen die Kriegsbeteiligung Deutschlands protestieren und die Menschen aufrütteln, nicht jedoch ihnen schaden wollte, in den Ruch einer Terroristin stellten, hat sich der Schattenblick entschlossen, die von ihr verfaßten Briefe zu veröffentlichen.

Heide Luthardt
In diesen insgesamt 28 Dokumenten schildert sie von dem Moment ihrer Verhaftung an ihre Erlebnisse und Erfahrungen, die sie auf dem Polizeipräsidium und in den ersten sieben Wochen ihrer Untersuchungshaft gemacht hat. Zwei weitere Briefe beziehen sich auf die Zeit, die sie nach ihrer Verurteilung - im Oktober 2007 wurde sie zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt - in der Justizvollzugsanstalt Aichach verbrachte.

Hier begann sie mit der wöchentlichen Zusendung der Briefe an den Münchner Sender Radio Lora. Das letzte Dokument datiert vom 15. Juni 2008, das war eine Woche vor ihrem Tod. Nach bislang unbestätigten Angaben einer Mitgefangenen hat sie danach noch einen weiteren Brief verfaßt, der der Zensur zum Opfer gefallen sein soll.

Die in dieser Dokumentation folgenden Briefe beziehen sich, von zwei Ausnahmen abgesehen, auf die ersten zwei Monate nach der Verhaftung und erwecken ganz den Anschein, auf Tagebucheintragungen aus dieser Zeit zu beruhen. Von Ende November 2007 bis kurz vor ihrem Tod hat sich Heide Luthardt im Gefängnis Aichach Woche für Woche die Mühe gemacht, diese Briefe zu verfassen und an Radio Lora zur Veröffentlichung zu schicken. Es darf angenommen werden, daß sie ursprünglich beabsichtigt hatte, auf diesem Wege ebenso systematisch wie chronologisch auch ihre weitere Haftzeit zu dokumentieren und die Berichte einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Durch ihren Tod wurde diese Arbeit jäh unterbrochen.

Für die Genehmigung, die Briefe von Heide L. vollständig veröffentlichen zu dürfen, möchten wir uns an dieser Stelle bei der Familie Luthardt bedanken ebenso wie bei dem Münchner Sender Radio Lora, der uns freundlicherweise zu diesem Zweck die ihm von Heide Luthardt zugesandten Manuskripte zur Verfügung stellte.

15. Oktober 2008