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AKTION/121: Kolumbien - Gewaltsame Vertreibung von Bauern-Familien im Department Bolívar (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Urgent Action - Eilaktion
Oktober 2009 - 0913 ACOL

Kolumbien: Gewaltsame Vertreibung von Bauern-Familien im Department Bolívar


Im Jahr 1997 besetzen landlose Bauern das unter dem Namen "Las Pavas" bekannte Landstück. Später gründeten sie die Vereinigung der Landbewohner von Buenos Aires (ASOCAB). Die Ländereien, welche sich im Besitz von Jesús Emilio Escobar Fernández befanden, lagen seit 1992 brach. Die Familien ließen sich dort nieder und begannen, auf Teilen des brach liegenden Landes Landwirtschaft zu betreiben. Im Jahr 2003 drangen Paramilitärs des Bloque Central Bolívar in die Region ein. Sie bedrohten die Bevölkerung, ließen Menschen verschwinden und ermorden, zerstörten Häuser und töteten das Vieh. Weil der Staat den Familien keinerlei Schutz vor diesen brutalen Übergriffen gewährte, waren sie schließlich gezwungen, das Land zu verlassen. Zwischen 2004 und 2006 irrten die Familien ziellos umher. Da sich ihnen keine alternativen Überlebensmöglichkeiten eröffneten, entschlossen sich die Familien trotz des allgemeinen Klimas des Schreckens in dieser Region, das Grundstück auf eigenes Risiko und ohne jegliche Garantien erneut zu besetzen und ihre landwirtschaftlichen Tätigkeiten fortzusetzen.

Die ASOCAB wandte sich 2006 an das Kolumbianische Institut für Ländliche Entwicklung (INCODER) und berief sich für die besetzten 1235,5 Hektar Land auf den Artikel 52 des Gesetzes 160 von 1994, nachdem brachliegendes Land enteignet werden kann, wenn es von seinem Besitzer verlassen wurde und nicht genutzt wird. Beamte des INCODER führten daraufhin im Juni 2006 Untersuchungen durch und stellten dabei die regelmäßige landwirtschaftliche Nutzung der Anbauflächen durch die Bauerngemeinschaft der ASOCAB fest.

In Kenntnis der von ASOCAB initiierten Schritte überfiel der Eigentümer der Ländereien Ende 2006 mit bewaffneten Männern das Grundstück und drohte den Familien, sie umzubringen für den Fall, dass sie das Grundstück nicht räumen würden. Wenige Tage nach diesen Drohungen steckten Einheiten des Bloque Central Bolívar Wohnungen der Familien in Brand, brachten Vieh um und zwangen die Familien erneut zur Flucht.

Kurz nach der erneuten Vertreibung verkaufte Herr Escobar Fernández im März 2007 das besagte Grundstück an die Unternehmen C.I Tequendama S.A und Aportes San Isidro S.A. Beide Unternehmen widmen sich dem Ölpalmenanbau in der Region und sind Mitglieder des Nationalen Bundes der Ölpalmenzüchter von Kolumbien (Fedepalma). C.I. Tequendama ist eine Tochtergesellschaft der Gruppe Agroindustrial Daabon Organic, die landwirtschaftliche Produkte wie Kaffee, Bananen, Zucker und Palmöl erzeugt und unter anderem nach Japan, Korea, Deutschland, Belgien, ins Vereinigte Königreich und in die Vereinigten Staaten exportiert.

Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse beschloss die Nationalbehörde UNAT (Unidad Nacional de Tierras) in ihrer Resolution 1473 vom 11. November 2008 die amtlichen Schritte einzuleiten, um zu klären, ob Herrn Escobar Fernández das Besitzrecht über die als Las Pavas, Penaloza und Si Dios Quiere bekannten Grundstücke ganz oder teilweise verweigert werden solle. In Anbetracht dieser Sachlage und in Erwartung der staatlichen Entscheidung beschlossen die 123 Familien, auf das Grundstück zurückzukehren.

Im Januar 2009 reichten die Unternehmen C.I. Tequendama S.A und Aportes San Isidro S.A., eine Klage ein, um die polizeiliche Vertreibung der Familien von den Grundstücken zu erreichen, welche sich nun unrechtmäßig in ihrem Besitz befanden. Die Polizei-Inspektion der Gemeinde El Peñon teilte den Familien von ASOCAB in ihrer Resolution Nr. 003 vom 25. Februar 2009 mit, sie hätten die Besetzung zu beenden und gab den Befehl zur Räumung. Die Anwältinnen von ASOCAB gingen gerichtlich gegen diese Resolution vor und erreichten zunächst einen Aufschub. Die Unternehmen erhoben Einspruch gegen die Entscheidung des Richters. Der Einspruch war erfolgreich, so dass die gewaltsame Räumung am 14. Juli 2009 in die Tat umgesetzt wurde.

Der Räumungsbefehl war gesetzwidrig, da das kolumbianische Gesetz (Artikel 5, Dekret 747 von 1992) die Vertreibung von Bewohnern von Grundstücken verbietet, welche Gegenstand eines laufenden amtlichen Enteignungsverfahrens sind. Momentan sind die Familien ihrer Lebensgrundlagen beraubt und erhalten nur unregelmäßig humanitäre Hilfe. Die Anwältinnen von ASOCAB versuchen zur Zeit, die Entscheidung der Gerichte zu widerrufen, welche die Räumung möglich machte.


Zusammenfassung

Am 14. Juli 2009 wurden im Süden des kolumbianischen Departments Bolívar 123 Familien gewaltsam von ihrem Land vertrieben. Das Landstück, bekannt unter dem Namen Las Pavas, liegt im Bezirk Buenos Aires der Gemeinde El Peñon. Die kolumbianische Polizei drang unterstützt von Spezialeinheiten in die Dorfgemeinschaft ein, zerstörte die Wohnungen von sieben Bauernfamilien, plünderte die Gerätschaften, und vertrieb die Menschen, unter denen sich annähernd 100 Kinder befanden. Seither sind die Familien schutzlos ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Die gewaltsame Vertreibung und der fehlende Zugang zu Land verletzen das Recht auf Nahrung dieser Familien.


Das Mandat des Emergency Network

Kolumbien ist ein Unterzeichnerstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Aus diesem Grund ist jede staatliche Instanz verpflichtet, die Rechte der gesamten Bevölkerung zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten. Die durch diese Familien erlittene gewaltsame Vertreibung ist eine Verletzung ihres Rechts auf Nahrung und angemessene Unterkunft. Der kolumbianische Staat hat des weiteren seine Schutzpflicht vernachlässigt, indem er nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriff, um die Opfer vor den Übergriffen zu schützen, die darauf abzielten, die Familien von dem besagten Land zu vertreiben. Die Opfer haben erklärt, dass es der Anwalt der in den Streit involvierten klagenden Unternehmen war, der bei der Zwangsräumung Regie führte.

Der kolumbianische Staat verletzt seine Pflicht, das Recht auf Nahrung sicherzustellen, weil er keine Maßnahmen ergriffen hat, um den Zugang dieser Familien zu Land zu ermöglichen und dessen Eigentumsrechte zu sichern, welches ihnen ermöglicht, sich zu ernähren.


Aktion

Schicken Sie bitte einen Brief an den kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe, in dem Sie ihn ersuchen, die unmittelbare Rückkehr der Familien auf ihr Land zu gewährleisten, eine Entschädigung für die erlittenen Schäden durchzusetzen sowie sofortige Unterstützung zu gewähren. Senden Sie eine Kopie Ihres Briefes an die nationale Ombudsstelle (Defensoría del Pueblo) und an die Vereinigung der Landbewohner von Buenos Aires (ASOCAB).

Laufzeit
Beginn: 02.11.2009 / Ende: 08.01.2010

Adressaten der Aktion:
Dr. Alvaro Uribe Vélez
Presidente de la República de Colombia
Carrera 8, No. 7-26
Palacio de Nariño
Santafé de Bodgotá - Columbien
Fax: +57 1-337 5890

Kopien an:
Kolumbien Defensoría del Pueblo
Calle 55 Nr. 10-32
Bogotá - Columbien
Fax: +57 1 640 04 91

ASOCAB
axocab2009@hotmail.com


*


Übersetzung des Musterbriefs


Sehr geehrter Herr Präsident,

ich habe beunruhigende Nachrichten erhalten, wonach am 14. Juli diesen Jahres 120 Familien gewaltsam vertrieben wurden, die auf dem Landstück "Las Pavas" im Bezirk Buenos Aires, Gerichtsbezirk der Gemeinde El Peñón im Süden des Departements Bolívar lebten. Mitglieder der kolumbianischen Polizei und von Spezialeinheiten griffen die Gemeinschaft an, zerstörten 7 Wohnungen der Bauernfamilien, plünderten die Gerätschaften und vertrieben die Familien, darunter auch annähernd 100 Kinder.

Diese Bauernfamilien, die sich zur Vereinigung der Landbewohner von Buenos Aires (ASOCAB) zusammengeschlossen haben, besetzten 1997 das Landstück "Las Pavas", das seit 1992 verlassen und ungenutzt war. Die Familien haben seitdem das Land friedlich vereinnahmt und bewirtschaftet. Diese friedliche Landbesetzung durch die Familien wurde mehrfach durch Einschüchterungsversuche und gewaltsame Vertreibungen seitens paramilitärischer Gruppen beeinträchtigt. Die ASOCAB wandte sich 2006 an das Kolumbianische Institut für Ländliche Entwicklung (INCODER) und forderte, dass 1235,5 Hektar des besetzten Landes enteignet werden sollen, da es von seinem Besitzer verlassen wurde und brachliegt. Die Nationalbehörde UNAT (Unidad Nacional de Tierras) beschloss in ihrer Resolution 1473 vom 11. November 2008, die amtlichen Schritte einzuleiten, um zu klären, ob das Besitzrecht des ursprünglichen Eigentümers über die als Las Pavas, Peñaloza und Si Dios Quiere bekannten Grundstücke ganz oder teilweise widerrufen werden solle.

Als dieses Verfahren im Jahr 2007 eingeleitet wurde, verkaufte der Eigentümer das Land an die Unternehmen C.I. Tequendama S.A. und Aportes San Isidro S.A. Im Januar 2009 reichten diese Unternehmen eine Klage ein, um die polizeiliche Vertreibung der Familien von den Grundstücken zu erreichen, welche sich nun angeblich unrechtmäßig in ihrem Besitz befanden. Die gewaltsame Räumung wurde am 14. Juli 2009 in die Tat umgesetzt.

Kolumbien ist Unterzeichnerstaat des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Die gewaltsame Vertreibung dieser Familien stellt eine Verletzung ihres Rechts auf angemessene Nahrung und angemessene Wohnung dar. Der kolumbianische Staat hat des Weiteren seine Schutzpflicht vernachlässigt, indem er nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um die Opfer vor den Übergriffen Dritter zu schützen, die darauf abzielten, die Familien von dem besagten Land zu vertreiben. Der kolumbianische Staat verletzt seine Verpflichtung, das Recht auf Nahrung zu gewährleisten, weil er keine Maßnahmen ergriffen hat, um den Zugang dieser Familien zu Land endgültig zu gewährleisten und deren Besitzrechte zu sichern, so dass sie sich ernähren können.

Als Person, die sich weltweit für das Menschenrecht auf Nahrung einsetzt, möchte ich Sie bitten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um:

sicherzustellen, dass die Familien das fragliche Land wieder in Besitz nehmen können, bis das anhängige juristische Verfahren abgeschlossen ist, und hierfür die erforderlichen Maßnahmen bei den verantwortlichen Behörden einzuleiten;
die entsprechenden laufenden Verfahren zu beschleunigen, um den Eigentumsanspruch am Landstück "Las Pavas" zu widerrufen, und zu gewährleisten, dass den Familien über diese oder andere Landstücke der Zugang zu landwirtschaftlichen Nutzflächen zur Verfügung gestellt wird;
die Familien für die Zerstörung ihrer Wohnungen und die Schäden zu entschädigen, die bei ihrer Vertreibung durch die Polizeikräfte entstanden waren;
Soforthilfemaßnahmen für die vertriebenen Familien, insbesondere die Kinder, Schwangeren und älteren Menschen einzuleiten.


Hochachtungsvoll


*


Dr. Alvaro Uribe Vélez
Presidente de la República de Colombia
Carrera 8, No. 7-26
Palacio de Nariño
Santafé de Bodgotá - Columbien
Fax: 00 57 1-337 5890


Excelentísimo Señor Presidente,

he recibido noticias de que el pasado 14 de julio 120 familias asentadas en el predio rural conocido como Las Pavas, ubicado en el corregimiento de Buenos Aires, jurisdicción del municipio de El Peñón, al sur del departamento de Bolívar, fueron desalojadas forzosamente. Miembros de la Policía Nacional y del Escuadrón Móvil Antidisturbios, incursionaron en la comunidad, destruyeron 7 viviendas de las familias campesinas, saquearon sus enseres, y procedieron a desalojar a las familias, entre las cuales se encontraban aproximádamente 100 niños/as.

Estas familias campesinas que conforman la Asociación de Campesinos de Buenos Aires (ASOCAB) entraron a ocupar en 1997 la finca Las Pavas cuyas tierras se encontraban abandonadas desde 1992. Las familias ejercieron actos de posesión pacífica y explotación agrícola de las tierras desde entonces. La posesión pacífica de las tierras por parte de estas familias se vió interrumpida varias veces debido a acciones intimidatorias y desplazamiento forzado causado por grupos paramilitares. ASOCAB inició en el 2006 trámites ante la oficina Regional del Instituto Colombiano de Desarrollo Rural (INCODER) solicitando que se declarase la Extinción de Dominio sobre una extensión de tierra aproximada de 1.235,5 hectáreas, toda vez que las mismas se encontraban abandonadas e inexplotadas por parte de su propietario. La Unidad Nacional de Tierras - UNAT, mediante la Resolución 1473 del 11 de Noviembre de 2008, decide iniciar las diligencias administrativas tendientes a declarar o no extinguido, en todo o en parte, el derecho de dominio privado sobre los predios rurales denominados Las Pavas, Peñaloza y Si Dios Quiere.

Al mismo tiempo que se hacían estos trámites, el propietario del predio vendió las tierras en cuestión, en 2007 a las empresas C.I. Tequendama S.A y Aportes San Isidro S.A. En enero de 2009, estas empresas iniciaron una querella para solicitar una acción policiva de desalojo en contra de las familias y a favor de la posesión por ellos detentada. El desalojo forzoso se hizo efectivo el 14 de julio del 2009.

Colombia es Estado Parte del Pacto Internacional de Derechos Económicos, Sociales y Culturales así como del Pacto Internacional de Derechos Civiles y Políticos. El desalojo forzoso sufrido por estas familias es una violación al derecho a la alimentación y a la vivienda adecuadas. El Estado Colombiano también ha infringido su obligación de protección, por cuanto no adoptó las medidas adecuadas para proteger a las víctimas de las acciones adelantadas por terceros para desplazar de la hacienda a las familias. En la medida en que el Estado no ha adoptado las medidas para asegurar definitivamente el acceso y la tenencia segura de estas familias a tierras que les permitan alimentarse, el Estado está incumpliendo su obligación de facilitar el derecho a la alimentación. Como persona que trabaja a nivel internacional por el derecho humano a alimentarse, quisiera solicitar que tome todas las medidas necesarias para:

Garantizar que las familias puedan retornar a las tierras en disputa, hasta que se defina el proceso judicial pendiente, adoptando las medidas necesarias ante las autoridades correspondientes.
Agilizar los trámites correspondientes a la extinción de dominio sobre el predio Las Pavas que se encuentran en curso; y garantizar a través de éstas u otras tierras el acceso de las familias a tierras para cultivo.
Indemnizar a las familias por la destrucción de sus viviendas y por los daños causados por los miembros de la fuerza pública durante el desalojo.
Brindar asistencia inmediata a las familias desalojadas, especialmente a los/as niños/as, las mujeres embarazadas y los/as adultos/as mayores.

Atentamente,


*


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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2009