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BERICHT/127: Nationale Armutsbekämpfungsstrategiepapiere der Weltbank (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Nationale Armutsbekämpfungsstrategiepapiere der Weltbank - mehr als Rhetorik?

Peter Lanzet


Schuldenerlass gegen Armutsbekämpfung. Das schien Ende der 1990er Jahre eine logische Weiterentwicklung der bisher verordneten Konditionalitäten, die die Weltbank den Entwicklungsländern für die Vergabe günstiger Kredite und Zuschüsse auferlegte. Beim G8-Treffen in Köln 1999 wurden die 'Poverty Reduction Strategy Papers' ('PRSP') dann genutzt, um den Schuldenerlass mit der Armutsbekämpfung zu verknüpfen. Heute sind die 'PRSP' definitiv mehr als Rhetorik. Sie haben der Armutsbekämpfung und der Beteiligung der Zivilgesellschaft einen höheren Stellenwert gegeben.


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Entwicklungsländer können fast nichts alleine entscheiden. Ob Land-, Forst- oder Infrastrukturpolitik - immer redet ein Geldgeber mit. Auch die Armutsbekämpfungsstrategien wurden deshalb oftmals als von außen aufgezwungen empfunden und abgelehnt. Mit Einführung der 'PRSP' sollten die Entwicklungsländer die Strategien und Dreijahresplanungen selbst ausarbeiten und bei der Weltbank vorlegen. Etwa 60 Entwicklungsländer haben solche 'PRSP' ausgearbeitet. Tansania, Ghana, Bolivien, Uganda und viele andere bereits zweimal, einschließlich jährlicher Fortschreibungen und Evaluierungen verschiedener Sektoren.

Mit den 'PRSP' stehen die Chancen besser, dass die Entwicklungsländer den nationalen Entwicklungsweg selbst steuern, vorausgesetzt sie können eine Tischrunde voller Gebervertreter überzeugen. Diese haben in der Pariser Erklärung 2005 zugesagt, ihre Förderung auf die Verwirklichung der Ziele des nationalen 'PRSP' zuzuschneiden. Die Weltbank konnte sich mit der Einführung der 'PRSP' vom Image einer neo-liberalen, menschenrechtsfeindlichen Bank, das sie sich mit ihrer brutalen Privatisierungs- und Liberalisierungspolitik seit den 1980er Jahren erworben hatte, ein Stück weit entfernen. Mit den 'PRSP' wurde anerkannt, dass Armutsbekämpfung und Entwicklung nicht nur Investitionen in die Wirtschaft brauchen, sondern dass auch wieder mehr staatliche Maßnahmen im Ernährungs-, Bildungs-, Gesundheit-, Infrastrukturbereich, etc. notwendig sind.

Ebenfalls Balsam für das schlechte Image der Weltbank war, dass bei der Erarbeitung der 'PRSP' die Zivilgesellschaft eines Landes beteiligt sein soll. Dies geschah wohl auch mit dem Hintergedanken, sie als Wachhunde für korrupte Regierungen einzusetzen. Die nationalen Parlamente übersah man jedoch. In der ersten Phase der Entwicklung und Formulierung der nationalen 'PRSP' funktionierte die Partizipation der Zivilgesellschaft nur ausnahmsweise. Wenn überhaupt, dann konsultierten Regierungen ausgewählte, politisch genehme NROs und Unternehmer- und Standesverbände. Die NROs empfanden die 'PRSP' lange Zeit als eine weitere Auflage zum Erhalt von Entwicklungshilfe. Erst allmählich fanden sie sich bereit, von den Chancen der 'PRSP' für eine Politik der Armutsreduzierung Gebrauch zu machen. In vielen Entwicklungsländern haben sich seither engere Kooperationsformen von Regierung und Zivilgesellschaft etabliert. In Kamerun, Uganda, Ruanda und Mali haben Regierungen die Zivilgesellschaft zur Mitarbeit in Komitees eingeladen. Hier wird geplant, Mittel werden verteilt, durchgeführte Maßnahmen werden bewertet.

NROs können ihre Standpunkte nur durchsetzen, wenn sie gut organisiert und vorbereitet sind. Bei Bildung, Gesundheit oder ländlicher Entwicklung stoßen sie zumeist auf offene Ohren bei den Regierungen. Kaum Zugang gewährt man ihnen zu Politikbereichen, die verteilungspolitisch sensibel sind, wie die Steuer-, Finanz- oder Energiepolitik. Aber in diesen Politikbereichen müssen sie sich Gehör verschaffen, wenn sie strukturelle Veränderungen durchsetzen wollen. Dazu ist es nötig, die Beteiligungsbasis zu verbreitern, also die Kenntnis über die Möglichkeiten der 'PRSP' über die nationalen Zentren hinaus zu erweitern und ihnen auch auf dem Land eine Basis zu schaffen. In den Distrikten haben aber erst wenige Akteure der Zivilgesellschaft oder der Behördenmitarbeiter von den 'PRSP' gehört. Trotz dieser Defizite: die 'PRSP' sind definitiv mehr als Rhetorik. Sie haben der Armutsbekämpfung einen besseren Stellenwert gegeben. NRO-Plattformen und -Netzwerke in Ländern wie Äthiopien, Mali oder Malawi treten jetzt mit der Regierung über Fragen der nationalen Politik in einen Dialog ein, was zuvor undenkbar gewesen war.

Der Autor ist Referent für Entwicklungspolitik beim Evangelischen Entwicklungsdienst (EED)


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2007, März 2007, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2007