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BERICHT/156: Dem Recht sich zu beschweren ein Stück näher gekommen (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Dem Recht sich zu beschweren ein Stück näher gekommen

Von Ute Hausmann


Anfang Februar 2008 tagte in Genf die Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Beschwerdeverfahrens zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Deutschland sprach sich erstmals seit Beginn der FIAN-Kampagne für ein Zusatzprotokoll im Jahr 1991 für ein umfassendes Beschwerdeverfahren aus. Österreich votierte weiter für Einschränkungen. Trotz offener Fragen scheint es inzwischen realistisch, dass die Verhandlungen im April zum Abschluss kommen.


Anfang der 90er Jahre startete ElAN eine Kampagne mit dem Ziel, Opfern von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit zu geben, bei des Vereinten Nationen Beschwerden einzureichen, wenn Rechte, die im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte garantiert sind, verletzt wurden. Erste Erfolge zeigten sich 1993, als die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz in ihrer Abschlusserklärung die Erarbeitung eines entsprechenden Zusatzprotokolls zum Pakt ins Auge fasste. Es dauerte jedoch zehn weitere Jahre bis die UN-Menschenrechtskommission eine Arbeitsgruppe interessierter Staaten damit beauftragte, grundsätzlich über ein Zusatzprotokoll zu diskutieren. Erst im Sommer 2007 kam es zu einer ersten Verhandlungsrunde auf Grundlage eines Textentwurfs.


Mehrheit für umfassendes Beschwerdeverfahren

Anfang Februar fand nun die zweite Verbandlungsrunde statt, im April folgt eine weitere. Danach läuft das aktuelle Mandat der Arbeitsgruppe aus, so dass angestrebt wird, die Verhandlungen im April zu Ende zu bringen. Das Zusatzprotokoll würde dann durch den UN-Menschenrechtsrat und durch die UN-Generalversammlung verabschiedet werden, bevor es zur Ratifizierung durch die Staaten ausgelegt wird. Menschen, deren Rechte durch Staaten verletzt wurden, die den Pakt und das Zusatzprotokoll ratifiziert haben, können dann beim UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte eine Beschwerde einreichen. Wie genau das funktionieren soll, wird in den Verhandlungen heiß debattiert. An erster Stelle steht dabei die Frage, ob alle im Pakt garantierten Rechte Gegenstand von Beschwerden sein sollen, oder ob Staaten bei der Ratifizierung entscheiden können, dass zum Beispiel das Recht auf Arbeit ausgeschlossen sein soll Ein entsprechender Ansatz findet sich in der Europäischen Sozialcharta des Europarats. Im Februar sprach sich eine deutliche Mehrheit nun für einen umfassenden Ansatz aus. Eine besonders positive Entwicklung ist, dass sich auch Deutschland zu einem umfassenden Ansatz bekannt hat. Noch bei der Sitzung im Sommer letzten Jahres hatte Deutschland sich für einen 'à-la-carte'-Ansatz stark gemacht. Zwischen den beteiligten Ministerien in Bonn und Berlin gab es noch im Januar ein Ringen darum, welche Position vertreten werden soll. Österreich gehört zu der Minderheit von Staaten, die weiterhin an einem 'à-la-carte'-Ansatz festhält. Nach Ansicht der österreichischen Regierung sollen die Staaten bei der Ratifizierung entscheiden, ob sie bestimmte Rechte von Beschwerden ausschließen wollen. Nicht davon betroffen sein soll das Diskriminierungsverbot.


Rolle von NRO und UN-Ausschuss umstritten

Zu den offenen Fragen, die im April behandelt werden müssen, gehört, welche Rolle den Nichtregierungsorganisationen (NRO) im Beschwerdeverfahren zugestanden wird. So scheint zwar unstrittig zu sein, dass NRO im Auftrag von Opfern von Menschenrechtsverletzungen Beschwerden einreichen dürfen. Umstritten ist jedoch zum Beispiel, ob NRO offizielle Expertenmeinungen zu eingereichten Beschwerden abgeben dürfen. Insbesondere die afrikanischen Staaten und China haben ein Interesse daran, dass die NRO keine bedeutende Rolle erhalten. Auch die Rolle des UN-Ausschusses, der die Beschwerden bearbeiten soll, ist weiter Gegenstand der Diskussion. So versuchen einige Staaten, allen voran die USA, den Auslegungsspielraum des Ausschusses von vornherein durch Bestimmungen im Zusatzprotokoll zu beschneiden. Auch Österreich schwimmt hier mit und fordert weitgehende Freiräume der Staaten bei der Umsetzung der im Pakt garantierten Rechte.


Die Autorin ist Grundsatz-Referentin bei FIAN-Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2008, S. 15
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2008