Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

AFRIKA/027: Interview - Den Bergbaugemeinden eine Stimme gegeben (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Interview
Den Bergbaugemeinden eine Stimme gegeben

Partnerorganisation in Ghana feiert zehnten Geburtstag


Vor zehn Jahren gründete sich in Ghana die Wassa Association for Communities affected by Mining (WACAM). FoodFirst führte ein Interview mit dem Vorsitzenden Daniel Owusu-Koranteng.


FOODFIRST: Was waren die Beweggründe für die Gründung von WACAM?

DANIEL OWUSU-KORANTENG: 1983 wurde in Ghana das durch den Internationalen Währungsfond und die Weltbank geförderte Strukturanpassungsprogramm aufgelegt, das den Bergbausektor - vor allem den Goldabbau - für massive internationale Direktinvestitionen öffnete. Das Bergbaugesetz von 1986 bietet ausländischen Bergbauunternehmen großzügige Anreize, was zu einem Goldrausch führte. Im Wassa West Distrikt, in der rohstoffreichen Western Region, siedelten sich acht multinationale Konzerne an, etwa 70 Prozent der Landfläche wurde als Bergbaukonzessionen vergeben. Der zunehmende Tagebau hatte schwerwiegende Folgen für die lokale Bevölkerung, wie Vertreibung, Verschmutzung der Wasserressourcen und Verlust der Lebensgrundlagen. WACAM wurde von lokalen Gemeinden in Reaktion auf diese Probleme gegründet, mit dem Ziel, eine Organisation aufzubauen, die Betroffene in der Auseinandersetzung mit multilateralen Bergbaukonzernen stärkt.

FOODFIRST: Was sind bis jetzt die wichtigsten Errungenschaften von WACAM?

DANIEL OWUSU-KORANTENG: Die nachhaltige politische Arbeit von WACAM hat die Anliegen der Gemeinden und Umweltfragen zu bedeutenden nationalen Anliegen gemacht. Die Bergbaugemeinden sind in der Darstellung ihrer Anliegen selbstbewusster geworden, da sie WACAM als ihre eigene Organisation betrachten, die ihre Rechte schützt. Unser Erfolg zeigt sich auch in der wachsenden Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich des Themas annehmen. Durch unsere Arbeit haben wir Schwächen in der Gesetzgebung aufgezeigt und arbeiten mit anderen Organisationen für eine Reform derselben. WACAM hat ein Frühwarnsystem bei Zyanidunfällen aufgebaut, indem Aktivisten ausgebildet wurden, um zu vermeiden, dass verseuchtes Wasser getrunken oder Fische gegessen werden. WACAM hat zudem erfolgreich Partnerschaften mit Organisationen wie FIAN und der österreichischen Dreikönigsaktion aufgebaut, die mit internationalen Kampagnen die Gemeinden unterstützen.

FOODFIRST: Sehen Sie in der Arbeit mit den Gemeinden eine besondere Rolle der Frauen?

DANIEL OWUSU-KORANTENG: Tagebau verseucht Flüsse, vermehrt Krankheiten und zerstört Wälder. All dies verstärkt die Verwundbarkeit von Frauen in Bergbaugemeinden. Aufgrund der besonderen Betroffenheit werden Frauen zu verlässlichen Aktivistinnen. WACAM fördert dieses Potenzial und bietet ein spezifisches Training an für Frauen, die in den Auseinandersetzungen mit den multinationalen Konzernen Führungsrollen übernehmen.

FOODFIRST: Wie können die Unternehmen dazu gebracht werden, die Rechte der Bevölkerung zu respektieren?

DANIEL OWUSU-KORANTENG: Multinationale Bergbauunternehmen haben starke finanzielle und technische Mittel. Die politische Vertretung der Bergbauunternehmen, die Ghana Chamber of Mines, existiert seit der Kolonialzeit und hat starke Lobbykapazitäten. Die starke Organisation von unten der vom Bergbau betroffenen Gemeinden ist der beste Weg für die Gemeinden, um ihre Rechte zu kämpfen. Es geht darum, eine Gegenmacht der Schwachen aufzubauen, um Veränderungen in ihrem Interesse zu erreichen. Organisation ist der Schlüssel für den Aufbau ausgeglichener Machtverhältnisse.

FOODFIRST: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die nächsten Jahre?

DANIEL OWUSU-KORANTENG: Die Unternehmen reagieren auf den Druck der Gemeinden und der Nichtregierungsorganisationen (NRO) auf vielfältige Weise. So versuchen sie, NRO auf ihre Seite zu ziehen, und organisieren gezielt Kampagnen, um unabhängige NRO zu diskreditieren. In einigen Situationen benutzen Unternehmen Polizei und Militär, um AktivistInnen einzuschüchtern, zu misshandeln und zu verhaften. Mit dem hohen Goldpreis besteht ein Anreiz für Unternehmen, weiter zu investieren. Dies überfordert die Kapazitäten der Nichtregierungsorganisationen. Eine besondere Herausforderung ist das Interesse der Asiaten am Bergbau. In Ghana arbeiten asiatische Unternehmen vor allem als kleine oder mittlere Betriebe in weit abgelegenen Dörfern. Sie verfügen über schlechte Ausrüstung, verursachen gravierende Umweltschäden und zahlen den Bauern nur sehr niedrige Entschädigungen.

FOODFIRST: Vielen Dank für das Interview und herzlichen Glückwunsch zu zehn Jahren erfolgreicher Arbeit!


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2008, S. 7
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2008