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AKTION/052: Die pazifistische Urlaubsalternative (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 4 - Oktober/November 2015
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Die pazifistische Urlaubsalternative
Schlaglichter von der NRW-Friedensfahrradtour nach Büchel

Von Tobias Damjanov


Münster/Westfalen, 1. August, zehn Uhr vormittags: Der Rathausinnenhof füllt sich - mit Fahrrädern, Fahnen, Transparenten. Unser Tourleiter Joachim dröhnt die Begrüßung durchs Megafon. Auftakt zur Friedensfahrradtour der DFG-VK NRW. Gleichzeitig startet im fernen Grafenwöhr die bayerische Tour mit Aktionen vor einer US-Kaserne.

Was für uns NRWler folgte, waren neun Tage Fahrradfahren (im Schnitt 50 Kilometer täglich), Aktionen und Veranstaltungen in 15 Orten, Zelte auf- und abbauen, Essen kochen ... Moment: Es waren auch Radlerinnen und Radler aus dem Saarland, Hessen und Baden-Württemberg dabei und sogar drei aus Weißrussland; an mehreren Tagen wurden wir von lokalen Unterstützern verpflegt (lecker! Danke!); wir haben auch Eis und Bier genossen und Zeit für Abkühlung im Wasser gefunden (nur an einem Tag vermittels Regen). Das Miteinander: Neue Freund- und alte Bekanntschaften, bis tief in die Nacht. Dazu gehörten Mareike und Jochen vom Forum Ziviler Friedensdienst, unserem Tour-Kooperationspartner, die uns mit ihrem friedensbunt bemalten Wohnmobil begleiteten.

Die Kombination macht's

Bewegung lockert auf, macht den Kopf frei, ist stresslösend (sagen sogar Schachspieler, aber das ist eine andere Geschichte ...). Das im Wechsel kombiniert mit Flugis-verteilen, Leute mit unseren Anliegen ansprechen, vor Kasernen durch "Die-ins" den mörderischen Wahnsinn des Soldatentums demonstrieren - die Bayern hatten sogar ein nachgerade professionelles Straßentheaterstück in ihrem Programm - macht eine politisch sinnvolle Urlaubsalternative aus: Wer noch nicht Pazifist war, ist es jetzt, jede Wette.

Was haben wir unterwegs getan? Hauptthema war der 70. Jahrestag von Hiroshima und Nagasaki (deswegen ja auch der Zielpunkt Büchel als einzigem deutschen Atomwaffenstandort). Zwei herausragende Beispiele: In Oberhausen kam es zu einer Podiumsdiskussion mit den fünf Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl, bei der alle - auch der der CDU; der hat inzwischen die Wahl gewonnen - erklärten, würden sie gewählt, träten sie den "Bürgermeistern für den Frieden" bei. Und in Köln kam es am Vorabend zu jenem niemals zu vergessenden 6. August gemeinsam mit Japanern zu einer Gedenkzeremonie, deren atemstockender Eindruck sich nicht beschreiben lässt. Harald, einer unserer Mitradler und Vorsitzender der Gruppe Köln, ist für diese unter die Haut gehenden Erlebnisse zu danken.

Als politische Pazifisten wollen wir nicht nur Atomwaffen, sondern Kriege generell abschaffen. Deswegen haben wir gegen Militärstandorte protestiert: Angefangen vom deutsch-niederländischen Kommando für die neue Nato-Speerspitze gen Osten in Münster, über das größte Munitionslager der Bundeswehr in Dorsten-Wulfen (auch Drehscheibe für die deutschen Auslandseinsätze) bis hin zum berühmt-berüchtigten Kalkar. Doch nicht nur das: Wir sind auch in Orten ohne militärische Bedeutung ausgeschwärmt (Xanten, Wesel, Moers ...).

Da haben wir wegen Sommerferien und Sommerwetter gelernt, dass es vertane Liebesmüh' ist, an Werktagen mittags auf einem Kleinstadtmarktplatz für einen halbstündigen Zwischenstopp darauf zu setzen, Massen anzutreffen und diese auch noch mobilisieren zu können ­...

Auffälligkeiten

Ja, sicher sind wir aufgefallen - und zwar sowas von! An einigen Orten berichtete die Presse sogar, ohne dass wir sie eingeladen hatten.

Andere Aha-Erlebnisse: Ein (anfangs griesgrämiger) Ordnungsbeamter nahm uns, wohlwollend lächelnd, den Riesenmüllsack ab, mit dem wir nicht wussten, wohin (ob er anschließend auch in die DFG-VK eingetreten ist, haben wir noch nicht nachverfolgt). In Xanten, wo es erbärmlich gegossen hat und wo uns Christa und Norbert von attac Niederrhein spontan in ihrem Zuhause aufnahmen, sagte uns die zuständige Polizeifachkraft, sie hätte uns ein anderes Wetter gewünscht: "Bei den Zielen, die Sie vertreten!" Wenn das nicht Mut macht ...

Nach der Tour ist vor der Tour ...

Wir treffen uns wieder. Wir wollen auch 2016 eine Friedensfahrradtour anbieten, sehr gerne auch wieder mit einem Zusammentreffen mit den Bayern, mit denen wir ab Koblenz gemeinsam nach Büchel, tja, nicht nur geradelt sind. Wir möchten genauso gerne andere Gruppen, Landesverbände, motivieren, was Gemeinsames auf die strampelnden Beine zu stellen. Politische Ziele, Routen, habt ihr Ideen? Die Erfahrung auch dieses Jahres zeigt nämlich, dass (Urlaubs)Aktionen dieser Art sowohl Spaß machen wie politisch sinnvoll sind. "Auf geht's, Buam!" (bayerisch) und "Muss, ne!" (NRW/Ruhr).

Kontakt über die Landesgeschäftsstellen der DFG-VK Bayern und NRW.

Tobias Damjanov ist aktiv im DFG-VK-Landesverband Nordrhein-Westfalen.

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Quelle:
ZivilCourage Nr. 4 - Oktober/November 2015, S. 27
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
Werastraße 10, 70182 Stuttgart
Redaktion: ZivilCourage, Werastraße 10, 70182 Stuttgart
Telefon: 0711 - 51 89 26 20, Telefax: 03212 - 102 82 55
E-Mail: zc@dfg-vk.de
Internet: www.zc-online.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich, sechs Mal jährlich
Jahres-Abonnement: 14,00 Euro einschließlich Porto
Einzelheft: 2,30 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2015

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