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MELDUNG/056: GfbV-Ehrenmitglied Thomas Benedikter in der Türkei angeklagt


Presseerklärung vom 6. Mai 2013

GfbV-Ehrenmitglied Thomas Benedikter in der Türkei angeklagt

Gesellschaft für bedrohte Völker fordert: Prozess gegen Autonomie-Experten sofort einstellen! Die türkische Regierung muss endlich Meinungsfreiheit gewährleisten!



Mit aller Entschiedenheit fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Einstellung des drohenden Gerichtsprozesses gegen ihr Ehrenmitglied, den Autonomie-Experten Thomas Benedikter aus Bozen. Wie der Autor von seinem Verleger in der Kurdenmetropole Diyarbakir im Südosten der Türkei erfuhr, sollen er und sein Verlag Aram sich nach der Veröffentlichung des Buches "Avrupa'nin Özerk Bölgeleri" (deutsch sinngemäß "Europas Autonomiesysteme") wegen angeblicher Verletzung des Anti-Terror-Gesetzes verantworten. "Es kann nicht sein, dass die türkische Justiz Wissenschaftler und Journalisten wegen angeblicher Propaganda für die kurdische PKK anklagt, während die Regierung unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf höchster Ebene mit der PKK und deren inhaftierten Führer Abdullah Öcalan verhandelt", erklärte die internationale Menschenrechtsorganisation am Montag. "Die türkische Regierung muss ihre doppelte Strategie im Umgang mit der kurdischen Bevölkerung endlich beenden und alle Einschränkungen der Diskussions- und Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit der Debatte über eine friedliche Lösung der Kurdenfrage aufheben."

Thomas Benedikter ist Mitbegründer und langjähriger Leiter der GfbV-Südtirol. Die türkische Staatsanwaltschaft wirft ihm "Propaganda für die PKK" vor, obwohl er in seinem Buch nicht über die PKK schreibt. Davon könne sich jeder selbst überzeugen, denn sein Werk über Autonomiesysteme, das im Herbst 2012 auf Türkisch erschien, sei auch auf Deutsch und Englisch im Internet veröffentlicht, teilte die GfbV mit. Das Buch stellt die Kerngedanken politischer Autonomie und alle Territorialautonomien Europas vor. Weder von der Türkei noch der PKK und nicht einmal von Kurdistan oder Kurden ist darin die Rede. Der türkische Staatsanwalt hingegen listet seitenweise Stellen mit "Propaganda für die PKK" auf und stellt schließlich fest: "Das allgemeine Ziel dieser Übersetzung ist die politische Vertretung der PKK und die Schaffung legislativer und exekutiver Befugnisse, Regionalbürgerschaft, Sprachenpolitik und Kontrolle der wirtschaftlichen Ressourcen unter der Leitung einer kurdischen Bewegung. Aus diesem Grund lässt sich ersehen, dass die Übersetzung demokratische Autonomie zum Gegenstand hat und die PKK dieses Autonomiemodell vertritt."

Benedikter muss sich allem Anschein nach am 3. Juni vor dem Oberlandesgericht für Strafsachen in Diyarbakir verantworten. "Der Prozess richtet sich eigentlich gegen die kurdische Autonomiebewegung", meint der Südtiroler Autonomieforscher. "Die Klagebegründung erinnert an die übliche Einschüchterung politisch aktiver Kurden durch die Justiz. Hunderte von ihnen sitzen aus politischen Gründen in türkischen Gefängnissen. Wenn ich verurteilt werde, werde ich aber die italienische Botschaft und den Außenminister ersuchen, offiziell in Ankara zu protestieren. Überhaupt sollte die EU bei den Verhandlungen mit der Türkei nicht nur auf eine Lösung der Zypern-Frage drängen, sondern auch viel deutlicher auf Einhaltung der Meinungsfreiheit, auf Minderheitenrechte und eine Lösung der Kurdenfrage beharren."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. Mai 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2013