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APPELL/023: Gefahr atomarer Eskalation steigt - neue Verhandlungen über Atomwaffen notwendig (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 18. Juni 2015
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Die Gefahr einer atomaren Eskalation steigt

Neue Verhandlungen über Atomwaffen sind dringend notwendig


Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW appelliert angesichts des verbalen Säbelrasselns im Konflikt zwischen Russland und der NATO an Außenminister Steinmeier, sich für die Sicherung der bestehenden "Grundpfeiler der europäischen Sicherheit", insbesondere der NATO-Russland-Grundakte, sowie der KSE- und INF-Verträge einzusetzen. Die IPPNW ist zutiefst besorgt, dass diese Grundpfeiler weiter erodieren.

Die USA kündigten den ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen bereits im Jahr 2001. Der Vertrag zu den konventionellen Streitkräften in Europa (KSE-Vertrag) wurde im März 2015 seitens Russlands aufgrund der Verlegung von 3.000 US-Soldaten und mehreren Hundert Kampffahrzeugen ins Baltikum suspendiert. Die neuesten NATO-Überlegungen, schwere militärische Geräte im Baltikum zu stationieren, verstoßen gegen die NATO-Russland-Grundakte, die eine Vereinbarung enthält, eine Aufrüstung in Mittel- und Osteuropa zu verhindern.

Beide Seiten nehmen zudem immer mehr Abstand vom Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag), der die Produktion, den Besitz und die Erprobung bodengestützter Atomraketen mit Reichweiten von 500 bis 5.500 Kilometern verbietet. Dieses Abkommen bietet aber immer noch eine Grundlage für eine Diskussion über die Sicherheitsbedürfnisse aller Beteiligten. Russland und die USA werfen sich gegenseitig Verstöße gegen den INF-Vertrag vor. Die USA erwägt, neue landgestützte Atomraketen in Europa zu stationieren. Laut Defense News sagte der Staatssekretär für Verteidigung Robert Scher, die USA könnten Marschflugkörper in Russland angreifen.

Präsident Wladimir Putin hat nun angekündigt, 40 nukleare Interkontinentalraketen (ICBM) stationieren zu wollen. Russland modernisiert also seine Atomwaffen genauso wie die USA. US-Präsident Obama will nach und nach alle Atomwaffen im Arsenal komplett modernisieren, ein Programm, das bereits unter seinen Vorgänger George W. Bush angeschoben wurde. Unter dem Begriff "Lebensdauerverlängerung" wird beispielsweise die Betriebsdauer der Minuteman-III-Interkontinentalrakete bis 2030 erweitert. Dabei wird die Rakete, bis auf die Hülle, komplett neu gebaut. Damit soll eine neue Generation von Interkontinentalraketen entstehen. Deutschland betreffend ist die Modernisierung der B61-Atombombe in vollem Gange. Aus einer einfachen freifallenden Bombe soll eine lenkbare Präzisionswaffe werden. Dafür werden neue Flugzeuge gebaut: der F-35A Joint Strike Fighter, ein Tarnkappenbomber. Auch in den USA explodieren die Kosten und der Etat wird massiv aufgestockt, so dass über die nächsten 30 Jahren geschätzte 1 Billion US Dollar in diese Massenvernichtungswaffen fließen.

Die unterbrochenen Kommunikationskanäle und Sicherheitsmechanismen zwischen NATO und Russland müssen dringend wieder hergestellt werden. Sie konnten während des Kalten Kriegs Missverständnisse zwischen den Konfliktparteien verhindern und sind angesichts der atomaren Gefahr möglicherweise überlebenswichtig für Milliarden von Menschen. Die neuen SIPRI-Zahlen zeigen, dass die Zahl der einsatzbereiten Atomwaffen im vergangenen Jahr gestiegen ist, auch wenn deren Gesamtzahl sinkt. Von 4.300 einsatzbereiten Atomwaffen stehen in den USA und Russland immer noch ca. 1.800 in höchster Alarmbereitschaft. Sie könnten binnen Minuten zum Einsatz kommen und eine globale Katastrophe auslösen.


Die IPPNW-Vorstandserklärung zur Ukraine un die damit verbundene Gefahr einer nuklearen Eskalation finden Sie unter:
www.ippnw.de/frieden/konflikte-kriege/ukraine.html

Die IPPNW ist eine berufsbezogene, friedenspolitische Organisation, die 1981 von einer Gruppe von Ärzten aus den USA und Russland gegründet wurde. Ihre Überzeugung: Als Arzt hat man eine besondere Verpfl ichtung zu sozialer Verantwortung. Daraus entstand eine weltweite Bewegung, die 1984 den UNESCO-Friedenspreis und 1985 den Friedensnobelpreis erhielt. Heute setzen sich Mediziner und Medizinerinnen der IPPNW in über 60 Ländern auf allen fünf Kontinenten für eine friedliche, atomtechnologiefreie und menschenwürdige Welt ein.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. Juni 2015
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2015

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