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STELLUNGNAHME/042: Zügelloser deutscher Rüstungsexport (Friedensratschlag)


Bundesausschusses Friedensratschlag - Pressemitteilung vom 21. November 2013

Zügelloser deutscher Rüstungsexport

Merkel: Meisterin der traurigen Rekorde
Despotische Regime und Spannungsgebiete bevorzugt

Friedensratschlag fordert Verbot von Waffenexporten



Berlin/Kassel, 20. November 2013 - Anlässlich der Verabschiedung des Rüstungsexportberichts 2012 im schwarz-gelben Bundeskabinett erklären die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer ersten Stellungnahme:

Kleinwaffen töten laut UNICEF täglich 1.300 Menschen. 95 Prozent der Kriegsopfer werden laut dem Internationalen Roten Kreuz durch Handfeuerwaffen verursacht. Kofi Annan hat sie als "Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts" bezeichnet. Deutschland gilt laut "Small Arms Survey" 2010 als zweitgrößter Exporteur von militärisch und zivil genutzten "Kleinwaffen" weltweit!

Die Regierung unter Angela Merkel stellte 2012 überdies traurige neue Rekorde auf.

Die Liefergenehmigungen von militärischen "Kleinwaffen" in Länder außerhalb von EU und NATO ("Drittländer") waren 2012 mit 37 Millionen Euro so hoch wie noch nie. Auch der Genehmigungswert für sämtliche deutsche Kleinwaffenexporte in Höhe von 76,5 Millionen Euro stellt einen traurigen historischen Rekord dar. Da für Handfeuerwaffen wie Schnellfeuer- und Maschinengewehre eine Lebensdauer von 30 bis 50 Jahren angenommen werden kann, ist es mit der im Entwurf der Koalitionsvereinbarung vorgesehenen "möglichst unauslöschlichen Markierung" auf "Kleinwaffen", um "deren Nachverfolgbarkeit zu ermöglichen," nicht getan. Um dem Morden ein Ende zu setzen, hilft nur ein striktes Verbot des "Kleinwaffen"-Exports.

Zwar liegt der Wert der Einzelgenehmigungen für den Export von Rüstungsgütern mit 4,7 Milliarden Euro unter dem des Vorjahres (2011 waren es 5,4 Milliarden Euro), er liegt aber immer noch über dem Durchschnittswert der zehn Jahre davor. Aber auch hier verzeichnet die Regierung unter Angela Merkel 2012 einen traurigen Rekord: Mit 55 Prozent fiel der Anteil der Genehmigungen in "Drittländer" (2,6 Milliarden Euro) noch nie so hoch aus. Insbesondere für den Export in "Drittländer" gilt in den "Politischen Grundsätzen" der Vorsatz für den deutschen Rüstungsexport, dass er "restriktiv gehandhabt" wird. Begriffe scheinen für die Regierung Merkel nur Schall und Rauch.

Das despotische Saudi-Arabien führt erstmals die Liste der Länder an, in die die meisten Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern erteilt wurden. Mit 1,24 Milliarden Euro war der Genehmigungswert nach Saudi- Arabien noch nie so hoch wie 2012. Der Wert liegt über der Gesamtsumme sämtlicher 16 Vorjahre, seitdem Rüstungsexportberichte veröffentlicht werden. Wir haben es mit einer zügellosen Exportoffensive zu tun, mit der ein despotisches Regime offen unterstützt wird. Auch die größten Brocken bei den Genehmigungen von Kriegswaffen gehen an äußerst problematische Staaten: Irak, Singapur und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Beachtung der Menschenrechte und die Vorgabe der restriktiven Handhabung der Rüstungsexportrichtlinien sind unter Angela Merkel vollends unter die Räder gekommen. Für 6,5 Millionen Euro sind auch Genehmigungen für "Kleinwaffen" nach Saudi-Arabien darunter. Die Schweiz hat Genehmigungen für Pistolenlieferungen nach Saudi-Arabien Anfang des Jahres mit der Begründung abgelehnt, dass damit Menschenrechtsverletzungen begangen werden könnten. Mit dieser "restriktiven" Handhabe soll es in der Schweiz nach dem Willen des Bundes- und Ständerats nun aber Schluss sein, denn man will es den europäischen Nachbarn gleichtun, und in die "Wachstumsmärkte" am Golf exportieren dürfen. Die europäische Konkurrenz sei durch ethische Überlegungen weit weniger eingeschränkt als die Schweiz, die dadurch ins Hintertreffen gerate und Arbeitsplätze gefährde, argumentiert die Rüstungslobby dort. Es zeigt sich wieder einmal: Auch über die Grenzen hinweg gilt: Die Profitgier der Rüstungskonzerne frisst die Moral.

Von den Ausfuhrgenehmigungen sind die im Jahr 2012 tatsächlich erfolgten Waffenexporte zu unterscheiden. Die Zahlen dazu zeigen einerseits einen Rückgang von 1,29 Mrd. EURO (2011) auf 0,946 Mrd. in 2012. Diese Zahlen erfassen allerdings nur "Kriegswaffen", das sind Großwaffensysteme (wie Panzer, Schiffe oder Kampfflugzeuge) sowie Granaten und Gewehre, nicht aber Rüstungsgüter wie Militärfahrzeuge oder Militärelektronik. Der wertmäßige Rückgang ist aber auch deshalb nicht mit einem neuen Trend bei den Rüstungsexporten gleichzusetzen, weil die tatsächlich erfolgten Waffenexporte ständigen Schwankungen ausgesetzt sind. Das schwedische Friedensforschungsinstitut fasst daher in seinen Berichten immer die letzten fünf Jahre zusammen. Und da bleibt Deutschland weiterhin die Nummer 3 unter den größten Waffenhandelsstaaten der Welt. Hinzu kommt, dass der überwiegende Teil der Waffen in "Drittstaaten" geliefert wurde (knapp 60%). Hauptabnehmer waren Südkorea, Irak und Singapur - nicht gerade Garanten für die Einhaltung von Menschenrechten und zudem in "Spannungsgebieten" gelegen, in die laut deutschen Rüstungsexportrichtlinien keine Waffen geliefert werden sollten.

Die künftige große Koalition hat vereinbart, künftig die Rüstungsexportberichte frühzeitiger zu veröffentlichen und außerdem jedes Jahr einen vorläufigen Zwischenbericht einzuschalten. Zusätzlich wird versprochen, über Beratungsergebnisse des geheim tagenden Bundessicherheitsrats (hier wird über Rüstungsexporte entschieden) zeitnah das Parlament zu unterrichten. Damit soll mehr Transparenz hergestellt werden. Mehr aber auch nicht. Es bleibt dabei. Dass der Bundessicherheitsrat entscheidet und die Öffentlichkeit im Nachhinein informiert wird. Demokratie sieht anders aus.

Die Friedensbewegung wird nicht aufhören, den Waffenhandel öffentlich anzuprangern. Rüstungsexporte müssen verboten, die Rüstungsproduktion eingeschränkt werden. Nur mit weniger Waffen kann den zahlreichen Kriegen und Bürgerkriegen auf der Welt allmählich die Grundlage entzogen werden.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Kassel)
Lühr Henken (Berlin)

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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. November 2013
AG Friedensforschung und Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14, 34119 Kassel
Telefon: (0561) 93717974
E-Mail: Bundesausschuss.Friedensratschlag@gmx.net
Internet: www.ag-friedensforschung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2013