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BERICHT/855: Das Projekt Lebenslinie in Ecuador (ARA Magazin)


ARA Magazin 3/08 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Projekt Lebenslinie

Sarayakus Einsatz für den Wald


José Gualinga ist der Präsident der Vereinigung der Schamanen des Kichwa-Volkes von Sarayaku (ATAYAK). Bei seiner Reise zu Partnerorganisationen in Deutschland, Belgien und Frankreich sprach ARA-Mitarbeiter Wolfgang Kuhlmann mit ihm über die Situation der Indianer im Regenwald Ecuadors und Fortschritte beim Projekt Lebenslinie.

Das wichtigste Ziel des auch von ARA unterstützten Projekts Lebenslinie ist die Pflanzung von blühenden Bäumen, um damit das 1,3 Millionen Hektar große Gebiet der Kichwa-Gemeinde Sarayaku im Tieflandregenwald Ecuadors zu markieren. Durch den "Weg aus Blumen", so die wörtliche Übersetzung des Kichwa-Namens, wird die Grenze des Gebietes auch aus der Luft sichtbar. Die Idee zu diesem Projekt stammt von den Bewohnern Sarayakus selbst und wurde gemeinsam mit angrenzenden indigenen Gemeinden wie den Shuar, Ashuar und Zapara weiter entwickelt. Die Lebenslinie ist keine durchgängige Grenze, sondern eine Aneinanderreihung strategischer Punkte mit blühenden Bäumen. Bislang wurden insgesamt acht strategische Punkte bepflanzt und so eine Markierung von 70 der insgesamt 300 Kilometer langen Grenze erreicht.

Die Pflanzung eines Punktes ist mit mehreren Expeditionen verbunden, die sich über 30 Tage erstrecken und an denen jeweils etwa sechs Männer und Frauen beteiligt sind. Die Wege zu den Punkten werden zuerst mit dem Kanu, dann zu Fuß zurückgelegt. Nahrung, Werkzeuge und Sämlinge müssen auf dem Rücken getragen werden, während sich dasTeam einen Weg durch den Wald bahnt. Mit einem GPS-Gerät werden die Koordinaten des Punktes noch einmal überprüft, bevor ein etwa 20 mal 20 Meter großes Areal aufgelichtet wird. Hier werden die Setzlinge der blühenden Bäume gepflanzt, die in einer Baumschule in Sarayaku herangezogen wurden. Der Ort muss regelmäßig aufgesucht werden, um sicher zu stellen, dass die neuen Bäume gut anwachsen. Insgesamt ist das Projekt auf 20 Jahre angelegt. Dann wird die "Lebenslinie" aus der Luft zu sehen sein.


Traditionelles Wissen erhalten

Die Lebenslinie ist Teil einer größeren Initiative der Bewohner von Sarayaku, die neben dem Schutz des Waldes auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Weitergabe des traditionellen Wissens des Volkes leisten soll

Mit jeder Spende für die Lebenslinie werden deshalb auch die anderen Komponenten des Projektes gefördert. Die drei wichtigsten sind:

• Sasi Wasi - Förderung der traditioneLlen Medizin:

Mit der Stärkung der traditionellen Medizin soll die Gesundheitsversorgung Sarayakus verbessert werden, denn bislang sind die Gemeinden vom staatlichen Gesundheitssystem ausgeschlossen. Die traditionelle Medizin, die in der Vergangenheit stark diskriminiert wurde, soll nun wieder einen festen Platz im Alltag bekommen. Als erster Schritt entsteht eine Stätte für die Anwendung traditioneller Heilmethoden und schamanistischer Rituale (wie die Einnahme von Ayawaska).

• Tayak Wasi - Weitergabe des traditionellen Wissens:

Zur besseren Integration des traditionellen Wissens in den schulischen Unterricht sollen geeignete Materialien erarbeitet werden, die auch in anderen Regionen Ecuadors eingesetzt werden können. Hierfür wurde ein Haus bereitgestellt, in dem traditionelles Wissen über Geschichte, Gesundheit und die biologische Vielfalt gesammelt und an jugendliche weitergegeben werden kann.

• Sacha Ruya - Einrichtung einer Baumschule:

Hier werden vor allem einheimische Arten erhalten und vermehrt, die als Holz- oder Fruchtlieferanten bzw. als Zier- und Medizinalpflanzen dienen. Die Baumschule liefert nicht nur die Pflanzen für die Lebenslinie, sondern auch geeignetes Material für die Aufforstung degradierter Flächen. Durch einen Weiterverkauf von Pflanzen an Siedler der Region sollen Einkünfte erzielt werden, die dem Projekt zu Gutekommen. Außerdem wird die Baumschule in den Schulunterricht integriert.

Mit der Lebenslinie und ihren Komponenten soll traditionelles Wissen wieder verstärkt in der Kultur und im Alltag verankert werden. Nur so wird es auch in Zukunft nutzbar sein den Menschen von Sarayaku helfen, sich zukünftigen Herausforderungen zu stellen.


Aktuelle Konflikte mit Erdölfirmen

Im Jahr 2002 wurde die Erdölgesellschaft CGC (Compania General de Combustibles) erfolgreich aus dem Territorium von Sarayaku ausgewiesen. Seither kommt es aber immer wieder zu Konflikten, die von Erdölfirmen geschürt werden, um einzelne Gemeinden Sarayakus gegeneinander auszuspielen. So hat sich im Norden des Gebietes eine Familie zur Zusammenarbeit mit der Firma AGIP bereit erklärt, die dort Probebohrungen durchführen möchte. Der Bau einer Landebahn hat bereits begonnen.

Ein weiterer Konflikt besteht mit dem Militär, das ein Gebiet im Zentrum der Region Sarayaku besetzt hält. Dabei geht es auch um Sprengstoffe, die von der CGC für seismische Untersuchungen in das Gebiet Sarayaku gebracht und später nicht entfernt wurden. Nach einem Beschluss des interamerikanischen Menschengerichtshofs soll der Staat den Sprengstoff aus der Region schaffen. Da es aber Misstrauen gegenüber den Militärs gibt, konnte man sich erst kürzlich darauf einigen, Polizeitruppen damit zu beauftragen. Bei den Verhandlungen mit den zuständigen Stellen kam es immer wieder zu Beschuldigungen gegen die Bewohner Sarayakus, die als nicht kooperationsbereit dargestellt werden.

Je mehr Vertreter von Sarayaku sich in der Öffentlichkeit für die Rechte indigener Völker einsetzen und kritische Positionen gegenüber Regierungsinstitutionen und internationalen Firmen beziehen, um so mehr müssen sie auch Übergriffe auf ihr Leben und das ihrer Familien fürchten. Auch José Gualinga, der Koordinator des Projektes Lebenslinie, steht bereits unter dem Schutz von Amnesty International. Er und sein Volk braucht unsere Solidarität und Unterstützung.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Die Kichwa aus Sarayaku wollen mit der "Lebenslinie" ein Zeichen setzen.
Die Bäume für die "Lebenslinie" stehen bereit. In einigen Jahren werden sie bunte Punkte bilden, die das Land der Kichwa von Sarayaku markieren.
Mit Booten werden die Pflanzen durch den Dschungel transportiert.

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Quelle:
ARA Magazin 3/08, S. 6-8
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
August Bebel Str. 16-18, 33602 Bielefeld
Redaktion: Wolfgang Kuhlmann, Jürgen Birtsch
Bilder: Prof. Shukurov, ARA-Archiv
Telefon: 0521/6 59 43, Fax: 0521/6 49 75
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Internet: www.araonline.de

Das ARA Magazin erscheint vierteljährlich.
Die Kosten für ein Jahresabonnement betragen 10 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2009