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STELLUNGNAHME/142: Die Vermarktung des Krieges wird in Prag inszeniert - bald ebenfalls in Berlin? (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Die Vermarktung des Krieges wird in Prag inszeniert - bald ebenfalls in Berlin?

von Sandro Curatolo, 22. Juli 2022



Blick auf das Ausstellungsgelände mit zerstörtem Kriegsgerät, dazwischen einige wenige sommerlich gekleidete Erwachsene und Kinder, links ein Schild auf dem in gelber Schrift auf blauem Grund steht 'Be Brave Like Ukraine' - Foto: Sandro Curatolo

Foto: Sandro Curatolo

Die unglaubliche Kriegsausstellung der Ukraine in der tschechischen Hauptstadt.

Als ich die Nachrichten über die Ausstellung las, hoffte ich bis zuletzt, dass es sich um Fake News handelt. Eine dieser Nachrichten, die von Spaßvögeln erfunden wurden, um eine Reaktion der Empörung auszulösen oder um das soziale Experiment eines exzentrischen Soziologen.

Aber nein. Als ich auf der Letna Esplanade gegenüber dem Stadion von Sparta Prag ankam, musste ich meine Meinung ändern. Es ist alles wahr, auch wenn die ganze Sache unglaublich ist.

Die Stadtverwaltung von Prag hat den Vorschlag der ukrainischen Botschaft in der Tschechischen Republik angenommen, eine Ausstellung russischer Waffen zu veranstalten, die in den letzten Monaten von der ukrainischen Armee zerstört wurden. Mitten im Krieg organisierte die ukrainische Regierung einen LKW-Konvoi, um die zerstörte Ausrüstung des Feindes ins Ausland zu transportieren und sie der Öffentlichkeit in einer kostenlosen Ausstellung zu zeigen.

Vor mir reihen sich mehrere gepanzerte Militärfahrzeuge wie eine Phantom-Militärkolonne hintereinander auf. Von Raketen zerstörte Panzer und große Kettenfahrzeuge, deren Dächer von einer Bombe eingedrückt oder von einer Mine gesprengt wurden. Die Türen wurden offen gelassen, damit die Öffentlichkeit das von den Flammen verwüstete Innere besser bewundern und das finstere Spektakel der offenen Bleche sehen kann, aus denen hässliche Bündel von mechanischen Eingeweiden herausragen.

Vor dem größten und imposantesten Fahrzeug sind eine Reihe von nicht explodierten Raketen, Raketenteilen und große Bombentrümmer gestapelt.

Die surreale Ausstellung wird von einer kleinen Gruppe von Menschen besichtigt, darunter einige Kinder, die von ihren Großeltern mitgebracht wurden und neugierig zwischen den Trümmern herumlaufen. Die Menschen bewegen sich schweigend voran und einige machen Fotos.


Eingezäunte Panzerhaubitze, die von einem älterern Herrn fotografiert wird, außerhalb der Einzäunung steht eine Erläuterungstafel, im Hintergrund sieht man einen Wohnblock - Foto: Sandro Curatolo

Foto: Sandro Curatolo

Neben jedem Fahrzeug sind Schilder angebracht, auf denen die Details des Fahrzeugs und seine Vernichtung beschrieben werden. An der Spitze der Säule thront ein imposantes blau-gelbes Plakat, auf dem in großen Buchstaben auf Englisch der Slogan "Be brave like Ukraine" zu lesen ist!

Es handelt sich um eine echte globale Marketingaktion und nicht um einen Einzelfall. Es ist die Vermarktung des Krieges. Das Eindrücklichste, was ich bemerke und was mich erschaudern lässt, ist, dass diese Aktion nicht dazu dient, den Menschen das Grauen des Krieges vor Augen zu führen, sondern genau dem Gegenteil.

Hier wird der Krieg verherrlicht. Man möchte den Stolz vermitteln, den Feind besiegt zu haben, die animalische Erregung, diejenigen zerstört, gedemütigt und getötet zu haben, die es gewagt haben, uns herauszufordern. Man will die Genugtuung und die Ehre teilen, die Schurken besiegt und gedemütigt zu haben.

Die Szene wirkt wie ein Sprung in die Vergangenheit und erinnert an die makabren Praktiken früherer Völker, bei denen es Brauch war, die Leichen von in der Schlacht getöteten Feinden an den Stadttoren aufzuhängen oder aufzuspießen, um Angst und Respekt einzuflößen und um eine Warnung auszusprechen.

Gleichzeitig wird versucht, Terror zu verbreiten, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie in Gefahr sind, und andere Menschen, andere Länder, andere Mächte in die Wut des Kampfes zu verwickeln. Die Ukraine scheint nicht mit der Absicht zu handeln, um Hilfe zu bitten, um die Flammen an ihren Grenzen zu löschen, sondern sie will das Feuer überall ausbreiten.

Jenseits dessen, was man über diesen Konflikt denken mag; abgesehen von den Beweggründen, die man auf der einen oder anderen Seite vielleicht sehen möchte, ist die offensichtlichste Tatsache, die man beobachtet, die völlige Abwesenheit des Willens, diesen Konflikt zu beenden. Man spürt fast körperlich den Druck der Macht, die sicherstellen will, dass eine Grenze überschritten wird. Dass eine dünne Linie überschritten wird, jenseits derer unsere Menschlichkeit verblasst und Platz für unsere schlechteste Seite macht.

Anmerkung der Pressenza-Redaktion Berlin: Enno Lenze und Wieland Giebel vom Unternehmen Berlin "Story Bunker" wollen diese Ausstellung nach Berlin bringen, wie der Tagesspiegel am 21. Juli berichtete. Die Berliner Verwaltung hat auf den Antrag für eine Ausnahmegenehmigung noch nicht reagiert. Bleibt nur zu hoffen, dass es trotz aktueller Temperaturen in der Verwaltung einige kühle Köpfe mit gesundem Menschenverstand gibt.


Zum Autor:
Als Präsident der Vereinigung "La Svolta Umanista" hat sich Sandro Curatolo stets für die Themen Informationsfreiheit und Menschenrechte eingesetzt. Der Musiker und Texter lebt und arbeitet seit 2014 in Prag.

Übersetzung aus dem Italienischen von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt.


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 13. August 2022

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