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BERICHT/222: Zweifelhafte Klimazertifikate bedrohen Menschenrechte (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Zweifelhafte Klimazertifikate bedrohen Menschenrechte

Von Anton Pieper


Der als Emissionshandel bekannte Handel mit Klimazertifikaten ist wesentliches Instrument der Klimavereinbarungen von Kyoto zur Verminderung von CO2-Emissionen. Der Grundgedanke dabei ist, dass Länder, beziehungsweise Unternehmen, die die Klimaschutzvorgaben von Kyoto nicht erfüllen, Zertifikate aus Emissionsreduktionen in anderen Ländern erwerben können. Sie können entweder Zertifikate aus anderen Industrieländern erwerben, welche die Vorgaben übererfüllen und daher einen Überschuss an Zertifikaten haben, oder sie können in konkrete Projekte investieren, die Emissionen reduzieren. Doch sowohl aus klimapolitischer als auch aus menschenrechtlicher Sicht ist dieser Ablasshandel höchst umstritten.


Der umfangreichste dieser sogenannten flexiblen Mechanismen ist der Clean Developement Mechanism (CDM). CDM-Projekte ermöglichen es Industrieländern, ihre Emissionsreduktionsziele teilweise über Investitionen in den Ländern des globalen Südens zu erreichen. Dies geschieht über die Investition in 'klimafreundliche' Projekte, wie den Bau von Windparks oder Biomassekraftwerken. Für jede so eingesparte Tonne CO2 erhalten die Investoren ein Zertifikat, welches sie sich bei der Erfüllung ihrer Reduktionsverpflichtungen anrechnen lassen dürfen.

Das größte klimapolitische Problem von CDM-Projekten besteht in der Frage der 'Zusätzlichkeit'. Nach den Regeln des CDM dürfen Zertifikate nur für solche Projekte und Emissionsminderungen ausgestellt werden, die ausschließlich auf Grund des CDM durchgeführt werden, also zusätzlich im Vergleich zur Situation ohne den CDM durchgeführt werden. Wenn Emissionen im Norden durch Projekte im Süden 'ausgeglichen' werden, die auch ohne den CDM durchgeführt worden wären, steht den Emissionen im Norden keine echte Emissionsreduktion im Süden gegenüber, sondern es ist eine 'Luftbuchung'.

Doch Organisationen wie CDM-Watch prangern seit Jahren an, dass es zu Emissionssteigerungen kommt, da mindestens 40 Prozent der genehmigten Projekte auch ohne den CDM durchgeführt worden wären. In einigen Fällen werden sogar Emissionen zuerst künstlich gesteigert, um dann wieder gewinnbringend gesenkt zu werden. Wie kann beispielsweise verhindert werden, dass bei einer Mülldeponie die Emissionen künstlich hochgefahren werden, nur um Zertifikate zu generieren? Viele Klima- und Umweltschutzorganisationen fordern daher aufgrund der durch die CDM-Projekte erhöhten CO2-Emissionen eine Abschaffung der CDM-Maßnahmen. Doch leider gehen sowohl die europäischen als auch die internationalen Verhandlungen zu CDM trotz jüngster Skandale in die andere Richtung: der CDM soll weiter ausgebaut werden.


Fragwürdiger Klimaschutz auf Kosten der Menschenrechte

Auch gibt es dokumentierte Fälle, in denen CDM-Projekte auf Kosten von Menschenrechten durchgeführt werden. So kam es beim auch von der Deutschen Bank finanzierten chinesischen Staudammprojekt Xiaogushan zu massenhaften Zwangumsiedlungen. Doch auch kleinere, sogenannte klimafreundliche Projekte, zum Beispiel in der Agrotreibstoff-Branche, machen negative Schlagzeilen. In Mosambik beanspruchen europäische Unternehmen (darunter die deutsche Firma Elaion AG) für den Anbau von Jatropha bereits ein Siebtel der gesamten für den Ackerbau geeigneten Fläche - mit dramatischen Folgen für die lokale Bevölkerung. Die Preise für Grundnahrungsmittel steigen, Beschäftigungsmöglichkeiten sinken und in vielen Fällen ist der Zugang zu Land und Trinkwasser gefährdet. (1) Großprojekte des Klimaschutzes haben also oft gravierende menschenrechtliche Folgen und sind daher nicht nur aufgrund der klimapolitischen Verfehlungen des Emissionshandels höchst fragwürdig.


Klimagerechtigkeit garantieren

Durch den CO2-Handel kommt es zu einer Verschiebung des Prinzips der Klimagerechtigkeit, da die Verschmutzer im Norden weiterhin hohe Emissionsmengen emittieren können, wenn sie in anderen Ländern Emissionen reduzieren. Zwei zentrale Forderungen sind daher, diesen Handel zumindest transparent und unter Mitbestimmung der lokalen Bevölkerungen zu gestalten. Konkret heißt das, dass der Bevölkerung im Süden solche Projekte nicht aufgezwungen werden dürfen und dass auch die zeitliche Steuerung von Projekten nicht den Verschmutzern aus dem Norden überlassen wird. Die Durchführung der Projekte muss darüber hinaus angepasst und dezentral sein. Naheliegen würde eine Orientierung am CDM Gold Standard (2). Dieses von Umweltorganisationen geschaffene Label soll die Nachhaltigkeit der Projekte sicher stellen. Jedoch ist es bisher rein freiwillig und wird daher nur selten verwendet. Das Hauptaugenmerk der meisten Käufer aus dem Norden liegt einzig darauf, möglichst kostengünstig Zertifikate zu erwerben.


Forderungen an die Bundesregierung

Hier ist auch die deutsche Politik gefordert. Die Bundesregierung muss sich auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass die Mechanismen und Maßnahmen zur Emissionsminderung menschenrechtskonform gestaltet werden. Außerdem sollte sie dafür sorgen, dass die Möglichkeit zur Nutzung von CDM-Zertifikaten nach derzeitigem Standard innerhalb des Europäischen Emissionshandelssystems eingedämmt wird.

Anton Pieper ist Refernet für Klimawandel und Menschenrechte bei FIAN Deutschland e.V.

Anmerkungen:
(1) http://www.foeeurope.org/agrofuels/FoEE_Africa_up_for_grabs_2010-Map-Tables.pdf
(2) http://www.cdmgoldstandard.org/


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2010, November 2010, S. 9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2010