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FREE GAZA/149: Hat Israel vorsätzlich Menschenrechtsaktivisten getötet? (ism-germany.net)


International Solidarity Movement - ism-germany.net - 3. Juni 2010

Hat Israel vorsätzlich Menschenrechtsaktivisten getötet?


Am Montag dem 31. Mai 2010 kaperten Spezialeinheiten der israelischen Armee sechs Schiffe der "Freedom Flotilla", die sich mit Hilfsgütern auf dem Weg nach Gaza befand. Neun bis 20 Passagiere der Schiffe wurden getötet, dutzende verwundet. Drei Tage danach legen immer mehr Fakten nahe, dass Israel die Menschenrechtsaktivisten vorsätzlich tötete.


Der Hintergrund der Flotille

Bei der Freedom Flotille handelt es sich um eine gemeinsame Anstrengung eines Bündnisses von humanitären Organisationen, um mit gewaltlosen Mitteln durch die israelische Blockade zu brechen und dringend benötigte humanitäre Hilfe zu den Palästinensern in Gaza zu bringen. Fast 700 Menschen aus 37 Nationen schlossen sich der Flotille an, darunter Menschenrechtsarbeiter, Parlamentsabgeordnete, Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer, Personen des öffentlichen Lebens und Journalisten.


Das Bündnis umfasste:

• Die türkische Organisation Insani Yardim Vakfi (IHH) - den größten Partner der Koalition. IHH stellte 2 türkisch-beflaggte Schiffe bereit. Mit dabei waren auch 380 türkische Bürger. Es war die erste Fahrt der türkischen Schiffe in Richtung Gaza.

• Der europäische Zusammenschluss "European Campaign to End the Siege on Gaza", welcher die griechisch-beflaggte "Sfendoni" bereitstellte. Die Organisation war bereits bei der letzten Fahrt nach Gaza dabei.

Free-Gaza-Movement, welche die amerkanische "Challenger I." zur Verfügung stellte. Es war Free Gazas neunte Mission.

"A Ship to Gaza" aus Schweden und "A Ship to Gaza" aus Griechenland, die die griechische "Eleftheri Mesogeios" beisteuerten. Auch die Eleftheri Mesogeios war zum ersten Mal dabei.


Alle Schiffe wurden vor ihrer Abfahrt gründlich durch die örtlichen Behörden in Griechenland und der Türkei durchsucht. Zusätzlich heuerte das Bündniss eine unabhängige Sicherheitsfirma an, die die Schiffe durchsuchte und sicherstellte, dass sich keine Waffen an Bord befinden. Alle Passagiere unterzogen sich gewaltlosen Trainings und wurden vor ihrer Abfahrt nach Waffen durchsucht. Auch die türkische Regierung überprüfte alle türkischen Passagiere, um sicherzustellen, dass niemand in Verbindung zu extremistischen Gruppen steht. Diese Schritte wurden unternommen, um möglicher israelischer Propaganda und dem Vorwurf, die Flotille stelle ein Sicherheitsrisiko für Israel dar, von vornherein die Grundlage zu nehmen.

Die Ereignisse auf der Mavi Marmara wurden ständig und live per Satellit übertragen, während ein GPS-Sender zu jeder Zeit die exakte Position der Flotille öffentlich machte. Die Absicht der Freedom Flotille war es zu keiner Zeit Konfrontationen zu provozieren sondern einfach nur dringend benötigte humanitäre Hilfe in das belagerte Gaza zu bringen und die Aufmerksamkeit auf die brutale israelische Politik zu lenken, die das palästinensische Volk in einen Staat verarmter Abhängiger verwandeln will.


Im Vorfeld des israelischen Angriffes

Vier Tage vor dem Angriff berichtete der Fernsehsender Bloomberg News, dass Israel mit dem Einsatz militärischer Gewalt und dem "Gebrauch aller möglichen Maßnahmen, um die Schiffe zu stoppen" drohte ("Israel Threatens Naval Action to Stop Aid Ship Bound for Gaza").

Am 28. Mai berichtete Associated Press, dass die israelische Regierung vorbereitet sei, die Flotille "zu jedem Preis" zu stoppen, dies schließe die "Vorbereitung von Gewaltanwendung" ein ("Israeli gunships head to sea to block flotilla"). Außerdem wurde von maskierten Marinakommandos berichtet, die sich im Training befinden, um die Flotille zu stoppen.

Am 1. Juni, ein Tag nach dem Angriff, äußerte der stellvertretende israelische Verteidigungsminister die Vermutung, dass die israelische Armee einige der Schiffe sabotiert haben könnte. Tatsächlich konnte die Flotille aufgrund unerwarteter technischer Problem erst mit zwei Tagen Verzögerung die Fahrt aufnehmen. Drei der neun Schiffe mussten die Fahr ganz aufgeben ("Gaza aid flotilla: Israeli sabotage suspected", Guardian, 1. Juni 2010).


Das Massaker an Bord der Mari Marmara

Unter dem Schutz der Dunkelheit umzingelten in der Nacht vom 30. zum 31. Mai israelische Truppen die Freedom Flotille in internationalen Gewässern. Bewaffnete und maskierte Kommandos stürmten alle sechs Schiffe vom Meer und der Luft aus und töteten zwischen neun und 20 Zivilisten. Drei Tage später weigert sich Israel immer noch die Namen der Toten preiszugeben und bestätigt nicht einmal die Anzahl der getöteten Passagiere.

Ein Sprecher der Israelischen Armee Avital Leibovich bestätigte, dass der Angriff in internationalen Gewässern stattfand: "Dies passierte in Gewässern außerhalb des israelischen Territoriums, aber wir haben das Recht auf Selbstverteidigung."

Israeli veröffentlichte stark nachbearbeitete Videos der Auseinandersetzungen, die die Behauptung, die Passagiere der Mari Maramara hätten versucht, die bewaffneten Militärkommandos zu lynchen, unterstützen sollen. Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak lobte im Anschluss seine Armee: "Ihr habt die Mission ausgeführt und die Flotille daran gehindert Gaza zu erreichen. Wir müssen uns immer wieder vergewissern, das wir uns nicht in Nordamerika oder Westeuropa befinden, wir leben im Nahen Osten, einem Ort ohne Gnade für die Schwachen und es gibt keine zweite Chance für jene, die sich nicht verteidigen." ("Barak: In the Middle East, there is no mercy for the weak",Haaretz, 2. Juni 2010.)

Im Gegensatz zu der israelischen Version der Ereignisse berichtete Jamal Elshayyal - ein Al-Jazeera Korrespondent, der sich an Bord der Mari Marmara befand - kurz bevor die israelische Armee alle Kommunikationskanäle zum Schiff kappte, von Schüssen mit scharfer Munition auf Zivilisten, nachdem diese die weiße Flagge gehisst hätten:

Video unter:
http://www.ism-germany.net/2010/06/03/hat-israel-vorstzlich-menschenrechtsaktivisten-gettet

Auch andere Augenzeugen widersprechen den israelischen Darstellungen. So berichtete Nilufer Cetin: "Die Operation begann sofort mit offenem Feuer. Erst waren es Warnschüsse, aber als die Mavi Marmara nicht stoppen wollte wurden die Warnungen zu Angriffen [...] Es gab Schall- und Rauchgranaten später benutzten sie Gasgranaten. Nachdem die Granaten abgeworfen wurden, kamen sie per Helikopter an Bord." ("Israelis opened fire before boarding Gaza flotilla, say released activists", Guardian, 1. Juni 2010)

Die israelische Knessetabgeordnete Haneen Zoubi berichtete von Kriegsschiffen, die die Mavi Marmara umzingelten und auf das Schiff feuerten bevor die Kommandos das Deck stürmten. Kurz nach ihrer Freilassung berichtete sie auf einer Pressekonferenz in Nazareth: "Israel hatte Tage um diese Militäroperation zu planen. Sie wollten viele Tote um uns zu terrorisieren und uns eine Botschaft zu senden, dass keine weiteren Hilfskonvois versuchen sollten, die Belagerung des Gazastreifens zu brechen." ("Israeli Knesset member rejects navy account of attack" Irish Sun, 2. Juni 2010)

Der pakistanische Journalist Talat Hussein sprach nach seiner Freilassung davon, dass Passagiere gezielt in den Kopf geschossen wurde: "Vier Leute wurden vor mir in die Stirn geschossen. Ich sah vier Menschen sterben." ("Pakistan flotilla witness says Israelis shot victims in cold blood", The Hindu, 2. Juni 2010).

Yonatan Shapira, einst Pilot in dem israelischen Luftwaffengeschwader, welches die Mavi Marmara angriff, erklärte: "Kein israelischer Pilot würde Kommandokräfte mitten in der Nacht mitten im Meer auf einem Schiff absetze, ohne, dass die Soldaten scharfe Munition mit sich führen. Paint-Ball -Kartuschen sind vielleicht den automatischen Waffen hinzugefügt wurden, aber es gibt keinen Zweifel, dass die Soldaten scharfe Munition mit sich führten und vorbereitet wurden sie einzusetzen."

Am 2. Juni sprach außerdem der israelische Botschafter in den USA, Michael Oren, davon, dass bei der Planung des Angriffes auf die Marmara, die israelische Regierung zu dem Schluss gekommen sei, dass das Schiff "zu groß [sei] um es mit gewaltfreien Mitteln zu stoppen." (Interview in der Diane Rehm Show, 2. Juni 2010)

Es gibt also deutliche Anzeichen, dass der israelische Staat vorsätzlich einen Konflikt provoziert hat, der die Tötung von Zivilisten an Bord der Freedom Flotille zum Ziel hatte, um somit Menschen gewaltsam zu entmutigen, humanitäre Hilfe zu den Palästinensern in den belagerten Gazastreifen zu bringen.

Die ISM-Mitbegründerin Huwaida Arraf über die Ereignisse:

Video unter:
http://www.ism-germany.net/2010/06/03/hat-israel-vorstzlich-menschenrechtsaktivisten-gettet



ism-germany.net ist Internetseite und Nachrichtenprojekt des deutschen Ablegers der palästinensischen Menschenrechtsorganisation International Solidarity Movement.


Dieser Text steht unter einer Creative Commons Lizens
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.de


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Quelle:
International Solidarity Movement, 3. Juni 2010
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Internet: ism-germany.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2010