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MELDUNG/030: Außenminister schürt Zweifel an Berechenbarkeit deutscher Außenpolitik


Presseerklärung vom 25. August 2011

Außenminister schürt im "ZDF heute journal" Zweifel an Berechenbarkeit deutscher Außenpolitik

Scharfe Kritik an Westerwelles Plädoyer für neue strategische Partner Deutschlands


Außenminister Guido Westerwelle schürt mit seinen Rechtfertigungsversuchen deutscher Libyen-Politik nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) neue Zweifel an der Berechenbarkeit deutscher Außenpolitik. "Wenn Westerwelle die neuen strategischen Partnerschaften Deutschlands zum "Kompass" deutscher Außenpolitik macht, dann steht es schlecht um deutsches Engagement für Menschenrechte", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Denn diese Partner sind China, Russland und Angola. Sie treten nicht nur im eigenen Land Menschenrechte mit Füßen, sondern missachten sie auch weltweit."

Nach der Kritik von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl hatte Westerwelle am Mittwochabend in einem Interview im "ZDF heute journal" erklärt: "In der Welt des 21. Jahrhunderts ist es auch notwendig, die neuen Kraftzentren der Welt ernst zu nehmen und neue strategische Partnerschaften aufzubauen. Das ist kein Kurswechsel, sondern die schlichte Erkenntnis einer neuen Zeit...Wir müssen als ein Exportland auch zu diesen neuen Kraftzentren strategische Partnerschaften schmieden. Das hat nichts damit zu tun, dass wir nicht unsere Bündnispartner kennen würden."

"Deutsche Wirtschaftsinteressen dürfen Menschenrechte und das Engagement für rechtsstaatliche Grundwerte nicht verdrängen", forderte Delius. "Wer Deutschlands neue strategische Partner mit den alten Bündnispartnern gleichsetzt, handelt kurzsichtig. Denn bei den neuen Partnerschaften sind kurzfristige Wirtschaftsinteressen maßgeblich und nicht über Jahrzehnte gewachsene gemeinsame Beziehungen."

Deutschlands strategische Partner China und Russland waren lange enge Verbündete von Libyens Diktator Gaddafi. Massiv kritisierten beide Staaten die militärische Intervention westlicher Staaten in dem nordafrikanischen Land. Peking hat erst vor zwei Tagen den Sieg der Aufständischen anerkannt. Zuvor hatte sich China in dem Bürgerkrieg neutral verhalten. Angola hat Gaddafi bis zuletzt sogar politisches Asyl angeboten. Angolas Staatspräsident Jose Eduardo dos Santos, dem Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im Juli 2011 die strategische Partnerschaft angeboten hatte, hatte die westlichen Staaten noch am 18. August 2011 aufgefordert, die Luftangriffe in Libyen sofort einzustellen. In seiner Heimat gilt dos Santos als Diktator, der ähnlich wie Gaddafi mit aller Härte gegen Regimekritiker vorgeht.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 25. August 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2011