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INTERNATIONAL/001: Rassismus in Großbritannien (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 18. März 2011

Rassismus in Großbritannien
Siedlung Hunderter Menschen in Essex soll gewaltsam aufgelöst werden

Von Christian Bunke, Manchester


Dale Farm ist die größte Siedlung des fahrenden Volkes in Großbritannien. Sie liegt im südenglischen Essex. Unter den rund 1.000 Bewohnern sind einige Roma, die meisten sind jedoch irischer Herkunft. 500 von ihnen leben dort legal, die anderen ohne Genehmigung. Nur 20 Prozent aller Planungs- und Bauanträge aus dem fahrenden Volk in Großbritannien werden genehmigt. Der normale Durchschnitt liegt bei 90 Prozent.

Dale Farm muß weg, zumindest der nicht genehmigte Teil. Dies beschloß eine Sondersitzung des zuständigen Stadtrates in Basildon Anfang dieser Woche. Den Rauswurf von 500 Personen aus einem ehemaligen Schrottplatzgelände im ländlichen Essex will sich der Stadtrat acht Millionen Pfund kosten lassen. Zuvor hatte man bei der Zentralregierung in London zehn Millionen Pfund Hilfsgelder beantragt. Die hat die Zahlung allerdings abgelehnt.

Dabei hatte man sich Hoffnungen gemacht, weil Premierminister David Cameron in den vergangenen Wochen immer wieder den rassistischen Charakter konservativer Parteipolitik betont hatte. So hält er Multikulturalismus in Großbritannien für gescheitert. Am 12. März erklärte er, das Räumungsansinnen des Stadtrates sei berechtigt. Schließlich sei es unfair, wenn es zweierlei Gesetze für unterschiedliche Personengruppen gebe.

Von einer Räumung wären 150 Familien betroffen. Sie soll von der privaten Sicherheitsfirma »Constant & Co« durchgeführt werden. Diese auf Gerichtsvollziehung spezialisierte Firma rekrutiert sich vor allem aus ehemaligen Polizisten. Auf ihrer Website preist sich die Firma als der einschlägig »erfahrenste und spezialisierteste Betrieb« an. »Constant & Co« ist beim fahrenden Volk für seine Brutalität berüchtigt. So verwendet die Firma schweres Räumgerät und zerstört damit das Eigentum der Betroffenen.

Die Bewohner von Dale Farm sowie deren Unterstützer kritisieren die Entscheidung des Stadtrates. Diese sei vor allem in Zeiten des Sozialabbaus nicht zu verstehen. Acht Millionen Pfund sind laut BBC News ein Drittel des Jahreshaushaltes der Kommune Basildon. Die Dale-Farm-Bewohner gehen davon aus, daß diese Kosten auf die Bevölkerung abgewälzt werden und sich auch in Arbeitsplatzabbau niederschlagen könnten. Bereits jetzt habe die Kommune ein Finanzloch von 2,3 Millionen Pfund und wolle 100 Stellen abbauen. Außerdem werden Dienstleistungen für Behinderte im Wert von 505.000 Pfund abgebaut. Die Bewohner fordern, daß das für die Räumung eingeplante Geld zur Bekämpfung der Wohnungsnot verwendet werden soll.

Auf Dale Farm leben Menschen aller Altersgruppen, darunter sowohl Kinder als auch alte Menschen. Sie wären nach einer Räumung obdachlos. Passiv hinnehmen wollen sie eine Räumung nicht. So zitiert die »Travellers Times« vom Montag eine Bewohnerin mit den Worten: »Wir haben uns vorbereitet. Wenn sie räumen, wird es hier wie in Belfast. Es wird einen Bloody Sunday geben.«

Auch die Polizei geht davon aus, daß eine Räumung Millionen kosten und durchaus mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann. Die »Essex Police Force« rechnet insgesamt mit zwölf Millionen Pfund allein für den Polizeieinsatz. Sie hat aber nur drei Millionen Pfund zur Verfügung und fordert derzeit den Rest des Geldes von der Regierung ein.

Ab dem 9. April wollen Unterstützer mit auf das Gelände ziehen und dort ein permanentes Camp aufbauen. Sie wollen den Bewohnern rechtliche Unterstützung geben, die Menschenrechtslage beobachten und sich an gewaltlosen direkten Aktionen gegen die Räumung beteiligen. Der Stadtrat Basildon hat noch kein Räumungsdatum genannt. Rechtlich muß eine Räumung 28 Tage vorher angekündigt werden.


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Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2011