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BERICHT/004: Flüchtlingsproteste in Düsseldorf - Grüne rufen nach der Staatsgewalt (SB)


Proteste nach ungeklärtem Tod eines Flüchtlings in Calais

No-Border-Camp-Aktivisten in Düsseldorf mit Polizei und Justiz konfrontiert



Sein Name war Noureddin Mohamed. Er starb Anfang Juli unter bisher ungeklärten Umständen. Sein Leichnam wurde in einem Fluß gefunden. Der 28jährige stammte aus dem Flüchtlingsauffanglager im französischen Calais. Für den Tod des Sudanesen wird von seiten der international im Entstehen begriffenen Flüchtlingssolidaritäts- und -protestbewegung die französische Polizei verantwortlich gemacht; sei es, daß bezweifelt wird, daß es sich bei diesem Todesfall wie behauptet um einen Selbstmord gehandelt hat; sei es, daß ein solcher Suizid, sollte es denn einer gewesen sein, auf die schikanöse Behandlung der Flüchtlinge durch die Polizei und die erniedrigenden Verhältnisse in dem Lager zurückgeführt wird.

Auch hier in Deutschland wurde dieser tödliche Vorfall zum Anlaß genommen, um gegen die Flüchtlingspolitik in Frankreich, Deutschland und weiteren europäischen Staaten zu protestieren, die sich via EU und Frontex gegen Menschen aus anderen Regionen gewaltsam abschotten und den innerhalb der Festung Europa lebenden Flüchtlingen durch eine rigide Abschiebepolitik, erzwungene Lagerhaltung, Arbeitsverbot und "Residenzpflicht" das Leben schwer machen.

Das No-Border-Camp in Köln/Düsseldorf griff den Todesfall des Sudanesen in Calais auf. Mehrere Aktivisten unternahmen am Freitag Aktionen, um darauf aufmerksam zu machen. So drangen elf von ihnen in das französische Konsulat ein, um gegen das Vorgehen der französischen Polizei zu protestieren. Nachdem das Konsulat Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt hatte, räumte die Polizei das Gebäude. Die Aktivisten wurden hinausgetragen und haben nun mit Strafverfahren zu rechnen.

Eine zweite "Besetzungsaktion" fand am selben Tag in der Geschäftsstelle des Landesverbandes der "Grünen" statt. Sie waren nicht unmittelbares "Ziel" der Proteste. Im Gegenteil. Hier waren rund 40 Aktivisten in ihre Geschäftstelle gekommen, um Solidarität und Unterstützung von ihnen zu erhalten. Offensichtlich waren die Flüchtlinge und ihre Unterstützer der Auffassung gewesen, bei den Grünen an der richtigen Adresse zu sein, wenn es darum geht, politische Verstärkung zu erfragen oder auch einzufordern für das No-Border-Camp, das seit Tagen am Rheinufer von Flüchtlingen und Aktivisten, die dabei massiv durch Polizei und Justizwillkür beeinträchtigt werden, betrieben wird. So darf nach einer gerichtlichen Entscheidung in dem Camp nicht übernachtet werden, was die Polizei zum Anlaß nimmt, in halbstündigem Abstand "Weckkontrollen" durchzuführen und dabei den Campbewohnern sogar zu verbieten, den Kopf auf den Tisch zu legen.

Am Samstag demonstrierten am Düsseldorfer Flughafen, der für seine Massenabschiebungen berüchtigt ist, rund 600 Menschen gegen die Asyl- und Flüchtlingspolitik unter massivstem Polizeiaufgebot. Von den demonstrierenden Aktivisten ging dabei keinerlei Feindseligkeit aus; die Demonstration blieb, wie die Polizei, die mit mehreren Hundertschaften und sogar einer Reiterstaffel angerückt war, bestätigte, friedlich.

Am Tag zuvor haben die Grünen jedoch keinerlei Geduld, menschliches oder politisches Einführungsvermögen in die Situation ihrer uneingeladenen Besucher offenbart. Die Grünen müssen auch so etwas wie ein Feindbild "Asylant" im Kopf gehabt haben, erstatteten doch die Parteiverantwortlichen gegen die Betroffenen und Aktivisten ebenfalls Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch. Die Geschäftsstelle des Landesverbandes wurde am Freitag noch am selben Abend wie auch das französische Konsulat durch die Polizei geräumt.

Im Falle der Grünen folgten, und dies glaubten die Parteiverantwortlichen ihrem Ruf wohl schuldig zu sein, einige Worte des Bedauerns. Ihre Landesvorsitzender Sven Lehmann bedauerte, daß es zur Strafanzeige und damit zur Räumung durch die Polizei kommen mußte. Besser hätte er das politische Selbstverständnis einer Partei, die immerhin irgendwie in der Protest- und Umweltbewegung ihre Wurzeln pflegt, nicht auf den Punkt bringen können, offenbarte er doch mit diesen Worten, wie sehr gerade diese Partei ihre staatsopportunistische Haltung hinter fatalistischen Formulierungen zu verbergen sucht. Es "mußte" nicht zu einer Strafanzeige kommen, die Grünen haben Strafanzeige gegen Menschen, die sich von ihnen Unterstützung erhofft hatten, gestellt.

22. Juli 2012