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AFRIKA/033: Umstrittene Investitionsprojekte in Kenia (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Warten auf die Qataris
Umstrittene Investitionsprojekte in Kenia

Von Ralf Leonhard


Mitapanai ist kein richtiges Dorf. Die aus 78 Haushalten bestehende Siedlung dürfte es gar nicht geben. Zumindest nicht dort, wo sie steht. Frau Mariam Abdalla rechnet jeden Tag mit einem Brief der staatlichen Tana and Athi River Development Authority (Tarda), die das fruchtbare Land im Delta des Tana Flusses verwaltet. Denn demnächst soll hier großflächig Zuckerrohr angebaut werden - für Agrosprit.


Die Bauern sind schon 1991 einmal vertrieben worden. Tarda zahlte ihnen damals eine kleine Entschädigung und siedelte sie in einer nahe gelegenen Senke außerhalb des Projektgebiets an. Dort kommt zweimal im Jahr das Hochwasser, erzählt Frau Abdalla. Seit dem Klimaphänomen El Niño im Jahre 1997 spielt das Wetter verrückt. Jedes Mal wenn die Äcker überschwemmt werden, geht die Ernte verloren. Deshalb zog das ganze Dorf wieder um und ließ sich am Rande des Projektgebietes nieder. Hier lebt man von prekärer Subsistenzwirtschaft.

Das Delta des Tana ist das wahrscheinlich fruchtbarste Gebiet Kenias. Seit Menschengedenken ist es von Kleinbauern besiedelt. Nomadisierende Hirtenstämme kommen in der Trockenzeit hierher, um ihre Herden auf dem saftigen Grasland weiden zu lassen. Bisherige Bemühungen, das Land mit Großprojekten in den Dienst der nationalen Entwicklung zu stellen, sind gescheitert. Ein halb verfallene Reismühle zeugt noch von einem Versuch, eine Reismonokultur aufzuziehen.

In Dorf Tarasaa, der mit 5.000 Einwohnern größten Siedlung im Delta, kann man es kaum erwarten, dass die Zuckerplantagen angelegt werden. "Wir freuen uns sehr, denn das Projekt wird die Wirtschaft beflügeln", berichtet David Magasani Nahori, einer der Dorfältesten. Allerdings ist er verunsichert, weil man schon so lange nichts mehr vom Zuckerkonzern Mumias gehört hat, der hier investieren will. Der hat Arbeitsplätze versprochen und will Schulen und Kliniken bauen. Mehrere Anführer der betroffenen Gemeinden seien von Mumias zu einem zweitägigen Seminar eingeladen und dort für das Projekt "sensibilisiert" worden, weiß Magasani. Wenig Konkretes wisse man hingegen über eine Großinvestition des Emirats Qatar, das im Delta Gemüse für die eigene Bevölkerung anbauen wolle.

Seit Präsident Mwai Kibaki im vergangenen Dezember mit dem Emir von Qatar ein Abkommen geschlossen hat, kursieren Gerüchte über die bevorstehende Großinvestition. Die Qataris würden den verschlafenen Hafen von Lamu zu einem Exporthafen ausbauen. Im Gegenzug sollen sie 40.000 Hektar Land für den Gemüseanbau im Tana-Delta bekommen, berichtete damals die Presse. Nähere Details des Deals sind auch in Regierungskreisen nicht in Erfahrung zu bringen. Sunya Orre, der den Bereich Nahrung und Ernährungspolitik einer interministeriellen Einheit koordiniert, will über die "wahren Dimensionen" des Vorhabens keine Angaben machen.

Die Großinvestition ist im Rahmen eines Wachstumsplans der Regierung zu sehen. Vision 2030, eine im Vorjahr lancierte Initiative, die Kenia bis zum Jahr 2030 zu einem Schwellenland machen will, sieht verstärkte ausländische Investitionen in den Agrarsektor vor. Damit der Plan aufgeht, müsste die Wirtschaft allerdings ab 2010 jährlich um zehn Prozent wachsen. Das ist derzeit allerdings nicht abzusehen.

Nach den wochenlangen bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen im Gefolge der umstrittenen Wahlen 2007 ist das Wachstum von 7,1 Prozent auf 1,7 Prozent abgestürzt. Umso mehr setzt man jetzt auf Großprojekte, auch wenn deren Wirtschaftlichkeit zweifelhaft ist. Die staatliche Naturschutzorganination nature Kenya hat errechnet, dass die Wertschöpfung der Bauern, Fischer und Viehzüchter im Tana Delta die prognostizierten Einnahmen aus dem Zuckerprojekt um das Dreifache übersteigt. "Allerdings profitieren davon 30.000 Menschen und von der Zuckermonokultur nur ein Konzern", sagt Serah Munguti von Nature Kenya. Sollten die Zuckerplantage und das Qatar-Projekt realisiert werden, wäre das der Untergang der Hirtennomaden, wie auch Sunya Orre bestätigt. "Wenn das Weideland in Plantagen verwandelt wird, kann die Viehzucht nicht überleben. Die Hirtenvölker werden verelenden".


Der Abschlussbericht ist in Kürze in der Geschäftsstelle von FIAN-Deutschland bei Roman Herre, r.herre@fian.de, erhältlich.

Ralf Leonhard hat im Mai 2009 eine Untersuchungsreise von FIAN-International zu Landnahmen in Kenia koordiniert.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2009