Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FAKTEN

BERICHT/904: "mg"-Verfahren - BKA Zeuge lügt, BKA manipuliert Akten (Verteidiger im "mg"-Verfahren")


Pressemitteilung der Verteidigung im "mg"-Verfahren - 26.03.09

BKA Zeuge lügt - BKA manipuliert Akten


Am heutigen Tag wurde die Vernehmung des BKA-Zeugen Oliver Damm vor dem Kammergericht fortgesetzt. Auf ausdrückliche Fragen der Verteidigung nach der Urheberschaft eines veröffentlichten Diskussionsbeitrages zu militanten Aktionen erklärte der Zeuge Damm nicht zu wissen, wer den Text verfasst hat obwohl der Text von Mitarbeitern des Bundeskriminalamtes stammt. Erst nachdem ihm sein eigener Vermerk, der dem Gericht allerdings nicht vorliegt und aus dem sich die Urheberschaft des BKA ergibt vorgelegt wurde, gab er zu, dass dieser Text vom BKA stammt und dass es daneben noch einen weiteren Beitrag des BKA in der so genannten Militanzdebatte gab.

Seit dem 25.09.2009 wird unseren Mandanten vom 1. Senat des Kammergerichts der Prozess wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemacht, mittlerweile also seit einem halben Jahr. Bereits vor Beginn der Hauptverhandlung hat die Verteidigung gerügt, dass die Akten unvollständig sind und die Bundesanwaltschaft (BAW) sowohl der Verteidigung als auch dem Gericht eine Vielzahl von Akten vorenthält.

Unter anderem wurden fehlende Sachstandsberichte vom Ermittlungsführer KHK Damm vom BKA bemängelt. Diese waren nach Aktenvermerken nicht zu den Akten gelangt, weil sie angeblich "zu umfangreich" seien. Am 19.02.2009 - vor der vom Gericht geplanten Vernehmung des Zeugen Damm - beantragte die Verteidigung erneut Einsicht in diese Sachstandsberichte. Diese wurden kurze Zeit später der Verteidigung zur Verfügung gestellt. Diese Aktenbestandteile wurden vor der Übergabe an die Verteidigung offensichtlich vom BKA nur unzureichend kontrolliert. Denn aus dem BKA-Sachstandsbericht vom 07.06.2006 ergibt sich nun, dass das BKA im Rahmen der sogenannte "Militanzdebatte"(*) unter ausgedachtem Namen selbst heimlich daran teilgenommen hat. Es findet sich im Anhang 4, wo jeder Beitrag der Militanzdebatte aufgeführt ist, hinsichtlich eines Textes aus der Interim 611 vom 10.02.2005, der unter dem Namen "Die zwei aus der Muppetshow" veröffentlicht wurde, folgender Hinweis:

"Nur für die Handakte: Der Text wurde vom BKA verfasst und an die Interim versandt, um eine Reaktion bei der "militante gruppe (mg)" zu provozieren und gleichzeitig auf die Homepage des BKA (Homepageüberwachung) hinzuweisen."

Dieser Anhang 4 findet sich - bis auf obigen Satz - identisch in jedem anderen Sachstandsbericht. Die anderen Berichte sind also offensichtlich gesäubert worden oder es wurden von vornherein verschiedene Versionen produziert. Der BKA-Zeuge Damm hat in seiner bisherigen Vernehmung vor dem Gericht diesen Text als einen allgemeinen Beitrag bezeichnet und kommentiert. Er hat entgegen seiner Wahrheitspflicht bewusst verschwiegen, dass das BKA dieses Schreiben selbst verfasst hat.

Die sogenannte Homepageüberwachung wurde mittlerweile vom Bundesinnenministerium als illegal eingestuft und das BKA angewiesen, diese Methode nicht mehr anzuwenden (vgl. Der SPIEGEL von dieser Woche).

Das BKA manipuliert die Akten und enthält sowohl dem Gericht als auch der Verteidigung Entscheidendes vor. Beim BKA und eventuell bei der BAW werden parallele Geheimakten ("Handakte") geführt, welche offensichtlich brisant sind. Spätestens jetzt kann der Prozess gegen unsere Mandanten nicht mehr als faires Verfahren bezeichnet werden. Als Konsequenz muss er eingestellt werden.


Rechtsanwälte Franke, Herzog, Hoffmann, Lindemann, Schrage und Rechtsanwältin Weyers für die Verteidigung


Anmerkung:
(*) Im Rahmen der Militanzdebatte wurde über Sinn und Unsinn von militanten Aktionen, der Taktik und Strategie des Einsatzes von Militanz etc. per schriftlichen Beiträgen diskutiert. Die Beiträge wurden in der Regel in der Szene-Zeitschrift Interim veröffentlicht, welche alle 14 Tage erscheint.


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 26.03.2009
Rechtsanwalt Alexander Hoffmann
E-Mail: anwalthoffmann@online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2009