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NAHOST/166: Nubier in Ägypten fordern Rechte


Presseerklärung vom 24. November 2011

Nubier in Ägypten fordern Rechte

Unruhen in Oberägypten - Ausgangssperre in Assuan verhängt


Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen in Ägypten nehmen in Oberägypten Spannungen zwischen der Minderheit der Nubier und Sicherheitskräften deutlich zu. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen berichtete am Montag, in der bei deutschen Touristen beliebten Stadt Assuan sei am Samstagabend eine Ausgangssperre verhängt worden, um Demonstrationen von Nubiern zu verhindern. Zuvor hatte sich die Polizei Straßenschlachten mit aufgebrachten Demonstranten geliefert, die die bedeutendste Straße entlang des Nils besetzt hatten. Die Sicherheitskräfte beendeten die Aktion gewaltsam unter Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas. Unmittelbarer Anlass der Proteste war der Tod eines nubischen Fährmanns, der am Samstag seinen schweren Verletzungen erlag. Der Nubier war nach einem Wortwechsel am 6. November von einem Polizisten niedergeschossen worden. Dies war bereits der dritte Zwischenfall innerhalb weniger Wochen, bei dem ein Nubier von Polizisten willkürlich getötet wurde.

Seit dem Sturz von Hosni Mubarak am 25. Januar 2011 eskalieren nach GfbV-Angaben die seit langem bestehenden Spannungen in Oberägypten. Die Nubier, die unter dem Regime des Diktators ihre Kritik an ihrer Zwangsumsiedlung zum Bau des Assuan-Staudammes nicht öffentlich äußern konnten, fordern ihre Rechte immer massiver ein. So setzten Ende August 2011 Demonstranten sogar den Amtssitz des Gouverneurs in Assuan in Brand.

Die Nubier verlangen, dass sie als eine der ältesten Kulturen und Völker Ägyptens anerkannt werden. Sie empfinden es als bittere Ironie der Geschichte, dass sie heute verelendet sind und als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, während andere Ägypter ausländische Urlauber durch die Wirkungsstätten der Pharaonen führen und ihnen die Jahrtausende alte Hochkultur der früheren Herrscher des Nahen Ostens erläutern. Seit Jahren strömen verstärkt Arbeitssuchende aus den verarmten Provinzen in Oberägypten in die Touristenregion. Die Zugewanderten kontrollieren rund 75 Prozent des Wirtschaftslebens in Assuan. Für die indigenen Nubier bieten sich da nur noch wenig Perspektiven. In der Region Assuan leben rund 1,5 Millionen Nubier, etwa 500.000 haben sich in den größeren Städten des Landes angesiedelt. Viele Nubier wollen in ihre alten Siedlungsgebiete entlang des Nils zurückkehren.

Dreimal innerhalb von 60 Jahren wurden die in Ägypten lebenden Nubier für den Bau von Staudämmen zwangsumgesiedelt. Im September 2011 hat ihnen Premierminister Essam Sharaf zugesichert, ihnen die Rückkehr auf ihr altes Land entlang des Nils zu gestatten. Doch auch diese Zusage hat die Unruhen nicht nachhaltig eindämmen können.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 14. November 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2011