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BERICHT/060: 15 Jahre pbi-Kolumbienprojekt


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 01/10

REZENSION
Ermutigendes Plädoyer
15 Jahre pbi-Kolumbienprojekt

Von Christoph Behrends


Das pbi-Kolumbienprojekt feierte im vergangenen Jahr 15-jähriges Bestehen. Grund genug, die Geschichte des Projekts Revue passieren zu lassen: Der Film "15 años pbi Colombia".


Jubiläen bilden häufig einen Anlass, sich in Selbstbeweihräucherung zu üben. Die von Oliver Merchant und Taimoor Sobhan gedrehte und von Bianca Bauer mitproduzierte Dokumentation "15 años pbi Colombia" geht einen anderen Weg. Sie lässt die MenschenrechtsverteidigerInnen zu Wort kommen, die von pbi begleitet werden. Sie erzählt von Verschwundenen, Vertriebenen, von Folter und Ermordeten - aber auch von der Hoffnung und aktiven Initiative der Zivilbevölkerung, die unhaltbaren Verhältnisse zu ändern. Wo es geboten ist, mit Unterstützung von pbi.

Das Leben im Reservat Chaparral Barro Negro könnte idyllisch sein. Im Nebelwald von Nordost-Kolumbien gelegen, ist die dort beheimatete indigene Gemeinde der U'wa jedoch seit Jahren Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Im April 2007 mündeten diese in der Tötung des Gemeindevorstehers Cacique Álvaro Salón Archila. "Er hat für sein Territorium, für seine Gemeinde gekämpft", so die Witwe Salóns. Die Umstände der Tötung sind bis heute nicht aufgeklärt.

Das Reservat liegt in einer der lukrativsten Regionen für die Erdölproduktion in Amerika - und so verwundert es wenig, dass einen Monat nach dem Verschwinden Salón Archilas die Erdölfirma Hocol Gemeindevertreter zu Verhandlungen hinsichtlich der Ausbeutung der Ölvorkommen einlud. "Das ist eine Methode, sich Hindernisse aus dem Weg zu schaffen", so Álvaros Nachfolger Vidal, "sie haben uns eine Schlüsselperson genommen." Nach einer Weile fügt er hinzu: "Doch es kamen andere nach. Nicht nur einer, sondern mehrere."

Es sind persönliche Geschichten wie diese, die der Film "15 años pbi Colombia" aufgreift und anhand ihrer auf die strukturellen Missstände in Kolumbien hinweist. Er nimmt uns mit auf die Reise in konfliktbehaftete Regionen: nach Recetor in der Provinz Casanare, wo Teile der Zivilbevölkerung unter dem Vorwand, es handele sich um Guerilleros, verschwunden gelassen oder außergerichtlich hingerichtet wurden; in die von der Militäroperation "Genesis" gebeutelte Region Chocó, in der die Bevölkerung humanitäre Zonen eingerichtet hat, um Bewaffneten den Zugang zu erschweren und ein Leben in Frieden führen zu können; zu einer Demonstration ins Zentrum von Medellín, bei der die "Vereinigung der Familienangehörigen von Verhafteten und Verschwundenen" (ASFADDES) die Bevölkerung auf diese Staatsverbrechen aufmerksam macht und versucht, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Seit dem Jahr 2000 begleitet pbi die Koordinatorin von ASFADDES Medellín, Martha Soto, die im Interview erzählt. "Ohne pbi gäbe es ASFADDES Medellín bestimmt nicht mehr. Und ich wäre nicht mehr hier."

Auch die durch pbi Entsendeten kommen in der sechzig-minütigen Dokumentation zu Wort. Sie berichten von ihrer Arbeit, die neben der physischen Schutzbegleitung vor allem aus politischer Begleitung besteht. So werden vom Büro in Bogotá aus Gespräche mit Organisationen und Regierungsvertretern organisiert und die Begleitung von Mitgliedern der begleiteten Organisationen bei Gerichtsterminen vorbereitet.

Etwa 156.000 Personen sind in Kolumbien in den letzten zwanzig Jahren durch sogenannte "informelle Verbände", in erster Linie mit dem kolumbianischen Staat kooperierende paramilitärische Einheiten, ermordet worden. Zu diesem Ergebnis kam die Sondereinheit "Gerechtigkeit und Frieden" der kolumbianischen Staatsanwaltschaft im Dezember 2009. Weitere 210.000 Personen wurden Opfer des sogenannten "Verschwindenlassens". Die oppositionelle Senatorin Gloria lnés Ramírez beziffert die Anzahl der Verschwundenen in den vergangenen 33 Jahren sogar auf 500.000 Fälle.

"15 años pbi Colombia" gibt den Opfern und ihren Angehörigen ein Gesicht - und ist ein ermutigendes Plädoyer für zivilgesellschaftliches Engagement. Der Film ist auf DVD in der Geschäftsstelle von pbi erhältlich sowie im Internet zu sehen unter:
vimeo.com/channels/pbi
- pbi


"15 años pbi Colombia"

Realisierung und Schnitt:
Oliver Merchant
Kamera und Ton:
Taimoor Sobhan
Produktion:
Oliver Merchant, Taimoor Sobhan, Bianca Bauer
Sprache:
Spanisch
Untertitel:
Englisch, französisch, deutsch, italienisch, niederländisch
Laufzeit:
60 Minuten


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/10, S. 12
Herausgeber: pbi Deutscher Zweig e.V.
Harkotstr. 121, 22765 Hamburg
Tel.: 040/38 90 437, Fax: 040/38 90 437-29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2010