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FRAGEN/009: Vor den Ostermärschen 2012 - Ja zur zivilen Lösung der Zukunftsprobleme (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 11 vom 16. März 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Vor den Ostermärschen 2012
Ja zur zivilen Lösung der Zukunftsprobleme

Willi Hoffmeister ist Ostermarschaktivist der ersten Stunde

Interview von Adi Reiher


UZ: Vor 52 Jahren fand der erste Ostermarsch statt. Das diesjährige Motto lautet: "Ja zur zivilen Lösung der Zukunftsprobleme - Nein zu Krieg, Atomrüstung und innerer Militarisierung - nein zur NATO". Was gibt's Neues? Wie ist der Stand der Vorbereitung?

WILLI HOFFMEISTER: Der Protest gegen die Atom-Bombe prägte den ersten Ostermarsch. Die Bombe hat diese Jahre "überlebt" - leider! Sie steht weiter auf der Tagesordnung. Am Anfang unserer Forderungen steht die zivile Konflikt-Lösung, das Nein zum Krieg. Die Forderung: Raus aus Afghanistan! Ist heute aktueller denn je. Die Unfähigkeit, mit Gewalt Probleme lösen zu wollen, zeigt sich hier im besonderem Maße. Neu beim Marsch ist auch, dass die Occupy-Bewegung an der Etappe in Düsseldorf teilnehmen wird. Jetzt ist die Werbung angelaufen. Alle Materialien sind in NRW bei den örtlichen Initiativen vorrätig. Wer keine Verbindung hat, kann selbige beim Ostermarschbüro per Mail: dfg-vk.nrw@t-online.de oder Tel: 0231-8180-32 Fax -31 bestellen.

UZ: Im Aufruf wird die wachsende Rolle der Nato als weltweite Interventionsmacht kritisiert. Worin kommt die zum Ausdruck? Was setzt ihr dagegen?

WILLI HOFFMEISTER: Die NATO entwickelt sich immer deutlicher zur weltweiten Interventionsmacht. Sie ist das Instrument der NATO-Staaten zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen und strategischen Interessen. Humanitäre Beweggründe dienen lediglich der Verschleierung. Der völkerrechtswidrige NATO-Überfall 1999 auf Jugoslawien, der angeblich humanitäre Bombenkrieg auf Libyen mit Zehntausenden überwiegend zivilen Opfern zeigen dies eindeutig. Da setzt man sich auch mal eben, wenn es nicht in den eigenen NATO-Kram passt, einfach über UNO-Resolutionen hinweg. Wenn die Bundeskanzlerin vor wenigen Tagen bei ihrem Besuch in Afghanistan den wohl angedachten Termin für den Abzug der Bundeswehr in Frage stellt und nebenbei ob des Massakers eines US Soldaten Krokodilstränen vergießt, lässt sich nur feststellen, sie hat aus dem, was dort wirklich geschieht, nichts gelernt. Unsere Forderungen sind der sofortige Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und von allen anderen Auslandseinsätzen. Raus aus der NATO wäre eine weitere gute Tat.

UZ: Die Zeichen im Nahen und Mittleren Osten stehen auf Sturm. Was wird geschehen, wenn Israel den Iran angreift? Bleibt das ein regional begrenztes Ereignis? Welche Rolle wird diese Frage bei den Ostermärschen spielen?

WILLI HOFFMEISTER: Die Rolle Israels wird von vielen deutschen Friedensbewegten nur ungerne diskutiert. Das ist sicher nicht falsch, weil sich hierin auch das Bewusstsein über den Holocaust wiederfindet. Es darf aber keinen Friedensbewegten kalt lassen, was die israelische Regierung treibt. Ob das regional begrenzt bleibt, wage ich zu bezweifeln. Es wird unsere Aufgabe sein, gemeinsam international allein schon das Ansinnen eines Angriffs auf den Iran zu verurteilen und vor allem der israelischen Friedensbewegung unsere Solidarität zu versichern. Beim Ostermarsch wird das sicher von RednerInnen zur Sprache gebracht.

UZ: Die Bundesrepublik gehört zu den großen Rüstungsexporteuren. Das hochverschuldete Griechenland gibt weiter Unsummen - gerade wieder eine Mrd. Euro - für die Rüstung aus. Welchen Zusammenhang siehst Du zur nicht enden wollenden Weltwirtschaftskrise?

WILLI HOFFMEISTER: Die Macht der Rüstungskonzerne zeigt sich auch hier, wo sie einem zahlungsunfähigen Staat wie Griechenland Vertragstreue aufzwingen. Das ist das eine. Wer wie Griechenland, wie auch andere Länder, Steuermilliarden in den Rüstungssumpf steckt, braucht sich nicht zu wundern, wenn für Vernünftiges kein Geld mehr da ist. Damit ist die Frage der Weltwirtschaftskrise nicht beantwortet, aber die Rüstungsausgaben sind ein Teil dieser Krise. Dass Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur auf dem Weltmarkt ist, zeigt einen hohen Stand der Forschung und Technik. Um wie viel besser wäre es, wenn dieses Wissen und Können sich in lebenswichtigen Dingen manifestieren würde. Für mich ist Krieg ein Verbrechen an der Menschheit, was ist dann eigentlich die Produktion der Tötungsmittel für all die Kriege? Es ist höchste Zeit dies Dilemma zu beenden. Wir brauchen Konversionsprogramme, um dem Rüstungsarbeiter einen zivilen zukunftssichernden Arbeitsplatz zu bieten. Das hohe Wissen und Können dieser Kollegen ist zu schade für eine Arbeit letztendlich für den Tod.

UZ: Die Bundeswehr soll weiter verkleinert werden. Ist das nicht Grund zur Freude für jeden Friedensfreund?

WILLI HOFFMEISTER: Natürlich ein Grund zur Freude, wenn auch mit einem bitteren Beigeschmack. Diese "Verkleinerung" basiert auf der Notwendigkeit, die Truppe effektiver zu machen. Die im Grundgesetz festgeschriebene Armee zu Landesverteidigung wird nicht mehr gebraucht, nachdem Herr Struck die Verteidigungslinie an den Hindukusch verlegt hat. Auch das Aussetzen der Wehrpflicht dient letztendlich dem Ziel einer in der ganzen Welt einsetzbaren Interventionsarmee. Dazu bedarf es einer Armee, die jederzeit dafür bereit steht.

UZ: Das Werben für die Bundeswehr an den Schulen wird verstärkt.

WILLI HOFFMEISTER: Ja, das Werben für den "Beruf" Bundeswehr an den Schulen, Argen usw. ist nun mal der Notwendigkeit geschuldet, die Armee mit genügend Nachwuchs zu versorgen. Dabei wird ein normales Berufsbild vorgegaukelt. Dazu ist erfreulich zu vermerken, dass immer mehr Schulen, immer mehr Schülerinnen und Schüler sich gegen diese Indoktrination wenden. Sie lassen sich nicht einreden, dass Soldat ein normaler Beruf sei. Dieser "Beruf" bedeutet das Töten zu lernen und auch selbst getötet zu werden. Der Zusammenschluss der lernenden und studierenden Jugend und ihrer Organisationen in der Forderung: "Schule ohne Bundeswehr" ist ein hoffnungsvolles Zeichen.

UZ: Eine persönliche Frage zum Schluss. Du bist seit Beginn der Ostermärsche dabei. Macht es immer noch Spaß?

WILLI HOFFMEISTER: Ja, es macht immer wieder Spaß, zu erleben, wie jedes Jahr wieder zu Ostern tausende Menschen bundesweit in durchschnittlich 80 Ostermärschen ihre Friedensforderungen auf die Straße tragen. Zu sehen, wie die älter gewordenen Mitstreiter/innen nicht müde werden, auch wenn es schon mal an die körperliche Substanz geht, jährlich wieder dabei zu sein. Der Rhein-Ruhr-Marsch, der drei Tage das Rhein-Ruhrgebiet durchquert und seinen Abschluss mit einem Friedensfest in Dortmund findet, ist sicher einer der arbeitsintensiven. Mir ist es eine besondere Freude, dass die Kollegin Helga Schwitzer vom geschäftsführenden Vorstand meiner langjährigen Gewerkschaft, der IG Metall, die diesjährige Abschlussrede halten wird. Eine alternative zukünftige Entwicklung auf dem Rüstungssektor wird ohne die Gewerkschaften nicht möglich sein. Dank sei allen, die jährlich die Organisation des Marsches übernehmen. Allen, die für den Marsch werben und nicht zuletzt denen, die mit ihren Spenden den Marsch erst ermöglichen. Ich kann nur an alle Friedensbewegten appellieren, macht mit, eine Stunde oder einen Tag. Wer aber den ganzen Reiz des Drei-Tage-Marsches erleben möchte - braucht halt eben drei Tage zum Auskosten.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 11 vom 16. März 2012, Seite 2
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2012