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LATEINAMERIKA/064: Honduras - Menschenrechtsverletzungen aufklären (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Honduras - Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen gefordert

Von Martin Wolpold-Bosien


Wer sich mit der Menschenrechtslage in Honduras seit dem Putsch am 28. Juni letzten Jahres beschäftigt, kann ein inneres Frösteln kaum vermeiden. Über 4.000 Menschenrechtsverletzungen registriert ein Bericht der Menschenrechtsorganisation COFADEH (Komitee der Familienangehörigen der Verhafteten und Verschwundenen in Honduras). Dutzende Aktive der Demokratie- und Menschenrechtsbewegung kamen ums leben, Hunderte wurden geschlagen und misshandelt.


Die Porträts von 13 Menschen, die als Opfer der Repression nach dem Putsch in Honduras zu Tode gekommen sind, standen im Mittelpunkt einer Kundgebung am 26. Januar 2010 vor dem Auswärtigen Amt in Berlin, zu der neben weiteren Nichtregierungsorganisationen und Solidaritätsgruppen auch FIAN aufgerufen hatte. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, sich für die Aufklärung der in den vergangenen Monates begangenes Menschenrechtsverletzungen einzusetzen.

Opfer der Repression sind MenschenrechtsverteidigerInnen, Mitglieder der Widerstandsbewegung gegen den Staatsstreich, JournalistInnen, RichterInnen und RechtsanwältInnen, die sich gegen den Putsch ausgesprochen haben. Zahlreiche Frauen, die bei Demonstrationen von Sicherheitskräften festgenommen wurden, berichten von Gewalt und sexuellem Missbrauch auf Polizeistationen. Menschenrechtsverteidiger wie Walter Trochez, die sich in der Demokratiebewegung engagierten und sich schon zuvor für die Rechte der LGBT-Bewegung (Lesbians, Gays, Bisexuals, Transsexuals) eingesetzt hatten, wurden entführt und ermordet. Gegen die Verantwortlichen der begangenen Verbrechen ist bislang nicht ernsthaft ermittelt worden.

Die interamerikanische Menschenrechtskommission bestätigt das Risiko der Straffreiheit in ihrem am 20. Januar veröffentlichten 150-seitigen Bericht und spricht von schwerwiegenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen. Die guatemaltekische Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchú hat schon früh gewarnt, dass andere Demokratien in der Region ebenfalls in Gefahr geraten, wenn sich die Putschisten in Honduras durchsetzen würden.

Leider ist festzustellen, dass die Verantwortlichen des Staatsstreichs in der Tat ihre Pläne erfolgreich umgesetzt haben: am 27. Januar übergab das Putschregime in Honduras die Regierungsgeschäfte an den Politiker Porfirio Lobo, ohne dass der rechtmäßige Präsident Manuel Zelaya noch einmal ins Amt eingesetzt worden wäre. Lobos "Kabinett der nationalen Einheit und Versöhnung" wird von den Parteien dominiert, die den Putsch gestützt haben. Lobo selbst hat die Menschenrechtsverletzungen unter dem Putschregime nie verurteilt, seine Fraktion hat die Ausnahmegesetze, die der Repression Tür und Tor geöffnet haben, voll unterstützt. Noch in der gleichen Woche erteilte das Parlament den Putschisten eine Generalamnestie, der Oberste Gerichtshof stellte das Verfahren gegen die Militärführung ein.

Gewählt wurde Ende November unter undemokratischen, gewaltsamen und intransparenten Bedingungen. Das Oberste Wahltribunal selbst musste im Nachhinein zugeben, dass es am Wahlabend falsche Zahlen zur Wahlbeteiligung veröffentlicht hatte. Dennoch hat sich die internationale Staatengemeinschaft in drei Lager gespalten: die US-Regierung und einige wenige lateinamerikanische Länder, die Lobo bedingungslos anerkennen; eine zweite Gruppe, zu der die EU gehört, die Bedingungen formuliert haben, aber die neue Regierung faktisch anerkennen, indem sie etwa zu Verhandlungen einladen; und schließlich eine dritte Gruppe der südamerikanischen Länder unter Führung Brasiliens, die der Regierung Lobo die Anerkennung verweigern.

Die nationale Menschenrechtsplattform, zu der auch FIAN Honduras gehört, hat klargestellt, dass sie die neue de facto Regierung als bruchlose Fortsetzung des Staatstreichs betrachten und daher nicht anerkennen wird. Wenn Lobo mit ihnen in einen ernsthaften Dialog eintreten will, dann muss er sicher zuerst die Menschenrechtsverletzungen der letzten Monate benennen, verurteilen und für Aufklärung sorgen. Ob er sich dafür entscheiden wird, darf bezweifelt werden. Ohne anhaltenden, massiven internationalen Druck besteht jedenfalls ein hohes Risiko, dass diese Verbrechen nie aufgeklärt werden und die Täter straffrei bleiben.


Martin Wolpold-Bosien, Zentralamerikareferent bei FIAN International. Er war kurz nach dem Putsch und kurz vor dem Wahlen mit internationaler Menschenrechtsdelegationen in Honduras.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2010, März 2010, S. 13
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2010