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BERICHT/223: Gesicherte Ernährungsgrundlagen durch konsequent ökologische Landwirtschaft (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Drei Fliegen mit einer Klappe

Dorothee Häußermann


Der Agrarsektor erzeugt zwischen 32 und 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Trotz des massiven Einsatzes fossiler Ressourcen lässt die industrielle Landwirtschaft mehr als eine Milliarde Menschen hungern. Eine konsequent ökologische Landwirtschaft dagegen verursacht weniger Emissionen, hilft bei der Anpassung an den Klimawandel und sichert Ernährungsgrundlagen.


Spätestens seit dem Bio-Boom der letzten Jahre sind ökologische Lebensmittel in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen. Bei den entsprechenden Diskussionen stehen häufig Wellness-Fragen oder mögliche Schäden am eigenen Ego im Vordergrund. Doch Bio-Lebensmittel sind mehr als das LifeStyle-Produkt eines grünen Bildungsbürgertums. Eine ökologische, dezentral, organisierte Landwirtschaft kann eine Schlüsselrolle in der Bekämpfung der Krisen spielen, mit denen sich unsere Gesellschaft konfrontiert sieht.


Vermeidung

Die ökologische Landwirtschaft produziert, bezogen auf den Hektar Fläche, um 40 bis 60 Prozent weniger CO2-Emissionen als die konventionelle Landwirtschaft. Das liegt zum Beispiel daran, dass landwirtschaftlich-industrielle Betriebe mit einem hohen Einsatz von synthetischen Düngemitteln, Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln arbeiten, für deren Produktion viel Energie aufgewendet wurde. Die Einbringung dieser externen Inputs verhilft zwar kurzfristig zu höheren Erträgen, führt aber auf lange Sicht dazu, dass die Erde ihre natürliche Fruchtbarkeit verliert. Dreh- und Angelpunkt der ökologischen Landwirtschaft ist der Aufbau einer aktiven Humusschicht, die etwa durch abwechslungsreiche Fruchtfolgen, Bodenbedeckung und den Anbau von Pflanzen, die Nährstoffe in der Erde binden (zum Beispiel Kleegras) aufgebaut wird. Humushaltige Böden sind nicht nur fruchtbarer, sie haben auch die Fähigkeit, Kohlenstoff aus der Luft zu binden. Ebenso wie Wälder können sie also zu Senken werden.


Anpassung

Die Humusschicht spielt außerdem eine wesentliche Rolle für die Feuchtigkeitsregulierung. Sie verhindert Erosion und Auswaschungen bei starken Niederschlägen, da sie Flüssigkeit besser aufnehmen kann. In Dürrezeiten dient sie als Flüssigkeitsspeicher. Ökologische Anbauweisen sind daher wichtige Anpassungsmaßnahmen an die Wetterextreme, die im Zuge des Klimawandels zu erwarten sind. Dies zeigt auch eine Studie, die knapp 2.000 Höfe in Guatemala, Nicaragua und Honduras untersuchte, nachdem Hurrikan Mitch im Jahr 1998 in Zentralamerika Schäden im Wert von etwa 6,8 Milliarden US-Dollar verursacht hatte. Es stellte sich heraus, dass ökologische, biodivers bewirtschaftete Höfe, deren Land durch Terrassen oder Waldanteile befestigt war, durch die Katastrophe weniger Verluste erlitten hatten als ihre konventionellen Nachbarbetriebe. (1)


Ernährungssicherheit

Skeptiker wie der Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug wenden ein, dass eine ökologische Landwirtschaft die wachsende Weltbevölkerung nicht ernähren könne, weil sie weniger Erträge aufweise. (2) In der Tat führt der Verzicht auf Agrochemie in den gemäßigten Klimazonen zunächst zu geringeren Erträgen. Das westlich-industrielle Agrarmodell lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf andere Breitengrade übertragen. In den Tropen zum Beispiel sind aufgrund der Bodengüte die Erfolge, die durch synthetische Düngemitteln zu erzielen sind, begrenzt. Der Ökolandbau dagegen lässt sich mit den Methoden der KleinbäuerInnen dieser Regionen vereinbaren, da diese traditionell kaum externe Betriebsmittel anwenden. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass kleinbäuerliche Höfe in Asien, Lateinamerika und Afrika durch ökologische Anbaumethoden ihre Erträge und somit ihr Einkommen steigern konnten. (3) Der Weltagrarbericht von 2008 lässt keinen Zweifel daran, dass eben bei diesen KleinbäuerInnen der Schlüssel für die Bekämpfung sowohl der Hungerkrise als auch des Klimawandels liegt. Denn sie arbeiten effizient. Für jede Kilokalorie Energie, die sie in ihr Land investieren, erwirtschaften sie vier bis fünfzehn Kilokalorien Nahrung. Dagegen verbraucht die industrielle Landwirtschaft für die Produktion von einer Nahrungskalorie zehn bis zwanzig Energiekalorien. (4) Vom Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit gesehen handelt es sich also bei der industriellen Landwirtschaft ganz klar um ein Auslaufmodell. Die politische Weichenstellung muss im Norden wie im Süden auf extensiv wirtschaftende Betriebe ausgerichtet werden, wenn wir die Ressourcen dieses Planeten und somit unsere Ernährungsgrundlage erhalten wollen.

Dorothee Häußermann ist Mitglied im FIAN-Arbeitskreis Klima.


(1) Holt-Gimenez, Eric (2000). Hurrican Mitch Reveals Benefits of Sustainable Farming Techniques.
www.panna.org/print/1398

(2) Vgl. lunapark 7/2009; Seite 56

(3) Pretty, J./Hine, R. (2001). Reducing Food Poverty with Sustainable Agriculture. Final Report from the SAFE-World-Research Project, University Essex; Badgley, C. et. al (2006) Organic Agriculture and Global Food Supply.

(4) Vgl. Klimawandel und Landwirtschaft, Heinrich-Böll-Stiftung (2010), S. 11


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2010, November 2010, S. 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2011