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AFRIKA/028: Bergbauindustrie in Westafrika (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Bergbauindustrie in Westafrika
Auswirkungen auf das Recht auf Nahrung

Von Ibrahima Aidara


Bergbau gibt es in Westafrika seit über tausend Jahren. In den 1990er Jahren fand hier jedoch ein wahrer Goldrausch statt, nachdem die Weltbank den Ländern der Region geraten hatte, wirtschaftliche Reformen durchzuführen, um ausländische Direktinvestitionen anzulocken. Seitdem haben sich die meisten westafrikanischen Volkswirtschaften von der Gewinnung ihrer Bodenschätze abhängig gemacht, mit verheerenden Auswirkungen für die Landbevölkerung.


Im Jahr 2000 wurde in Mali Baumwolle als wichtigstes Exportgut von Gold überholt. 2005 wurde Gold infolge des hohen Goldpreises zum wichtigsten Exportgut in Ghana und überholte damit Kakao. Gold ist das wichtigste Bergbauprodukt in Westafrika, gefolgt von Diamanten, Bauxit und Phosphat. Doch trotz der großen Versprechen der Bergbaugesellschaften, Entwicklung zu fördern, ist die Verarmung in den Bergbauländern weiter vorangeschritten. Mali mit seinen beträchtlichen Goldreserven rangierte 2005 an 174. Stelle der 177 Länder auf dem Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen (UNPD Index). Von der Weltbank zusammengestellte Daten machen deutlich, dass die Gewinne aus dem Goldabbau trotz riesiger ausländischer Direktinvestitionen nicht bei der Gesamtbevölkerung angekommen sind.



Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in ausgewählten 
 westafrikanischen Bergbauländern
Land



Bergbau
Relevanz für Export 1990-99 (%)       

Durchschnittliches BIP
Wachstum/pro Kopf
der Bevölkerung 1990-99 (%)          
Guinea
84,7       
1,42        
Niger
70,6       
-1,50        
Sierra Leone
50,0       
-6,31        
Mauretanien
46,0       
0,55        
Mali
40,0       
0,69        
Togo
37,7       
-1,27        
Ghana
34,0       
1,55        
Senegal
10,5       
0,53        

Quelle: IFC, Treasure or Trouble? Mining in developing countries, 2002


Verheerende Auswirkungen auf die Nahrungssicherheit

Großflächiger Bergbau bringt den Kleinbäuerinnen und -bauern der Region beträchtliche Schwierigkeiten. In Ghana wurde mehr als zweihundert Bergbauunternehmen die Nutzung von fast 30 Prozent der Landesfläche für ihre Aktivitäten übertragen. Dazu gehören auch mindestens zwei Prozent der Waldschutzgebiete des Landes. Nach Angaben der FAO besteht in Ländern wie Nigeria oder Ghana schon heute ein großes Getreidedefizit. Großflächiger Bergbau konkurriert mit der für den Eigenverbrauch und für den Export bestimmten Nahrungsmittelproduktion. So ist in Mali der Anteil von Gold an den Exporten von 18 Prozent in 1996 auf 65,4 Prozent in 2002 gestiegen, wobei der Anteil von Baumwolle von 61 Prozent in 1996 auf 22,4 Prozent in 2002 gesunken ist. Gleichzeitig liegt der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt bei 36 Prozent, der Anteil von Gold nur bei 10,7 Prozent. Von den 5,2 Millionen arbeitenden Menschen in Mali arbeiten 3,9 Millionen in der Landwirtschaft. In den Bergbaugebieten wird Ackerland jedoch zunehmend knapp. In den meisten Fällen erhielten die Bauern, deren Land übernommen wurde, für den Ernteausfall und den Verlust ihres Lebensunterhalts lediglich eine finanzielle Entschädigung anstelle von neuem Ackerland und der Möglichkeit, weiterhin von der Landwirtschaft leben zu können.

So ist zum Beispiel im bergbaudominierten Wassa West Distrikt in Ghana die Zahl der Bauern um 48 Prozent zurückgegangen. Industrieller Bergbau, wie er heute betrieben wird, verschlechtert somit die Existenzgrundlage der ländlichen Bevölkerung in Westafrika. Bei Konflikten geht es hauptsächlich um Landnutzungsrechte, Widerstand gegen Verlegungs- beziehungsweise Umsiedlungspläne für vom Bergbau betroffene Bevölkerungsgruppen, um Uneinigkeiten in Bezug auf die Höhe der Entschädigung für örtliche Infrastruktur, Land und Ernteerträge, um die Verschmutzung der Wasserquellen der Bevölkerung und die Zerstörung von Kulturstätten. Frauen sind von den Bergbaubetrieben am meisten betroffen. Beim Wasserholen, Wäsche waschen und Baden der Kinder sind sie großen Gefahren durch verunreinigtes Wasser ausgesetzt. Die vom Bergbau verursachten Umweltschäden wie etwa Entwaldung und Wasserverschmutzung erschweren auch die Arbeit der Frauen, die mehr Zeit aufwenden müssen, um sauberes Wasser und Feuerholz zu finden. Die Umweltverschmutzung birgt auch besondere Gefahren für schwangere Frauen sowie stillende Mütter und deren Kinder. Als Folge des Bergbaus haben viele Frauen Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder anderweitig die grundlegenden Ernährungsbedürfnisse ihrer Familien sicher zu stellen. Die Frauen haben in den seltensten Fällen einen direkten Nutzen vom Bergbau - weder durch Arbeitsplätze in der Bergbauindustrie noch durch Entschädigungszahlungen. Extreme Armut und Mangel an elementaren Dienstleistungen, insbesondere Schulbildung, begrenzen zudem die Möglichkeiten der ländlichen Bevölkerungsgruppen, sich mit Entscheidungsträgern auseinander zu setzen, Entscheidungsprozesse zu verstehen, angemessene Einwände zu formulieren und ihre Rechte vollständig einzufordern. Die armen und an den Rand gedrängten Bevölkerungsgruppen erfahren keine Gerechtigkeit, weil ihnen die Ressourcen und Kompetenzen fehlen, Gerichtsverfahren und die institutionalisierte Korruption des Gerichtswesens zu verstehen.


Regionale Strategien sind gefragt

Was muss geschehen? In den 1980er und 1990er Jahren wurden durch Reformen Anreize für Investitionen aus dem Ausland geschaffen. Die neuen Bergbaugesetze schenkten den Rechten der einheimischen Bevölkerungsgruppen und dem Umweltschutz jedoch kaum Aufmerksamkeit und etablierten ein System, das private Firmen begünstigt. Die westafrikanischen Institutionen für regionale Integration - ECOWAS und WAEMU -, deren Ziel die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik ist, sind weiterhin schwach. Die von ihnen vertretenen Positionen stehen oft nicht für eine armutsorientierte Politik, sondern reflektieren die Abhängigkeit von ausländischem Kapital Internationale Finanzinstitutionen, Konzerne und ausländische Regierungen üben einen beträchtlichen Einfluss auf nationale Entwicklungsprioritäten und Entscheidungen aus und erheben oft die Gewinnung von Bodenschätzen zur Priorität. Auf globaler Ebene gibt es keine verpflichtenden Prinzipien zur sozialen Verantwortung von Unternehmen, und die Menschen Westafrikas genießen nur geringen institutionellen Schutz vor dem Machtmissbrauch der Unternehmen, Investoren versuchen, Länder gegeneinander auszuspielen und sie dazu zu bringen, niedrige Umwelt- und Sozialstandards aufzulegen, um eine Profitmaximierung zu ermöglichen. Deshalb sind regionale Strategien und Kontrollmechanismen notwendig, um die Berücksichtigung regionaler und nationaler Interessen sicher zu stellen.

Westafrikanische Regierungen sind institutionell schwach, oft fehlt der politische Wille, der Öffentlichkeit die Mitwirkung zu ermöglichen, und Korruption ist institutionalisiert. Die Regierungen unterwerfen sich den internationalen Interessen und benutzen ihre uneingeschränkte Macht, um ihrer Bevölkerung Bergbauprojekte aufzwingen. Die in vielen Ländern stattfindende Dezentralisierung soll zwar lokalen Regierungen mehr Entscheidungsmacht geben und die Teilhabe an lokalen Entwicklungsprozessen fördern. In vielen Fällen wissen die Kommunalbehörden und die örtliche Bevölkerung jedoch gar nicht, dass und wie sie Entscheidungen beeinflussen können. Nach Ansicht von EntwicklungsexpertInnen ist das Scheitern der Bergbauindustrie, einen Beitrag zur Armutsminderung zu leisten, zumindest zum Teil auf eine mangelnde Transparenz der Haushaltsführung der Regierungen zurückzuführen.

Viele Regierungen und Großfirmen in Westafrika spielen mittlerweile eine aktive Rolle bei EITI - der Extractive Industry Transparency Initiative. Länder wie Ghana, Nigeria, Mali, Liberia, Niger, Burkina Faso und Guinea beteiligen sich an dieser Initiative. Doch EITI setzt nicht auf Verbindlichkeit, sondern 'ermutigt' Regierungen und Privatunternehmen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, "freiwillig die Rahmenbedingungen zur Förderung von Transparenz bei Zahlungen und Einkünften zu entwickeln". Zivilgesellschaftliche Organisationen haben deshalb die Kampagne "Publish what you pay" gestartet, welche eine verbindliche Offenlegung der Steuern, Gebühren und Lizenzgebühren fordert, die von Öl-, Gas- und Bergbauunternehmen an Regierungen für die Gewinnung von Bodenschätzen in jedem einzelnen Land entrichtet werden. In Ländern wie Senegal, Mali, Ghana, Nigeria und Liberia entwickelt sich zudem eine Bürgerbewegung der Betroffenen, und einige Regierungen haben begonnen, diese Bewegung als Interessensvertreter im Prozess der Bergbaupolitikreform anzuerkennen. Die von den Aktivitäten transnationaler Unternehmen betroffenen Menschen fordern ihr Recht auf effektive und wirkungsvolle Teilnahme bei der Reform der Bergbaupolitik, die Eigenverwaltung der für den Erhalt ihrer Existenzgrundlage notwendigen örtlichen Bodenschätze und die Verpflichtung der Regierung, diese Rechte durch gute Regierungsführung zu sichern.


Der Autor ist Mitarbeiter im Westafrikabüro von Oxfam America im Senegal.


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Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

"Bevor Ashanti Goldfields mit dem Guldtagebau anfing, waren wir alle Farmer. Ich hatte meine eigene kleine Farm, etwa einen halben Hektar. Bei der Enteignung bekam ich 18.000 Cedis dafür. Das war damals so viel Geld, wie heute 30 Euro wert sind. Einem Bergarbeiter zahlt Ashanti Goldfields 190 Dollar im Monat. Ich habe das Land, das mich ernährte. für einen Wochenlohn verloren."
Amos Abu, Goldsucher, über seine Bisswunden Dorf Sansu bei Obuasi

"Dann gab es den Unfall auf dem Werksgelände von Goldfields Ghana. Mehrere 10.000 Kubikmeter Zyanidlösung sind in unseren Fluss geflossen und haben alles Leben getötet. Unser Dorf haben sie erst am Tag danach informiert. Zuerst haben sie versucht, alles zu vertuschen. Wir haben sie erwischt, wie sie nachts heimlich Fische aussetzten. Aber auch die neuen Fische sind alle gestorben."
Nana Molobah, Dorfkönig, über den Kampf um Entschädigung Donf Abekoase bei Tarkwa


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2008, S. 4-5
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
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Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2008