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BERICHT/038: Wohin steuert der neue Menschenrechtsrat der UNO?


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden - pbi Rundbrief 01/07

Wohin steuert der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen?

Von Peter Tachau


Seit den 1960er Jahren ist die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen die zentrale Anlaufstelle bei Klagen gewesen, wenn gegen staatliche Willkür keine andere Möglichkeit mehr bestand. Als Unterorganisation des Wirtschafts- und Sozialrates bestand ihre Hauptaufgabe darin, Standards für die Menschenrechtsarbeit zu setzen und ihre Einhaltung zu überwachen. Was die Arbeit der Kommission besonders wertvoll machte, war der Umstand, dass auch Nichtregierungsorganisationen Klagen vorbringen konnten und ein Rederecht hatten.


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Einmal jährlich traf sich die Kommission in Genf. Für unzählige Menschenrechtsgruppen war die Zeit im März und April immer die Gelegenheit, besondere Themen, gefährdete Gebiete und Länder und auch einzelne Personen in das Bewusstsein der internationalen Öffentlichkeit zu bringen.

Doch machte sich in den letzten Jahren auch Unmut breit. Politische Interessen gewannen in der Kommission die Oberhand; Allianzen wurden eingegangen, um Abstimmungen über konkrete Fälle und einzelne Länder zu verhindern.


Das Ansehen der Vereinten Nationen hat spürbar gelitten

China hat es z. B. im Laufe der Jahre immer besser verstanden, Voten gegen die Volksrepublik gar nicht erst zur Abstimmung kommen zu lassen. Auch andere Länder, die nicht als die allerbesten Hüter der Menschenrechte gelten, haben als Mitglieder erheblich zum Ansehensverlust der Kommission beigetragen. Das Ansehen der Vereinten Nationen insgesamt hat spürbar und nachweislich gelitten.

Der angemahnte Reformbedarf fand bei der Vollversammlung Gehör. Nach etlichem politischen Tauziehen kam es im Frühjahr 2006 zur Gründung des neuen Menschenrechtsrates. Der Rat ist ein Organ der Generalversammlung. Seine Berichte sind unmittelbar an die Generalversammlung adressiert. Mitglieder des Rates können mit Zweidrittelmehrheit der Generalversammlung abgewählt werden, sollten sie selbst massiv gegen die Menschenrechte verstoßen.

Ob diese Neuerungen die zunehmende Instrumentalisierung der Menschenrechte zu verhindern vermögen, muss dahin gestellt bleiben. Zwar obliegt es dem neu gegründeten Rat, jährliche Berichte zu allen Ländern zu verfassen und eben auch damit zu den Ländern, die nicht Mitglied im Rat sind. Aber wer wollte schon China, um dieses Beispiel noch einmal aufzugreifen, daran hindern können, seinen Einfluss auf die Mitglieder des Rats, dann eben von außerhalb, auszuüben?


Auch die Bundesregierung äußert Enttäuschung

Leider hat die bisherige Amtszeit des Rats auch schon sehr konkrete Besorgnis hervorgerufen. Von Skepsis ist die Rede, von Frust und Ernüchterung. Israel, so wird geklagt, stehe immer wieder im Mittelpunkt der Kritik, und vor anderen Gebieten würden die Augen verschlossen. Eine Mehrheit der Mitglieder wollte Darfur im Sudan nicht auf der Agenda haben - sehr zum Verdruss von Kofi Annan.

Als besonders brisant könnte sich vielleicht das Verhältnis westlich orientierter Staaten zu den islamischen Staaten herausstellen. Das Stimmenverhältnis im Rat ist möglicherweise von Nachteil für die westlichen Staaten. Welches Menschenrechtsverständnis hat der Islam? Und wie verhält es sich zu dem des Westens? Beispiele für Konflikte gibt es genug: Fragen des Verhältnisses von Staat und Religion etwa oder der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Wie kann es zu einem gemeinsamen Verständnis von Menschenrechten kommen, wenn jetzt schon deutlich ist, dass einige Staaten eine ganz andere Auffassung haben als die, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt ist?

Vor allem aber ist noch völlig offen, welche Rolle die Nichtregierungsorganisationen (NROs) spielen werden. Es ist zu befürchten, daß ihre Aufgabe drastisch beschnitten wird. Das aber wäre fatal, denn jede/r weiß eigentlich, dass Menschenrechte bislang nur mit Hilfe der NROs effektiv durchgesetzt werden können.


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/07, Seite
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2007