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BERICHT/238: Welternährung im Griff der Banken (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2011
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Im Griff der Banken
Angst vor der Finanzwelt verhindert echte Schritte gegen Spekulationen mit Nahrungsmitteln

von Roman Herre


Im Kontext eines zweijährigen Diskussionsprozesses zum Thema Welternährung veranstaltete der Agrarausschuss des Bundestages Ende Juni eine öffentliche Anhörung unter dem viel versprechenden Titel "Spekulationen mit Agrarrohstoffen verhindern". Es wurden umfassende wissenschaftliche Erkenntnisse vorgetragen, welche die enorm angestiegenen Finanzspekulationen im Agrarsektor als wichtigen Faktor für die jüngsten Preisanstiege und Preisschwankungen erklärten. Bei den geladenen ExpertInnen bestand Einigkeit darin, dass im Bereich der Spekulation mit Agrarrohstoffen außerhalb der Börse ("over the counter") umfassende Transparenz hergestellt werden muss. Weiterhin wurden moderate Regulierungen wie eine Erhöhung des Anteils der Einlage ("Margins") diskutiert. Ob die Börsen dieser Welt überhaupt eine geeignete Arena für die Steuerung der Welternährung sind, wurde nicht diskutiert.

Dennoch wurden interessante Thesen vorgebracht. Beispielsweise habe der Agrarsektor seine Sonderrolle in der Finanzwelt verloren. Lange Zeit wurde er von Investoren zur Absicherung riskanter Geschäfte in anderen Sektoren benutzt ("Hedging"), weil er nicht die gleichen konjunkturellen Ausschläge verzeichnete, wie Bereiche, die von Finanzspekulanten dominiert werden. Mittlerweile verhalte sich der Agrarsektor jedoch wie alle anderen Sektoren, weil Finanzspekulanten nun auch in diesem Bereich dominieren. Dies sei auch der Grund, warum einige Akteure wie Stanley Morgan oder die Deutsche Bank Gruppe nun vermehrt vom Handel mit Kaufoptionen in die realen Rohstoffmärkte umsteigen - sie kaufen physische Lagerbestände auf.

Alles in allem enttäuschte die Debatte, da sie weitgehend außerhalb des gesetzten Rahmens Welternährung und Hungerbekämpfung geführt wurde. Das Bewusstsein, dass diese Spekulationen die Ursache für die millionenfache Verletzung des Menschenrechts auf Nahrung sind, war nicht vorhanden. Die Angst vor der Reaktion des Finanzsektors auf harte Regulierungen schien weitaus größer als das Interesse, Preissprünge, die beispielsweise in 2008 über 100 Millionen Menschen in den Hunger getrieben haben, zu verhindern.


Roman Herre ist Agrarreferent bei FIAN Deutschland


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2011, August 2011, S. 7
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2011