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BERICHT/224: Das Recht auf Nahrung und Wasser im Klimawandel (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Abgebrannt, verdorrt und weggeschwemmt
Das Recht auf Nahrung und Wasser im Klimawandel

Von Wolfgang Sterk


Waldbrände in Russland, Überschwemmungen in Ostdeutschland, Pakistan und China - der Sommer 2010 gibt einen Vorgeschmack darauf, worauf wir uns einrichten können, wenn es nicht gelingt, den Klimawandel abzuschwächen. Zwar hängen solche extremen Wetterereignisse nicht direkt kausal mit dem Klimawandel zusammen. Aber es ist klar, dass durch die Klimaerwärmung die Anzahl solcher Ereignisse stark zunehmen wird.


Ganz banal: Je wärmer es ist, desto mehr Wasser verdunstet und muss dann irgendwann wieder runterkommen. Außerdem ist Wärme Energie, und mit je mehr Energie das Klimasystem angereichert ist, desto öfter und stärker die Entladungen. Ereignisse wie in Pakistan, wo mit einem Schlag zig Millionen Menschen die Existenzgrundlage entzogen wurde, werden in Zukunft immer häufiger vorkommen.

Aber auch die weniger spektakulären Folgen des Klimawandels werden drastische Auswirkungen haben. Durch steigende Temperaturen werden viele Sorten von Nahrungsmitteln in ihren bisherigen Anbaugebieten geringere Erträge erbringen. Einige werden dort gar nicht mehr angebaut werden können. Zudem führt der Klimawandel zu einer Verschiebung der Niederschlagsmuster. In vielen Regionen, in denen bereits heute wenig Niederschlag fällt, wird in Zukunft noch weniger fallen, mit entsprechenden Folgen für die Landwirtschaft und Wasserversorgung. Zudem werden bisher durch die Schneeschmelze im Sommer zahlreiche für die Trinkwasserversorgung zentrale Flüsse gerade in der trockensten Jahreszeit mit Wasser versorgt. Mit dem Abschmelzen der Gletscher verschwinden diese natürlichen Wasserreservoirs. Zudem führt der Anstieg des Meeresspiegels in Küstengebieten sowie auf den kleineren Inseln zur Versalzung von Grundwasser und Böden.

Diese Auswirkungen werden wir auch am eigenen Leibe spüren. So wird etwa für Ostdeutschland ein breitflächiges Austrocknen vorhergesagt. Die Auswirkungen werden jedoch in der tropischen und subtropischen Klimazone noch weit stärker ausfallen. Zudem verfügen viele der Menschen in den so genannten Entwicklungsländern nicht über die erforderlichen finanziellen und technischen Mittel, um sich an die bevorstehenden Klimaänderungen anzupassen.

Es wäre also dringend Eile geboten, um die Auswirkungen des Klimawandels noch auf ein einigermaßen beherrschbares Maß zu begrenzen. Aus den internationalen Menschenrechten ergibt sich die Staatenpflicht, rasch wirksame Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgase zu ergreifen, um weitere negative Auswirkungen der Erderwärmung auf den internationalen Menschenrechtsschutz zu vermeiden. Zudem ist es auch die Pflicht jedes einzelnen Staates, die auf seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und ihnen die Wahrnehmung eines Mindestmaßes der im Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte (WSK-Pakt) anerkannten Rechte zu gewährleisten, auch unter sich verändernden Klimabedingungen. Die meisten der so genannten Entwicklungsländer werden hierfür auf die internationale Zusammenarbeit angewiesen sein, auf die sich die Staatengemeinschaft in Art. 2 des WSK-Paktes und auch in der UN-Klimarahmenkonvention verpflichtet hat.

Rhetorisch haben sich alle großen Staaten in Nord und Süd inzwischen zu dem Ziel bekannt, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 2°C gegenüber dem vorindustriellen Wert zu begrenzen. Die am meisten verwundbaren Länder - die kleinen Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder - fordern sogar eine Begrenzung auf unter 1,5°C. Zum Vergleich: Bisher ist die globale Durchschnittstemperatur bereits um über 0,7°C gestiegen. Weitere 0,7°C sind bereits vorprogrammiert durch die Treibhausgase, die sich bereits in der Atmosphäre befinden, sich durch die Trägheit des Klimasystems aber noch nicht manifestiert haben. Und selbst mit der bisherigen Erwärmung erleben wir beispielsweise in der Arktis bereits eine Eisschmelze, die deutlich schneller voran geht als die Klimawissenschaft noch vor wenigen Jahren vorher gesagt hat.

Der Bremsweg ist also inzwischen sehr, sehr kurz. Der Anstieg der globalen Emissionen müsste bereits in den nächsten Jahren gestoppt und bis zur Jahrhundertmitte müssten die globalen Emissionen um bis zu 80 Prozent oder sogar noch mehr reduziert werden. Je länger wir noch warten, desto schärfer müssen hinterher die Reduktionen werden, um auf das gleiche Ergebnis zu kommen.

In der Praxis hat sich der Ausstoß der globalen Emissionen in den Jahren vor der derzeitigen Rezession noch erhöht. Momentan sorgt die Rezession für eine gewisse Pause beim Emissionsanstieg, diese wird jedoch schnell wieder in einen Anstieg umschlagen, wenn keine gezielten Maßnahmen ergriffen werden. Danach sieht es jedoch nicht aus. Der Klimagipfel in Kopenhagen ist gescheitert und auch für den nächsten Gipfel im Dezember im mexikanischen Cancun sind die Aussichten schlecht. Erst recht, seit vor kurzem die Verabschiedung eines Klimagesetzes in den USA bis auf weiteres gescheitert ist. Durch den Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen im November dürfte es in den USA auf Jahre keine Aussichten mehr für einen neuen Anlauf geben. Und ohne die USA ist fraglich, ob die anderen Hauptverschmutzer den Willen aufbringen werden, noch einmal ohne Washington voran zu gehen, wie sie es mit dem Kyoto-Protokoll getan haben.

Zudem sind die Reduktionsziele, die die Industrieländer bisher auf den Tisch gelegt haben, viel zu schwach, um das 2°C-Ziel oder gar das 1,5°C-Ziel in greifbare Nähe zu bringen. Auch sind selbst die ernannten Vorreiter wie die Europäische Union selbst eifrig bemüht, Schlupflöcher in diese Ziele zu bohren, noch bevor sie überhaupt verabschiedet sind. Wäre das, was in Kopenhagen auf dem Tisch lag, verabschiedet worden, wäre den Industrieländern sogar ein Anstieg ihrer Emissionen erlaubt worden.

Die Ursachen für dieses Zaudern sind nicht schwer auszumachen. Es fehlt schlicht an den nationalen Voraussetzungen, um international zu einem ehrgeizigen Abschluss zu kommen. Nicht nur in den USA, sondern in allen wesentlichen Ländern herrscht weiterhin die Auffassung vor, dass Klimaschutz eine wirtschaftliche Belastung ist und diese Last daher nur getragen werden kann, wenn alle anderen mittragen. Die Debatte wird dominiert von den alteingesessenen Industrien, die ihr Geld mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe verdienen, von der Kohle- bis zur Autoindustrie. Klimapolitik wird so zum Mikadospiel, bei dem der verliert, der sich zuerst bewegt.

Auch die Medien spielen nicht immer eine rühmliche Rolle. Kurz vor Kopenhagen sorgte, zeitgleich geschickt gesetzt, der angebliche Skandal um den Weltklimarat und gehackte E-Mails von Klimawissenschaftlern für wochenlange Schlagzeilen. Inzwischen wurden die Wissenschaftler durch mehrere unabhängige Untersuchungen von allen Vorwürfen freigesprochen, sie hätten bewusst die Fakten manipuliert.

Diese Ergebnisse waren den Medien jedoch deutlich weniger Aufmerksamkeit wert. Auch hat erst vor kurzem die US-Umweltbehörde in einem Beschwerdeverfahren alle Argumente der so genannten Klimaskeptiker in der Luft zerrissen und ihre Einschätzung aufrecht erhalten, dass der Klimawandel eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellt. Dennoch ist laut Umfragen die Zahl der Menschen, die nicht an den Klimawandel glauben, erheblich gestiegen.

Die internationale Politik findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist Ausdruck der jeweiligen Situation in den einzelnen Ländern. Greifbare Fortschritte wird es daher nur geben, wenn dem Druck von Seiten der fossilen Industrien ein noch größerer Druck aus allen Teilen der Gesellschaft entgegen gesetzt wird, von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften bis hin zu den Kirchen. Das Ergebnis der zukünftigen internationalen Konferenzen entscheidet sich in den lokalen Kämpfen gegen neue Kohlekraftwerke und daran, ob eine Mehrheit der Bevölkerung sich in Zukunft bereit findet, ihre Wahlentscheidungen wesentlich davon abhängig zu machen, welche Parteien am ernsthaftesten den Klimaschutz voran treiben.


Wolfgang Sterk ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender von FIAN Deutschland e.V.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2010, November 2010, S. 4-5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2011