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STANDPUNKT/006: Die britische Warnung - Gesellschaft ist mehr als der Finanzmarkt (NaturFreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 10. August 2011

Die britische Warnung: Gesellschaft ist mehr als der Finanzmarkt


Berlin, 10. August 2011 - "Wir befinden uns in einer kritischen Situation", warnt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller. "Die gewalttätigen Ausbrüche in London und anderen britischen Städten zeigen, was geschehen kann, wenn sich das Kapital verselbstständigt und der Gesellschaft seine eigenen Gesetze aufzwingt. Auch wenn die Exzesse durch nichts zu rechtfertigen sind: Die Durchökonomisierung der Gesellschaft schlägt zurück in Gewalt und Aggression, weil der Zusammenhalt und das Vertrauen verloren gehen. Nicht die Banken, sondern die Demokratie muss bestimmen, was für die Gesellschaft notwendig ist."

Die "Märkte" sind in den letzten Jahren zum Maßstab der Entscheidungen geworden. In diesem Zusammenhang spricht der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch von einer Postdemokratie, weil sich die Politik, die eigentlich das Allgemeinwohl zu vertreten habe, ökonomischen Interessen unterordne.


Finanzalchemisten fordern Kürzungen bei den Sozialausgaben

Tatsächlich haben in den letzten Jahren die Gelddealer und Finanzmanager das Kommando übernommen. In deren schiefen Argumentation ist nicht der Finanzkapitalismus mit seiner Gier die Ursache der Krisen, sondern die Politik im Allgemeinen und die Staatsverschuldung im Besonderen. Den Finanzalchemisten aber ist es scheinbar egal, welche Konsequenzen diese Unterordnung für die Gesellschaften hat. Erst soll der Staat die Banken vor dem Zusammenbruch retten, dann die gigantisch gestiegene Verschuldung durch Sozialkürzungen abgebaut werden. Und wo das nicht geschieht, wird der Staat auch noch für die Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht.


Laissez faire führt immer tiefer in die Krise

Die Verhältnisse sind irrational geworden, aber die Ursachen des Unsinns werden einfach hingenommen. Die Märkte bestimmen, was zu tun ist, aber dieses "laissez faire" führt immer tiefer in die Krise. Auch die produzierende Wirtschaft wird so geschädigt, denn immer weniger gilt ihre echte Wertschöpfung, dafür aber immer stärker die kurzfristigen Interessen der Kreditinstitute und Ratingagenturen. Das widerspricht zutiefst den Grundsätzen der klassischen Ökonomie.

Die gewalttätigen Ausbrüche in London und anderen britischen Städten zeigen, was geschehen kann, wenn sich das Kapital verselbstständigt und der Gesellschaft seine eigenen Gesetze aufzwingt. Auch wenn die Exzesse durch nichts zu rechtfertigen sind: Die Durchökonomisierung der Gesellschaft schlägt zurück in Gewalt und Aggression, weil der Zusammenhalt und das Vertrauen verloren gehen. Das muss eine Warnung sein, den Bogen nicht zu überspannen. Der britische Soziologe Anthony Giddens hat zu Recht vor der Gefahr der "Entbettung" gewarnt.


Die Grundidee der Nachhaltigkeit ist ein Gleichgewicht

Wir befinden uns in einer kritischen Situation. Nicht die Banken, sondern die Demokratie muss bestimmen, was für die Gesellschaft notwendig ist. Nicht die Märkte dürfen das Sagen haben, was zu tun ist, sondern es muss ein dauerhaftes Gleichgewicht geben.

Das ist auch die Grundidee der Nachhaltigkeit. Daran müssen wir uns orientieren, statt den kurzsichtigen Tipps der Banker zu folgen, die uns mit ihren falschen Ratschlägen der letzten Jahre schon tief genug in die Krise geführt haben.


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Quelle:
Presseinformation vom 10.08.2011
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2011