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NAHOST/170: Libyen - Kämpfe zwischen Berbern und Armee - Warnujng vor Berber-Revolte


Presseerklärung vom 13. Dezember 2011

Libyen: Kämpfe zwischen Berbern und der Armee gefährden Stabilität

Libyen droht Berber-Revolte: Ureinwohner kritisieren Missachtung ihrer Rechte


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor einer weiteren Destabilisierung Libyens. "Libyen droht eine Berber-Revolte", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. "Denn die neue Führung des Landes ist nicht bereit, den Einsatz von Berber-Milizen beim Sturz des Gaddafi-Regimes angemessen zu würdigen und grundlegende Rechte der nicht-arabischen Minderheit anzuerkennen. Libyen droht ein Rückfall in schlimmste Zeiten des Gaddafi-Regimes, wenn der Rassismus gegen Nicht-Araber und die Arabisierungspolitik nicht gestoppt werden." Seit Ende November 2011 gibt es immer mehr öffentliche Proteste der Berber gegen die Übergangsregierung Libyens. Am vergangenen Wochenende starben mindestens sechs Personen bei Kämpfen zwischen Berbern und der Nationalen Libyschen Armee sowie arabischen Milizen.

Besonders dramatisch war ein Zwischenfall am Flughafen der Hauptstadt Tripolis am 11. Dezember. Eine Wagenkolonne des einflussreichen Armeechefs General Khalifa Hiftar durchbrach eine Straßensperre einer Berber-Miliz, die seit August den Flughafen bewacht. Bei den dadurch ausgelösten Gefechten wurden mindestens zwei Personen getötet. "Die Armee spielt den Zwischenfall zwar herunter, doch der Schusswechsel zeigt, wie wenig Berber-Milizen bereit sind, die Vorrangstellung der Armee anzuerkennen", sagte Delius.

Auch 190 Kilometer südlich von Tripolis war es am Wochenende zu Kämpfen zwischen der von Berbern dominierten Miliz aus der Stadt Zintan und Angehörigen des El-Mashasha-Clans gekommen, die überwiegend Gefolgsleute des Diktators Gaddafi waren. Bei den Auseinandersetzungen wurden vier Menschen getötet.

Die nicht-arabischen Ureinwohner, die sich selbst nicht als Berber, sondern als Masiren bezeichnen, werfen Libyens Nationalem Übergangsrat vor, Gaddafis Arabisierungspolitik fortzuführen und die Berber zu ignorieren, obwohl sie eine treibende Kraft beim Sturz des Gewaltherrschers waren. So waren es die Masiren in dem westlich von Tripolis gelegenen Bergmassiv Djebel Nefoussa, die entscheidenden Anteil an der Einnahme der von Gaddafi kontrollierten Hauptstadt hatten. Auch bei den Kämpfen um die Städte Misrata, Zouara und Zintan spielten Milizen der Masiren eine entscheidende Rolle.

Obwohl die Masiren rund zehn Prozent der Bevölkerung stellen, wurden sie bei der Regierungsbildung nicht berücksichtigt. Mehrere Mitglieder in der neuen Regierung hatten Masiren schon während des Freiheitskampfes vorgeworfen, anti-arabisch zu sein und von Israel unterstützt zu werden. Bislang sind die neuen Machthaber Libyens nicht bereit, die masirische Sprache als gleichberechtigt mit dem Arabischen anzuerkennen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 13. Dezember 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2011