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BERICHT/044: Kolumbien - Kein Diplom ohne Militärdienst


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 02/07

Kolumbien
Kein Diplom ohne Militärdienst

Die kolumbianische Organisation Red Juvenil zu Gast bei pbi


Red Juvenil (etwa: Netz der Jugend) mobilisiert für die Verbreitung der Gewaltfreiheit und die Anerkennung der Rechte von Kriegsdienstverweigerern. EDUARDO AMBAR CASTRILLON ist auf Rundreise in Deutschland. In Hamburg sprach er mit Christel Liermann.

PBI-RUNDBRIEF: Eduardo, wie ist die Situation für
Kriegsdienstverweigerer in Deinem Land?

EDUARDO CASTRILLON: Der kolumbianische Staat erkennt in der Verfassung zwar prinzipiell das Recht des Einzelnen an, nicht gegen seine Überzeugungen zu handeln. Aber diese Prinzipien werden nicht eingehalten: Der Militärdienst ist verpflichtend. Dies ist eine skandalöse Verletzung der Verfassung. Trotz hoher Personalstärke wird die Truppenanwerbung in jüngster Zeit intensiviert. Wir werden quasi zwangsrekrutiert.

PBI-RUNDBRIEF: Hat der Militärdienst Einfluss auf den Zugang zu höherer Bildung?

EDUARDO CASTRILLON: Ja, der Gesetzesartikel 48/1998 beinhaltet Sanktionen, die ins Zivilleben eingreifen. Einem Studenten wurde der Zugang zu einem Fach an der staatlichen Universität verboten. Er kann in diesem Fach jetzt keinen Abschluss machen. Wir fordern den Zugang zu Bildung ein, indem wir uns öffentlich zu Kriegsdienstverweigerern erklären. Es gibt aber einige junge Menschen aus unteren Einkommensgruppen, die den Ausschluss stillschweigend hinnehmen. Dies erschwert ihre Suche nach Arbeit und verstärkt letztlich die Armut.

Pbi-rundbrief: Richten sich Eure Kampagnen nur gegen den Kriegsdienst beim staatlichen Militär oder auch gegen den in anderen militärisch organisierten Gruppen?

EDUARDO CASTRILLON: Unsere tiefe Überzeugung, für das Leben einzustehen, stellt uns gegen jegliche Form der Militarisierung, legale oder illegale. Der Krieg in Kolumbien behebt die Probleme nicht, sondern ist eine Ursache der seit Jahrzehnten andauernden sozialen Ungerechtigkeit. Es spielt also keine Rolle, gegen welche Form der Militarisierung wir uns gerade wenden.

PBI-RUNDBRIEF: Stellt für Euch das deutsche Modell des Zivildienstes eine Alternative zum Militärdienst dar?

EDUARDO CASTRILLON: Wir sehen unsere sozialen Leistungen als Alternative und als Weg zu mehr Demokratie. Ich selbst bin lange mit Basisgruppen verbunden und erprobe Möglichkeiten der Gewaltfreiheit mit dem Netzwerk. Ich kann diesen zivilen Dienst meinem Land gegenüber seit einer Dekade nachweisen. Dies anzuerkennen, wäre ein erster Schritt zu mehr Gerechtigkeit.

PBI-RUNDBRIEF: Wie sieht Eure Arbeit praktisch aus?

EDUARDO CASTRILLON: Der erste Schritt ist die Bildung zu Fragen der Gewaltfreiheit, welche uns die Möglichkeit der Analyse und der Reflektion gibt und unsere Handlungsfreiheit offen hält. Darüber hinaus machen wir Lobbyarbeit auf nationaler und internationaler Ebene. Eine Gruppe von AnwältInnen verfolgt die Fälle. Ganz wichtig ist dann auch die Mitarbeit, die den Teilnehmenden ein Einkommen ermöglicht. Wir machen zudem direkte Aktionen mit symbolischem Widerstandscharakter, wie das Konzert 'Sonorous Antimilitarism'. Hier kommen ohne die Anwesenheit jeglicher bewaffneten Gruppe sechs- bis achttausend Menschen friedlich zusammen. Verschiedene ähnliche Kampagnen werden mit Unterstützung anderer Organisationen durchgeführt.

PBI-RUNDBRIEF: Was waren für Deine Organisation wichtige Schritte in der Vergangenheit?

EDUARDO CASTRILLON: Grundsätzlich hat sich die Situation in Kolumbien nicht wirklich verändert. Aber seitdem der Weg der Gewaltfreiheit eingeschlagen wurde, kann von einem kritischen Moment gesprochen werden. Viele Generationen haben in der Vergangenheit dafür gekämpft. Dies hat einen zivilisatorischen Einfluss in weite Teile der Gesellschaft tragen können.

PBI-RUNDBRIEF: Vielen Dank für das Gespräch! - pbi


Weitere Informationen erhalten Sie hier:
www.redjuvenil.org
www.anooc.org
www.wri-irg.org/news/2007/icod07-es.htm


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/07, S. 14
Herausgeber: pbi-Deutscher Zweig e.V.
Bahrenfelder Strasse 79, 22765 Hamburg
Tel.: 040/380 69 03, Fax: 040/386 94 17
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Internet: www.pbi-deutschland.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2007