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BERICHT/320: "Der Hingucker" für Passanten (Zivilcourage)


ZivilCourage Nr. 4 - November 2014
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

"Der Hingucker" für Passanten
Sternfahrt-Weststrahl von Köln nach Berlin

Von Joachim Schramm



Etwa 50 TeilnehmerInnen versammelten sich am Morgen des 9. August im Kölner Hiroshima-Nagasaki-Park, um der Opfer des Atombombenabwurfs auf Nagasaki zu gedenken. Gleichzeitig war das der Start der Friedens-Fahrradtour 2014 von Köln nach Berlin. Als sich die Regenwolken verzogen hatten, machten sich die 20 RadlerInnen, begleitet von einigen FriedensfreundInnen aus Köln, auf den Weg zum ersten Etappenziel nach Krefeld.

Nachdem der bayerische DFG-VK-Landesverband schon seit vielen Jahren die Aktionsform der Friedensradfahrt erfolgreich durchführt, hatten wir uns in Nordrhein-Westfalen Anfang des Jahres entschlossen, im Rahmen der geplanten Sternfahrt nach Berlin ebenfalls eine Tour zu organisieren. Vieles war Neuland für uns, und so war es wichtig, mit unserer Tourenleiterin Marion jemanden gewonnen zu haben, die viele Erfahrungen mit Radtouren einbringen konnte. Mit jeder Menge guter Tipps aus Bayern, aber auch von dem Organisator der "Bike for Peace"-Touren versehen, gelang es uns, eine Route quer durch NRW von Köln nach Herford zu organisieren.

Da innerhalb einer Woche die Distanz nach Berlin nicht vernünftig zu bewältigen war, entschieden wir uns für einen anschließenden Bahntransfer nach Brandenburg, um dann noch an zwei Tagen die Strecke zum Ziel, dem Alexanderplatz in Berlin, zu absolvieren.

Hatten wir ursprünglich mit 10 bis 15 MitradlerInnen gerechnet hatten, meldeten sich letztendlich 31 Personen an, unterwegs kamen dann noch immer einige TagesteilnehmerInnen hinzu. Insgesamt haben also um die 40 Personen mehr oder weniger lange an unserer Tour teilgenommen. Darunter waren auch fünf RadlerInnen aus Weißrussland, die über die Kontakte zu "Bike for Peace" von unserer Tour erfahren hatten.

Breite Unterstützung unterwegs

Nachdem wir die ersten 60 Tageskilometer absolviert hatten, erreichten wir am Abend des 9. August Krefeld, wo wir von der örtlichen DFG-VK-Gruppe und dem Krefelder Friedensbündnis mit leckerem Essen und Musik empfangen wurden.

Überhaupt wäre die Tour nicht möglich gewesen ohne die zahlreichen Unterstützer an den Zwischenhalten und Etappenzielen.

Am zweiten Tag machten wir zunächst in Duisburg Station, wo wir vor einer Atommüllfabrik vom Anti-Atombündnis Niederrhein und dem Duisburger Friedensforum begrüßt wurden. Auf der weiteren Strecke waren es DFG-VK- und andere Friedensgruppen, Umweltgruppen wie der BUND sowie örtliche Gruppen der Grünen und der Linken, die uns vor Ort begrüßten, uns die lokalen Anknüpfungspunkte zum Thema der Radtour erläuterten, oft für Verpflegung sorgten oder bei der Übernachtungsfrage aushalfen. In Lippstadt war es ein Mitglied eines Kunstvereins, der uns über ein örtliches Konversionsprojekt informierte, der Leiter des Hattinger Industriemuseums bot uns eine Sonderführung durch die Ausstellung zur lokalen Rüstungsindustrie an. In Soest gab uns der Superintendent seinen Segen mit auf den weiteren Weg. Nicht zuletzt unterstützen uns auch die Gewerkschaften in Form des Verdi-Bildungszentrums bei Bielefeld, das uns einen Sonderpreis für die Übernachtung machte. So zahlte sich unsere Bündnisarbeit der letzen Jahre aus.

Für die TeilnehmerInnen war es ein spannender Querschnitt durch die vielfältigen Aspekte des Mottos "Auf Achse für Frieden, Abrüstung und ein ziviles Europa", der sich auf der Strecke "erradeln" ließ. Während es in Essen und Hattingen um die Geschichte und Gegenwart der Rüstungsindustrie an Rhein und Ruhr ging, stand in Unna und Soest die Erinnerungskultur im Fokus, mit der vor Ort an die vergangenen Kriege gedacht wird. Zwischen Dortmund und Unna besuchten wir die Relikte des Kalten Krieges in Form der ehemaligen Atomraketenstellung, mit der das Ruhrgebiet vor anfliegenden Bombern "geschützt" werden sollte. In Soest und Lippstadt waren die Probleme ehemaliger Truppenstandorte das Thema: In Lippstadt wurde ein ehemaliges Kasernengelände in ein Wohngebiet umgewandelt, dessen Straßennamen an Widerstandskämpfer aus der NS-Zeit erinnern.

Ganz im Osten von NRW nahmen wir noch einmal die räumliche Nähe von Kriegsvergangenheit und -gegenwart war. Während in Stukenbrock auf einem Friedhof in Massengräbern 65.000 tote sowjetische Kriegsgefangene liegen, beginnt nur wenige Kilometer weit entfernt der aktuelle Krieg auch in NRW: In Augustdorf sind Panzergrenadiere der Bundeswehr stationiert, die zu den Hauptkräften des Afghanistaneinsatzes zählen, auf dem Truppenübungsplatz Senne trainieren britische Soldaten für die Kriege im Irak und in Afghanistan.

Eine bunte Gruppe RadfahrerInnen mit Friedensfahnen, das war überall ein Hingucker für die Passanten und auch ein Anlass zur Medienberichterstattung: Immer wieder winkten uns Passanten freundlich zu, und kaum eine Lokalredaktion verzichtet auf einen Bericht und ein Foto von den Friedensradlern. Auch der WDR-Hörfunk berichtet in seinen Nachrichten, und über unseren Besuch in der Senne gab es einen kurzen Beitrag im Regionalfernsehen des WDR. Und genau das wollten wir ja auch erreichen: Auf unseren Verband und seine Vorschläge für Frieden und Abrüstung aufmerksam machen, Menschen für den Frieden aktivieren.

Als wir zusammen mit den FreundInnen aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern mit Polizeibegleitung über den Kurfürstendamm zum Brandenburger Tor und weiter zum Alexanderplatz rollten, war das sicherlich der emotionale Höhepunkt. Insgesamt hat die Tour allen viel Spaß gemacht, die Stimmung war überwiegend prima und schon am Abschlussabend wurde am Rande der kleinen Feier im Hostel über eine Folgetour im nächsten Jahr diskutiert.


Joachim Schramm ist Geschäftsführer des DFG-VK-Landesverbands Nordrhein-Westfalen.

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Quelle:
ZivilCourage Nr. 4 - November 2014, S. 20-21
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
Werastraße 10, 70182 Stuttgart, Telefon 0711/5189 2626
Redaktion: ZivilCourage, Am Angelweiher 6, 77974 Meißenheim
Telefon: 07824/664 67 94, Telefax: 03212/102 82 55
E-Mail: zc@dfg-vk.de
Internet: www.zc-online.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich, sechs Mal jährlich
Jahres-Abonnement: 14,00 Euro einschließlich Porto
Einzelheft: 2,30 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2014


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