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NAHOST/238: Syrien - Todesdrohungen gegen Kurden in IS-Hochburg Ar-Raqqa


Presseerklärung vom 24. Juni 2015

Todesdrohungen in IS-Hochburg Ar-Raqqa: Kurden sollen die Stadt verlassen


Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) soll alle Kurden in Ar-Raqqa unter Todesdrohungen dazu aufgefordert haben, die nordsyrische Stadt innerhalb von 72 Stunden in Richtung Süden zu verlassen. Dort befindet sich die syrische Halbwüste. Wer dem nicht Folge leiste, müsse mit seinem Leben bezahlen, berichteten kurdische Aktivisten aus dem syrisch-kurdischen Kanton Kobani der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen in der Nacht zum Mittwoch. Die Extremisten hätten den Kurden in Ar-Raqqa vorgeworfen: "Ihr kooperiert aktiv mit den Kreuzfahrern, den westlichen Staaten, gegen das islamische Kalifat IS?" Die Aufforderung, die Stadt zu verlassen, wurde über die Lautsprecher der Moscheen und auf Flugblättern in arabischer Schrift verbreitet, die in ganz Ar-Raqqa verteilt wurden. Der GfbV wurde per E-Mail ein eingescanntes Flugblatt zugeschickt.

Ar-Raqqa liegt am mittleren Euphrat und ist die Hochburg des IS. Im März 2013 wurde die Stadt von "gemäßigten" islamistischen syrischen Rebellen besetzt. Mitte August 2013 kam die Stadt schließlich unter Kontrolle des IS. Die von einigen westlichen Regierungen, Saud-Arabien und der Türkei unterstützte syrische Opposition hatte damals kaum Widerstand gegen den IS geleistet. Viele "pro-westliche" Kämpfer wechselten die Seiten und schlossen sich dem IS an.

Bereits damals wurden Zehntausende Kurden und die meisten der wenigen Christen aus Ar-Raqqa vertrieben. Wie viele Kurden genau noch in der Stadt leben, ist unbekannt. Es dürften noch mehrere tausend sein. Die kurdische YPG-Miliz und ihre arabischen Verbündeten stehen etwa 50 Kilometer nördlich vor Ar-Raqqa. Sie haben die IS-Extremisten am 16. Juni 2015 aus der nordsyrischen Stadt Tall Abjad verjagt. Während die Kurden von der US-Luftwaffe unterstützt werden, wird der IS von der türkischen Regierung zumindest geduldet.

Ende 2010 lebten in Raqqa etwa 200.000 Menschen. Die meisten waren sunnitische Araber. Dort gab es aber auch viele Kurden und eine klein Anzahl von Schiiten und Christen. Nach der Eroberung der Stadt durch Islamisten wurde die schiitische Ammar ibn Yassir-Moschee im Norden der Stadt von sunnitischen Rebellen zum Teil zerstört. Am 26. September 2013 setzten Islamisten die armenisch-orthodoxe Kirche Sajjida-al-Bishara in Brand, nachdem zuvor bereits die Holzkreuze und christliche Bildnisse von den Wänden gerissen und angezündet worden waren. Die wenigen noch in der Stadt verbliebenen Christen wurden dazu gezwungen, eine Kopfsteuer zu zahlen. Sie durften nicht in der Öffentlichkeit beten. Das Rauchen, der Genuss von Alkohol und das Hören von weltlicher Musik wurden vom IS verboten.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 24. Juni 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2015

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