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BERICHT/317: Atomwaffen abschaffen - Modernisierung verhindern (Zivilcourage)


ZivilCourage Nr. 4 - November 2014
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Atomwaffen abschaffen - Modernisierung verhindern
Camp und Blockade-Aktionen am Atomwaffenstützpunkt Büchel vom 2. bis 11. August

Von Marion Küpker und Martin Otto



Nach der 24-stündigen spektakulären "Musikblockade" des Bundeswehr-Militärflugplatzes bei Büchel vom 11. auf den 12. August vorigen Jahres hatte die Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA), die Mitgliedsorganisation der DFG-VK ist, beschlossen, auch diesmal wieder rund um die Hiroshima- und Nagasaki-Gedenktage ein Aktionscamp zu veranstalten. Wiederum fand es in unmittelbarer Nähe der Haupteinfahrt zu dem Fliegerhorst statt, in dem Atombomben der USA gelagert werden und deutsche Piloten mit ihren Tornado-Kampfjets im Rahmen der "nuklearen Teilhabe" üben, die Massenvernichtungswaffen im Ernstfall zu ihren Einsatzorten zu fliegen.

Schon vor Monaten hatten wir "Atomwaffen abschaffen - Modernisierung verhindern" zum Motto des Camps gewählt. Allerdings halten wir die Wortwahl "Modernisierung" inzwischen für eine Verharmlosung. Tatsächlich handelt es sich bei dem geplanten Ersetzen der alten B-61-Bomben durch die neuen B-61-12 um eine Neuentwicklung.

Breite Unterstützung

Neben Angehörigen der GAAA nahmen diesmal auch Leute vom Friedensritt, vom Jugendnetzwerk für politische Aktionen (JunepA), von der Konzertblockaden-Gruppe Lebenslaute, Initiative Armes nucléaires Stop aus Frankreich, von den ÄrztInnen gegen Atomkrieg (IPPNW), von Störfaktor (ein Projekt für das Versammlungsrecht) und von Bikers Without Borders teil. Und parallel dazu ging vom 5. bis 9. August im Camp der zweite Teil der diesjährigen Fastenaktion vonstatten, die zum fünften Mal in Folge vom Inititiativkreis gegen Atomwaffen in der Eifel (einer Regionalgruppe des Versöhnungsbunds) organisiert wurde. Das Fasten war am 1. August im Rahmen der Feiern zum einhundertjährigen Bestehen des Internationalen Versöhnungsbunds in Konstanz begonnen worden.

Kurzzeitige BesucherInnen des Camps waren unter anderen die rheinland-pfälzische stellvertretende Ministerpräsidentin von Bündnis 90/Die Grünen und zwei Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke; alle drei bekundeten ihre Solidarität mit unserem Protest.

Urlaubssperre wegen der Blockade

Im Camp gab es neben verschiedenen Workshops, Pressearbeit etc. auch Vorbereitungen auf demonstrative Aktionen und auf Zivilen Ungehorsam vor dem Militärgelände.

Die erste "ungehorsame Aktion" begann am Dienstag, 5. August, um 6 Uhr früh, als zum Dienstbeginn zahlreicher SoldatInnen und Zivilangestellte des Stützpunkts die drei wichtigsten Einfahrtstore durch Sitzblockaden versperrt wurden. Auch zwei Tripods (dreibeinige Blockadetürme) kamen dabei zum Einsatz - ein Novum für Büchel.

Die Aktion wurde zunächst von Militär und Polizei geduldet. Daraufhin beschlossen die AktivistInnen eine Verlängerung der Blockade bis zunächst 8 Uhr 15 Uhr am nächsten Morgen (Uhrzeit des Atombombenabwurfs auf Hiroshima). Sie blieben am Tag und in der Nacht unbehelligt, aber als zum Dienstbeginn am Mittwoch, dem Hiroshima-Gedenktag, die drei Tore immer noch blockiert waren, schritt die Polizei zur Räumung, erteilte Platzverweise und nahm drei Aktive fest, einen, der sich mit einem Fahrrad-Bügelschloss an ein Tor festgekettet hatte und zwei, die ihre Ausweise nicht dabei hatten. Die drei wurden zur 13 Kilometer entfernten Polizeistation in Cochem gebracht und nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Obwohl eine Person ihre Identität nicht preisgab, wurde sie wieder freigelassen (und nicht einem Richter vorgeführt), was wir als weiteres Zeichen dafür werteten, dass kein öffentliches Aufheben von unseren Aktionen gemacht werden soll.

Währenddessen wurde die Blockade am Haupttor und am Tor 1 fortgesetzt. Als sie am Mittag von denen, die noch keine Platzverweise erhalten hatten, nach 30 Stunden aus freien Stücken gemeinsam am Haupttor beendet wurde, fand die längste von der GAAA organisierte Büchel-Blockade ihr Ende. (Die erste hatte es 1996 gegeben - und danach zahlreiche weitere Aktionen des Zivilen Ungehorsams am und auch im Fliegerhorst.) Mit der spontanen Verlängerung unserer Blockade machten wir die tolle Erfahrung, dass sich die Bundeswehr zwar schon auf unsere Aktionen vorbereitet, indem sie Urlaubssperren verhängt, Lieferungen terminlich verschiebt und dringend benötigte Militärangestellte mit Bussen anfahren lässt, die dann zu Fuß über und an den Blockierenden vorbei müssen, dieses aber bei nichtangekündigten Blockade-Veränderungen nicht funktioniert. Demzufolge beschimpften uns am zweiten Tag einige Soldaten.

Am Freitag, 8. August, kam es schon ab 5 Uhr 30 zu einer weiteren im Vorfeld nicht angekündigten Blockade, und zwar am Bücheler Haupt- und dem Lutzerather Tor - letzteres ist das wichtigste nach dem Haupttor. Die Fastenden des Initiativkreises fuhren zeitgleich an die Bundeswehr-Kaserne Brauheck, um an die dort wohnenden SoldatInnen - gleich beim Verlassen ihrer Kaserne hin zu ihrem Arbeitsplatz im Bücheler Atomwaffenstützpunkt - einen "Soldatenbrief" zu übergeben. Die SoldatInnen nahmen den Brief bis auf sehr wenige Ausnahmen nicht entgegen und fuhren ahnungslos unseren Blockaden entgegen.

Wir hatten drei Tripods zur Verfügung, und da der meiste Verkehr über das Lutzerather Tor, was sich einige Kilometer vom Camp und Haupttor entfernt befand, seit Tagen bereits zum Großteil umgeleitet wurde, brauchten wir dort zwei für die Ein- und Ausfahrtspur und benutzten das dritte für die Einfahrtsspur am Haupttor. Die linke Ausfahrtspur wurde mit einer Personen-Sitzblockade versperrt.

Eine halbe Stunde später räumte die Polizei die linke Fahrbahn zum Haupttor (Sitzblockade) frei, ohne dass es weitere Festnahmen gab. Trotz der Teilräumung kam es zu langen Autostaus, da die ankommenden Militärangehörigen auf unsere Aktion nicht vorbereitet waren und etliche von ihnen zudem zunächst das vollständig mit Tripods blockierte Tor anfuhren. Um 8 Uhr 30 Uhr, als sich die Staus aufgelöst hatten, beendeten die AktivistInnen das Blockieren. Bei dieser Aktion zeigte sich auch, dass das "Tor 1" - ein asphaltiertes Nebentor, welches trotz seiner direkten Anbindung an die Bundesstraße normalerweise geschlossen ist - nun zusätzlich als weitere Zufahrt von der Bundeswehr genutzt werden musste. Das ist eine weitere wichtige Erfahrung für zukünftige effektive Stör-Blockaden.

TouristInnengruß

Am nächsten Tag um 11 Uhr 2, als der Abwurf der Plutoniumbombe auf Nagasaki sich zum 69. Mal jährte, wurde die Fastenaktion mit einer Andacht vor dem Haupttor beendet.

Die Fastenden und ihre UnterstützerInnen hatten an den drei vorherigen Tagen jeweils nachmittags für eine Stunde ein aus acht Bettlaken gefertigtes 20 Meter langes Transparent mit der Aufschrift "Ferienland Cochem atomwaffenfrei" über das Geländer einer Cochemer Brücke gehalten - gut sichtbar für die zahlreichen TouristInnen, die an der Mosel entlangliefen und einen Brief an den Landrat mitunterzeichnen durften. Zur ersten Mahlzeit nach dem Fasten im großen Zelt des Camps spielten die Lebenslaute auf, die dann am 10. August mit einem Konzert auf beiden Fahrbahnen des Haupttores den Schlusspunkt der Aktionen setzte. Es gab am Wochenende freilich keinen großen morgendlichen Dienstantritt von den an die 1000 Militärangehörigen zu blockieren, doch trotzdem mussten Einzelne an diesem Sonntagvormittag immer wieder zum Lutzerather Tor ausweichen.

Nächstes Jahr: Büchel65

Am letzten Tag des Camps richteten wir den Blick schon auf das nächste Jahr. Ab Ende April bis Ende Mai wird bei den Vereinten Nationen in New York - wie alle fünf Jahre - wieder eine Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag abgehalten. Die GAAA plant aus diesem Anlass, vom 26. März an bis zum Ende der Konferenz im Mai in Büchel 65 Tage lang immer wieder Blockaden mit möglichst vielen Gruppen. Der Name ist: büchel65, nach dem Vorbild faslane365 und gorleben365, bei denen es allerdings ein Jahr andauernde Blockadeaktionen waren.

Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage!


Martin Otto und Marion Küpker sind aktiv in der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen.

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Quelle:
ZivilCourage Nr. 4 - November 2014, S. 11 + 13
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
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Erscheinungsweise: zweimonatlich, sechs Mal jährlich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2014


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