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MELDUNG/115: Fast 70 Jahre Vertreibung aus den Olivenhainen (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 1/2016
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin. Für das Menschenrecht auf Nahrung

Fast 70 Jahre Vertreibung aus den Olivenhainen

Von Johannes Brandstäter


Israel/Palästina ist der Hot-Spot von Landrechtsverletzungen, die bereits vor dem israelisch-arabischen Krieg von 1948/1949 begannen und bis heute andauern. Bis zum Ende des Krieges wurden 800.000 der damals 1,3 Millionen arabischen Landbewohnenden aus ihren Dörfern vertrieben und flohen nach Jordanien, Libanon, Syrien und in den Gazastreifen. Palästinensische Menschen erinnern die Vertreibungen als die Nakba (arabisch: Katastrophe, Unglück). Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) beherbergt heute fast fünf Millionen Flüchtlinge in Lagern und leistet Bildungs- und Gesundheitsversorgung, soziale Betreuung und Notfallhilfe.


Jüdische Intellektuelle und Regierungskritiker beschreiben die sozio-ökonomische Entwicklung des 1947 geteilten Gebiets als Geschichte der kolonialistischen Landnahme. Der Friedensforscher Ilan Pappe, als Sohn deutscher Juden selbst Flüchtlingskind aus Haifa, rekonstruiert in seinem Buch Die ethnische Säuberung Palästinas unter Auswertung israelischer Militärarchive die Geschehnisse vor und nach 1948. Er verweist auf Pläne der Zionisten seit dem 19. Jahrhundert, sich das gesamte Land bis zum Jordan anzueignen, eine Politik, die von jüdischen Milizen und israelischen Sicherheitskräften bis heute konsequent verfolgt wird.

Eine neun Meter hohe und 760 km lange Mauer zieht sich durch die besetzten Gebiete und schützt jüdische Siedlungen vor Angriffen. Landerwerb ist Palästinensern nicht möglich, nur Juden. Palästinensische Familien klagen über fehlenden oder durch Mauer und Checkpoints erschwerten Zugang zu ihrem Land und zu Wasser. Der südafrikanische Bischof Desmond Tutu zieht einen Vergleich zur Apartheid. Dem Weltkirchenrat zufolge erduldet die Landbevölkerung "schreckliche Leiden" aufgrund mangelnder Trinkwasser- und Sanitärversorgung.

Die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten hält unvermindert an. Die Europäische Union (EU) protestierte im Januar 2016 gegen Verstaatlichungen von besetztem Land und Zerstörungen von Häusern, die teilweise mit EU-Mitteln errichtet worden waren. Sie beklagte "Entwicklungen", die die Lebensfähigkeit eines künftigen Palästinenserstaats zu untergraben drohten. Die palästinensische Autonomie oder gar Eigenstaatlichkeit, von der offiziell immer die Rede ist, wird inzwischen nur noch für einen kleinen Teil der besetzten Gebiete, auf denen noch keine jüdischen Siedlungen sind, diskutiert.

Es ist geradezu verwunderlich, dass FIAN Palästina und die Landfrage lange nicht auf der Agenda hatte. Die Menschenrechtsverletzungen sind von zivilgesellschaftlichen Organisationen und der UNO breit dokumentiert, sie harren nun der Wahrnehmung durch die Mainstream-Öffentlichkeit. Wer UN-Dokumente und Eilaktionen von Amnesty International zu anstrengend findet, kann sich mit einem packenden und berührenden Roman aufs Sofa zurückziehen. Mit Während die Welt schlief reflektiert Susan Abulhawa Begebenheiten auch ihrer eigenen Familiengeschichte der Vertreibung aus Dörfern und Einkommen schaffenden Olivenhainen. Sie zeigt, wie die Nakba sich anfühlt, und nebenbei versetzt sie sich auch in das Erleben israelischer Besatzungssoldaten.


ZUM EINLESEN:
Ausstellung und Broschüre:
Die Nakba - Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948
www.lib-Hilfe.de/infos_ausstellung.html.


INFOBOX
 
Bewerbungsfrist für das menschenrechtliche Begleitprogramm EAPPI naht

Das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) unterstützt lokale und internationale Anstrengungen, die israelische Besatzung zu beenden und zu einer Lösung des Konflikts beizutragen, unter Bezug auf das Völkerrecht und UN-Positionen. Der Einsatz dauert jeweils ca. 3 Monate. Die Bewerbungsfrist für die fünf jeweils dreimonatigen Einsätze zwischen Herbst 2016 und Herbst 2017 endet am 5. Juni 2016.
http://www.EAPPI-Netzwerk.de/.

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 1/2016, Seite 8
Herausgeber: FIAN Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/7020072, Fax 0221/7020032
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de
 
Erscheinungsweise 4 Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,00 Euro
Abonnement: 15,- Euro
Auslandsversand: zzgl. 10,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2016

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