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MELDUNG/138: Krimtataren leiden seit drei Jahren unter russischer Herrschaft


Presseerklärung vom 24. Februar 2017

Tag des Widerstands der Krimtataren (26.2.)

Krimtataren leiden seit drei Jahren unter russischer Herrschaft
Bilanz der Repressalien 2016 veröffentlicht


Drei Jahre nach der Annexion der Krim durch Russland leiden die rund 280.000 Krimtataren auf der Halbinsel weiter unter Verfolgung, Diskriminierung und Angst. Die mehrheitlich erst nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 aus der Verbannung zurückgekehrten Angehörigen dieser muslimischen Volksgruppe werden nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unter erneuter russischer Herrschaft unterdrückt und fremdbestimmt. Die Menschenrechtsorganisation veröffentlichte anlässlich des Tages des Widerstands der Krimtataren (26.2.) ein 27-seitiges Memorandum über Menschenrechtsverletzungen an Krimtataren im vergangenen Jahr und über von Moskau herbeigeführte gesellschaftliche Veränderungen auf der Halbinsel, die die Krim vom ukrainischen Festland ablösen und "russifizieren" sollen. Für die Krimtataren hat der 26. Februar besondere Bedeutung, weil an dem Tag 2014 Tausende Krimtataren in Simferopol gegen die bevorstehende Besatzung durch Russland demonstrierten. Seitdem sollen rund 30.000 Krimtataren von der Halbinsel geflohen sein.

"Der größte Schlag gegen die Krimtataren 2016 war die Einstufung ihres Medschlis als "extremistische Organisation" und das Verbot jeglicher Aktivität dieses Gremiums, das als "Regierung" der Krimtataren gilt. Damit hat Russland ihre wichtigste Institution zerstört", heißt es in dem Memorandum. "Durch diese und andere repressive Maßnahmen wie massenhafte Kontrollen von "nicht-slawisch" aussehenden Personen sollten die Krimtataren als "extremistisch", "islamistisch" und als Gefahr für den Frieden auf der Halbinsel stigmatisiert werden. Willkürliche Hausdurchsuchungen verbreiteten Angst und machten ebenfalls Stimmung gegen die Minderheit", warnt Sarah Reinke, GfbV-Referentin und Autorin des Berichts.

Die GfbV registrierte 2016 drei Fälle von "Verschwindenlassen" von oppositionellen Krimtataren und die Verhängung von sechs langjährigen Haftstrafen nach unfairen Prozessen. Vier Krimtataren wurden ohne Beweise beschuldigt, der in Russland verbotenen, aber in der Ukraine legalen muslimischen Organisation "Hibut Tahrir" anzugehören. Zwei Ukrainer hatten sich gegen die russische Annexion engagiert. Einer von ihnen wurde in Haft schwer gefoltert. Der andere wurde wegen angeblichen Terrorismus verurteilt. In 32 Fällen wurden neue Strafverfahren eingeleitet. Sieben Personen wurden gezwungen, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, darunter der prominente krimtatarische Bürgerrechtler Ilmi Umerov. Mehr als 177 Personen wurden zeitweise festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt, mehr als 90 Prozent sollen Krimtataren gewesen sein. Sie befürchten, dass ihre Daten für spätere Strafverfahren verwendet werden könnten. Mehr als 50 Mal durchsuchten Beamten des Geheimdienstes und der Polizei Häuser, Wohnungen, Moscheen und andere Gebäude zumeist von Krimtataren.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 24. Februar 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2017

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